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Omega-3-Fettsäuren und Folsäure

Vom Mutterleib an gut versorgt

10.10.2007  09:05 Uhr

Omega-3-Fettsäuren und Folsäure

Vom Mutterleib an gut versorgt

Brigitte M. Gensthaler, München

In der Schwangerschaft und Stillzeit wollen Frauen das Bestmögliche für ihr Baby tun. Dazu gehört auch eine ausgewogene Ernährung. Nur eine gut versorgte Mutter kann ihrem Kind wichtige Nährstoffe geben wie ungesättigte Fettsäuren und Folsäure.

Das Ungeborene wächst im Mutterleib nicht nur körperlich heran, sondern entwickelt sich auch geistig. Wie das winzige Gehirn auf Reize von außen reagiert, können Forscher heute mit moderner Technik, der fetalen Magnetenzephalografie (fMEG), verfolgen. Dabei fanden sie heraus, dass Ungeborene bereits ab der 20. Schwangerschaftswoche Töne registrierten, berichtete Dr. Hubert Preißl vom MEG-Zentrum der Universität Tübingen bei einem von der Merck Selbstmedikation unterstützten Pressegespräch in München. Ab der 26. Woche reagiert das kindliche Gehirn immer rascher auf Töne. Diese Beobachtung interpretieren die Wissenschaftler als ein Zeichen, dass sich das Gehirn entwickelt und Informationen schneller verarbeitet. Ab der 28. Woche können Feten sogar verschiedene Töne unterscheiden; dies sei wichtig für die spätere Sprachentwicklung, sagte Preißl.

Die schnellere Gehirnantwort fehlte jedoch bei den Feten, die über den Mutterkuchen (Plazenta) mangelhaft versorgt waren. »Dies zeigt, dass eine Minderversorgung der Schwangeren sich vermutlich stark auf die kindliche Entwicklung auswirkt«, folgerte der Experte.

Baby-Gehirn braucht Fettsäuren

Zu den wichtigen Nährstoffen in der Schwangerschaft zählen ungesättigte Fettsäuren, speziell Omega-3-Fettsäuren wie Docosahexaensäure (DHA). Fetter Seefisch enthält reichlich ungesättigte Omega-3-Fettsäuren. Schon vor rund 20 Jahren wiesen Forscher in Studien in Dänemark und auf den Faröer-Inseln nach, dass Frauen, die viel Seefisch aßen, eine etwas längere Schwangerschaft und weniger Frühgeburten hatten und schwerere Babys zur Welt brachten. 2006 kam eine große Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen.

»Das Gehirn ist ein fettes Organ; mehr als ein Fünftel der Fettmasse besteht aus DHA«, erklärte Professor Dr. Berthold Koletzko vom Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Im letzten Schwangerschaftsdrittel und in den ersten beiden Lebensjahren speichern Gehirn und Nervengewebe des Kindes besonders viel DHA. Während der Schwangerschaft erhält der Fetus die Fettsäuren über die Plazenta aus dem mütterlichen Blut, ein gestilltes Baby über die Muttermilch.

Bei Säuglingen, die gut mit DHA versorgt waren, hätten sich Sehschärfe und räumliches Sehen besser entwickelt, berichtete der Kinderarzt. Nach einer Anfang 2007 veröffentlichten Studie waren diejenigen Kinder sogar noch bis zum 8. Lebensjahr ihren Altersgenossen einen Schritt voraus, deren Mütter in der Schwangerschaft reichlich Fisch aßen.

»Schwangere und Stillende brauchen mindestens 200 mg DHA pro Tag«, zitierte Koletzko eine internationale Empfehlung. Diesen Bedarf können die Frauen decken, wenn sie ein- bis zweimal pro Woche fetten Seefisch essen, zum Beispiel Hering, Makrele oder Lachs.

Raubtiere wie Schwert- oder Thunfisch sowie Ostsee-Fische sind weniger geeignet, da sie stark mit Methylquecksilber und Dioxinen belastet sind. Für Frauen, die keinen Fisch mögen, bieten sich Fischöl-Kapseln als Alternative an.

Folsäure auch nach der Geburt

Wie wichtig Folsäure für die kindliche Entwicklung ist, ist ebenfalls schon lange bekannt. Eine gute Folatversorgung der Mutter in den Wochen vor und nach der Empfängnis kann das Risiko für Neuralrohrdefekte beim Kind erheblich senken. Inzwischen weiß man, dass der Bedarf während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit deutlich erhöht ist. Schwangere und stillende Frauen sollen täglich 600 µg Folatäquivalente (Nahrungsfolat) zu sich nehmen, für alle anderen werden 400 µg empfohlen.

Tatsächlich liege die mittlere tägliche Zufuhr nur bei etwa 220 µg, sagte Professor Dr. Klaus Pietrzik vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Bonn. Das kann gefährlich werden: Studien haben gezeigt, dass ein niedriger Folatstatus der Frau das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburten erhöht.

Doch Folsäure ist nicht gleich Folat. Die Nahrung enthält verschiedene Folatverbindungen. Etwa die Hälfte der so genannten Nahrungsfolate näme der Körper auf und wandle sie mithilfe von Enzymen in die Wirkform 5-Methyl-Tetrahydrofolat (5-MTHF) um, erklärte der Ernährungswissenschaftler. Bei rund 10 Prozent der Bevölkerung ist das Hauptenzym MTHF-Reduktase jedoch genetisch verändert. Diese Menschen können daher Folsäure nicht ausreichend verstoffwechseln, und ein Folatmangel kann entstehen.

Im Gegensatz zum Nahrungsfolat sind Folsäure und die natürliche Wirkform 5-MTHF nahezu komplett bioverfügbar. Beide Substanzen können synthetisch hergestellt werden.

Um Versorgungslücken zu decken, sollten Schwangere und Stillende sich folatreich ernähren und täglich zusätzlich Supplemente einnehmen, empfahl Pietrzik. Er riet zum »gemischten Doppel« aus 200 µg Folsäure und äquimolaren Mengen 5-MTHF (Ca-L-Methylfolat). Letzteres nütze auch Frauen, die Nahrungsfolate und Folsäure nicht ausreichend verstoffwechseln können.

 

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