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Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im August 2011

19.08.2011  14:03 Uhr

Von Sven Siebenand / Bromfenac, Ipilimumab und Belimumab heißen die Marktneuheiten im August. Ein wenig lassen die Endungen der neuen Arzneisubstanzen deren Anwendungsgebiete erahnen. Über die genauen Indikationen und Wirkmechanismen informiert dieser Artikel.

Zum 1. August 2011 kam in Deutschland das nicht-steroidale Antiphlogistikum Brom­fenac (Yellox™ 0,9 mg/ml Augentropfen, Croma Pharma) auf den Markt. Das neue Arzneimittel kommt nach Operationen des Grauen Stars zum Einsatz. Zur Erinnerung: Beim Grauen Star (Katarakt) trübt sich nach und nach die Augenlinse, bis die Betroffenen ihre Sehkraft verlieren. Die Katarakt ist weltweit die häufigste Ursache für Erblindung. Um dies zu verhindern, wird der Graue Star bei den meisten Patienten operativ entfernt. Doch nach der Opera­tion kommt es bei manchen zu entzünd­lichen Prozessen am Auge. Diese soll der neue Arzneistoff verhindern.

Neuer Entzündungshemmer

Die Dosierungsempfehlung für die verschreibungspflichtigen Augentropfen lautet: Zweimal täglich einen Tropfen in das/die betroffene(n) Auge(n) geben. Therapiestart ist der Tag nach der Operation. Die Behandlung sollte nicht länger als zwei Wochen dauern. Patienten, die regelmäßig weitere Augentropfen anwenden, sollten zwischen den Gaben mindestens fünf Minuten warten. Kontaktlinsenträger sollten während der Zeit der Behandlung statt der Linsen eine Brille tragen. Bei der Applika­tion der Tropfen müssen die Patienten sorgfältig darauf achten, dass die Tropferspitze nicht die Augenlider oder andere Oberflächen berührt, um eine Kontamination der Augentropfen zu verhindern.

Der Name des neuen Arzneistoffs Bromfenac ähnelt Diclofenac. Aus gutem Grund: Auch der Wirkmechanismus ist im Prinzip der gleiche. Beide Substanzen hemmen das Enzym Cyclooxygenase (COX) und vermindern dadurch die Produktion von Prostaglandinen, die an Entzündungsprozessen beteiligt sind.

Als häufigste Nebenwirkungen wurden in Studien ein Fremdkörpergefühl im Auge, Juckreiz im Auge, Augenschmerzen und Augenrötung bis hin zu leichten oder mittelschweren Ablösungen der Hornhaut beobachtet. Bei Patienten, die auf nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAID) allergisch reagieren, kann der Einsatz der neuen Augentropfen auch im übertragenen Sinne ins Auge gehen. Bei diesen Patienten ist Bromfenac daher kontraindiziert. Ferner weist der Hersteller in der Fachinformation darauf hin, dass die gleichzeitige Anwendung von NSAID und topischen Corticoiden den Heilungsprozess beeinträchtigen kann. Stillende Frauen dürfen die Tropfen anwenden. Schwangeren wird das nicht empfohlen, es sei denn, der Nutzen überwiegt das potenzielle Risiko.

Neues Hautkrebsmittel

Ebenfalls am 1. August 2011 kam mit Ipilimumab (Yervoy® 5 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Bristol-Myers Squibb) ein neues Medikament für die Behandlung maligner Melanome auf den deutschen Markt. Das maligne Melanom ist eine Form von Hautkrebs, deren Kennzeichen das unkontrollierte Wachstum von pigmentbildenden Zellen (Melanozyten) in der Haut ist. Beim metastasierten Melanom hat sich der Tumor in weitere Organe ausgebreitet. Wird das maligne Melanom früh erkannt, ist es fast immer heilbar. In späten Stadien jedoch leben die Betroffenen nur noch durchschnittlich sechs Monate. Mit Ipilimumab sollen Erwachsene mit fortgeschrittenem Melanom behandelt werden, denen zuvor keine andere Therapie geholfen hat. Das Präparat muss im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius gelagert werden.

Die Patienten erhalten das Medikament als Infusion in die Vene über eine Dauer von 90 Minuten in insgesamt vier Dosen im Abstand von jeweils drei Wochen. Für eine Infusion empfiehlt der Hersteller die Dosis von 3 mg Wirkstoff je Kilogramm Körpergewicht. Vor und während der Behandlung sollte der Arzt mithilfe von Blutuntersuchungen in regelmäßigen Abständen die Leber- und Schilddrüsenfunktion der Patienten überprüfen.

Der Antikörper Ipilimumab blockiert das Protein CTLA-4 auf der Oberfläche von T-Zellen. Funktionsfähiges CTLA-4 hemmt die Aktivierung von T-Zellen. Indem der neue Arzneistoff das Protein blockiert, bewirkt er also eine Aktivierung und Ausbreitung von T-Zellen. Infolgedessen erkennt und bekämpft das Immunsystem fremde Zellen wie Hautkrebszellen effektiver.

Die übermäßige Aktivität des Immunsystems kann für die Patienten aber auch von Nachteil sein. So wurden in Studien während der Therapie mit Ipilimumab häufig zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet. Betroffen waren der Magen-Darm-Trakt, die Leber, die Haut, das endokrine System und das Nervensystem. Mehr als 10 Prozent der Patienten litten unter vermindertem Appetit, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall, Hautausschlag, Juckreiz und Erschöpfung. Diese unerwünschten Wirkungen sind überwiegend darauf zurückzuführen, dass das Medikament die körpereigene Immun­antwort verstärkt.

Der Patient muss über die möglichen Nebenwirkungen informiert sein, damit er diese frühzeitig dem behandelnden Arzt mitteilen kann. In der Fachinformation erläutert der Hersteller, wann eine vorgesehene Infusion ausgelassen werden sollte oder die Behandlung mit dem Antikörper sogar dauerhaft beendet werden muss. Schwangere und Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, sollten das Arzneimittel nicht erhalten, es sei denn, der klinische Nutzen überwiegt das potenzielle Risiko. Da Nebenwirkungen für den Säugling nicht auszuschließen sind, muss die Mutter das Stillen während der Therapie unterbrechen.

Neues Lupus-Medikament

Auch zur Therapie des systemischen Lupus erythematodes gibt es in Deutschland seit Kurzem ein neues Medikament: Belimumab (Benlysta® 120 mg/400 mg Pulver zur Herstellung eines Infusionslösungskonzentrats, Glaxo SmithKline). Das Arzneimittel ist für erwachsene Patienten zugelassen, denen die Standardtherapie nicht ausreichend hilft. Der systemische Lupus erythematodes (SLE) zählt zu den Auto­immunerkrankungen. Frauen sind davon etwa zehnmal häufiger betroffen als Männer. Typisches Zeichen dieser seltenen chronisch-entzündlichen Bindegewebs­erkrankung ist eine Rötung (Erythem) im Gesicht. Außerdem leiden die Patienten häufig unter Gelenkschmerzen, Durchblutungsstörungen der Finger sowie allgemeinen eher diffusen Krankheitssymptomen oder Funktionsstörungen der Organe.

Die Dosierungsempfehlung für die Infusionstherapie lautet in der Regel 10 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Die ersten drei Infusionen erhalten die Patienten im Abstand von jeweils zwei Wochen. Danach folgt alle vier Wochen eine weitere Infu­sion. Da manche Patienten auf den Arzneistoff allergisch reagieren, sollten sie während der Infusion überwacht werden, denn gegebenenfalls ist schnelles Handeln erforderlich. Zur Prophylaxe kann der Arzt dem Patienten vor der Infusion ein Anti­histaminikum und/oder Antipyretikum verabreichen. Ungeöffnete Durchstechflaschen des Medikamentes sind im Kühlschrank bei 2 bis 8 Grad Celsius zu lagern und in der Originalverpackung aufzubewahren, um den Inhalt vor Licht zu schützen.

Der monoklonale Antikörper Belimumab bindet spezifisch an das B-Lymphozyten-Stimulator-Protein (BLys). Dessen Konzentration im Blut ist bei Patienten mit SLE charakteristischerweise erhöht. Je höher der Wert im Plasma, desto höher die Krankheitsaktivität. Belimumab verhindert die Bindung von BLys an seine Rezeptoren auf bestimmten B-Lymphozyten. Da die B-Zellen ohne BLys nicht überleben können, kommt die Bildung von Autoantikörpern zum Erliegen. Damit nehmen auch die Entzündungsprozesse und Organschädigungen der SLE-Patienten ab.

Während der Therapie mit Belimumab kam es sehr häufig zu Durchfall und Übelkeit. In der Fachinformation nennt der Hersteller als häufige Nebenwirkungen Fieber, Migräne, Depression und Bronchitis. Wichtig zu bedenken: Belimumab kann das Risiko für Infektionen erhöhen. Auch sollten Ärzte den Patienten in den letzten 30 Tagen vor sowie während der Anwendung des Antikörpers keine Lebendimpfstoffe spritzen. Schwangere sollten Belimumab nicht erhalten, es sei denn, dies ist unumgänglich. /

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