Apothekenkooperation kopiert Drogeriekonzept |
19.08.2011 14:31 Uhr |
Von Daniel Rücker / Zuerst waren es Drogeriemärkte, in denen Patienten Arzneimittel bestellen und abholen konnten. Jetzt zieht eine Apothekerkooperation nach. Die von der Apothekerschaft bekämpften Pick-up-Stellen soll es demnächst flächendeckend in Linda-Apotheken geben.
Vor rund sieben Jahren verabredeten die niederländische Europa-Apotheek in Venlo und die Drogeriemarktkette dm, Arzneimittel aus der Apotheke über Filialen des Drogisten zu verkaufen. Das Konzept war einfach. Die Patienten gaben ihre Bestellung im Drogeriemarkt auf, bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln legten sie das Rezept in ein spezielles Couvert. Drei Tag später konnten sie die bestellten Arzneimittel in derselben Filiale abholen. Von Beginn an wurde das als »Pick up« bezeichnete Geschäftsmodell von der nordrhein-westfälischen Apothekenaufsicht und von den Apothekern selbst bekämpft. Bislang allerdings ohne Erfolg.
Pick up ist eine Erfindung von dm-Drogeriemarkt und der Europa-Apotheek.
Foto: dm
Im Gegenteil: Wenn der Plan von Linda aufgeht, gibt es bald eine ganze Reihe von Apotheken, die als Abholstelle für eine niederländische Versandapotheke fungieren. Linda will das von der Apothekerfamilie Winterfeld aus dem Bergischen Land entwickelte umstrittene Pick-up-Konzept »Vorteil 24« im Herbst allen Mitgliedern anbieten.
Bislang lief Vorteil 24 nur testweise in einigen Apotheken. Zum Herbst beabsichtigt die Apothekenkooperation, nun bundesweit allen Linda-Apotheken die Möglichkeit eröffnen, bei »Vorteil 24« mitzumachen, mit der Begründung, Pick up sei bei Kunden und Apothekern gut angekommen. Die Kunden schätzen die günstigeren Preise. Die Linda-Apotheker sehen sich nun für den Wettbewerb mit Versandapotheken besser gerüstet. Weil die Arzneimittel aus den Niederlanden geliefert werden, fühlen sich die Vorteil 24-Apotheker auch bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht mehr an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden.
Umstrittenes Modell
Juristisch ist dies allerdings sehr umstritten. Derzeit muss der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe in einem anderen Fall klären, ob die Arzneimittelpreisverordnung auch für niederländische Apotheken gilt, wenn sie nach Deutschland liefern. Das Landgericht München sieht dies auf jeden Fall so. Es verbot einer Apothekerin, Medikamente unter Umgehung der Preisverordnung abzugeben. Die Apothekerin hatte die Präparate von einer ungarischen Apotheke bezogen.
Linda-Apotheken wollen ihre Patienten mit Arzneimittel aus den Niederlanden versorgen und so die deutsche Arzneimittelpreisverordnung umgehen.
Foto: Linda
Die meisten Apotheker halten wenig von Vorteil 24. Sie finden es fatal, dass ausgerechnet Apotheken nun ein Geschäftsmodell übernehmen, das es Drogerien ermöglicht hat, rezept- und apothekenpflichtige Arzneimittel möglichst billig zu verkaufen.
Auch die Aufsichtsbehörden beschäftigen sich mit Pick-up-Stellen, vor allem in Nordrhein-Westfalen. So hat der Kreis Euskirchen bei Köln beim Verwaltungsgericht Aachen eine Ordnungsverfügung gegen einen Apotheker erwirkt, der eine Pick-up-Stelle in seiner Apotheke eingerichtet hatte. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Womöglich wird sich der Rechtstreit noch eine ganze Weile hinziehen. Dem ging die Einschätzung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers voraus, »Vorteil-24« sei ein in Apotheken nicht erlaubtes Shop-in-Shop-Konzept. Verbunden war dies mit der Anweisung an die Amtsapotheker, gegen Vorteil 24-Apotheken vorzugehen. Und auch die Finanzbehörden interessieren sich für die Frage, ob Apotheker, die Vorteil 24 nutzen, in diesen Fällen Mehrwertsteuer in Deutschland bezahlen müssen.
Wenn Linda nun die umstrittene Geschäftsidee im gesamten Bundesgebiet anbietet, dann geht die Kooperation ein erhebliches Risiko ein. Es gibt gleich mehrere Gründe für ein Scheitern: Setzen sich die Aufsichtsbehörden mit ihrer Position durch, Vorteil 24 sei ein für Apotheken verbotenes Shop-in-Shop-Konzept, hat sich das Konzept erledigt. Wenn die Richter vom Gemeinsamen Senat feststellen, dass für niederländische Versandapotheken die Arzneimittelpreisverordnung gilt, bricht zumindest das Marktsegment der rezeptpflichtigen Arzneimittel weg und schließlich könnte ein seit Jahren in der Politik diskutiertes Verbot von Pick-up-Stellen Vorteil 24 den Garaus machen Wer in Vorteil 24 investiert, muss sich deshalb auch auf mögliche finanzielle Nachteile einstellen. /