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Gewürze aus aller Welt

Scharfmacher Chili und Paprika

19.08.2011  13:56 Uhr

Von Brigitte M. Gensthaler / Beim Stichwort Chili denkt jeder spontan an die scharfen, kleinen roten Schoten. Doch nicht alle Chilisorten gehören zu den Scharfmachern. Auch die mild-aromatischen Gemüsepaprika zählen zu derselben Pflanzenfamilie.

Rosenpaprika, Peperoncini und Cayennepfeffer: Die unterschiedlichen Namen lassen die Verwandtschaft kaum vermuten. Alle diese Gewürze gehören wie Chili und Paprika zu den Capsicum-Arten, diese wiederum, wie Kartoffel und Tomaten, zur Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae). Capsicum-Arten kommen weltweit in einigen tausend unterschiedlichen Sorten vor. Viele werden nur regional angebaut und in der heimischen Küche verwendet, andere sind weltweit verbreitet.

Ursprünglich stammt die Chili-Pflanze aus den tropischen Regionen Amerikas. Nach der Entdeckung des neuen Kontinents durch Christoph Kolumbus (1492) machten die spanischen Eroberer schnell Bekanntschaft mit dem typischen Essen der Einheimischen. Fast alle Speisen, die sie auf ihrem Eroberungsfeldzug im heutigen Mexiko vorgesetzt bekamen, schmeckten scharf. Die Köche verwendeten damals als Gewürze nur Chili und Salz; zum Süßen nahmen sie Honig oder Agavensirup. Chilis schätzten sie auch als Gemüse. Da Kolumbus und seine Seefahrer glaubten, das Pfefferland Indien entdeckt zu haben, nannten sie das scharfe Gewürz »indianischen Pfeffer«, aber auch »spanischen«.

Chili ist eine der ältesten Kulturpflanzen Mexikos. Nur Kürbisse sollen die Einheimischen bereits eher gezüchtet haben. Mais und Bohnen, heute Inbegriff der lateinamerikanischen Küche, kamen erst später hinzu. Bei Ausgrabungen fanden Archäologen Reste von Chilisamen aus der Zeit von 5000 bis 3500 vor Christus. Reste von Wildformen entdeckten Forscher in Erdschichten aus der Zeit um 7000 bis 5000 vor Christus. Bevor die Einheimischen Chilis anbauten, sammelten sie wild gewachsene Früchte.

Aus den Überlieferungen der spanischen Eroberer ist bekannt, dass die Azteken verschiedene Chilisorten kultivierten und nicht nur Truthahn- und Fischgerichten zusetzten, sondern sogar dem damaligen Luxusgetränk Kakao. Ärmere Bevölkerungsschichten ernährten sich überwiegend von Gerichten aus Mais, Bohnen und Chili.

Was ist Pfefferspray?

Nicht nur Kolumbus verwechselte Pfeffer und Chili. Auch das heutige »Pfefferspray« hat einen falschen ­Namen, denn es enthält Capsaicin und nicht Pfeffer. Die irrtümliche ­Bezeichnung beruht auf der falschen Übersetzung des englischen »Pepperspray«. Mitten ins Gesicht gesprüht, muss jeder sofort die Augen schließen, weil das Spray so stark brennt. Dadurch wird der Angreifer orientierungslos. Privatpersonen dürfen ­Pfefferspray in Deutschland nur zur Abwehr von Tieren mit sich führen. Dies müssen die Hersteller auf die Flasche drucken. Polizisten dürfen hingegen Pfefferspray gegen ­Menschen einsetzen.

Die europäischen Eroberer nahmen die exotische Chili-Pflanze mit nach Hause, wo sie zunächst wegen ihres attraktiven Aussehens geschätzt wurde. Überraschend schnell verbreiteten die Kolonialmächte die Gewürzpflanze in Afrika und Asien. ­Bereits um 1600 war Chili in ganz Indien bekannt und gelangte von dort aus nach China.

In West- und Mitteleuropa reagierten die Menschen weniger begeistert auf den »Scharfmacher« aus der Neuen Welt. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts konnte sich Capsicum, meist als mildere Paprika, etablieren. Heute hingegen hat sich Chili zum Trendgewürz sogar in Schokolade, Eis oder Süßwaren entwickelt.

Vom Unkraut zum Anbau

In Zentralamerika und Mexiko wachsen Chilis auch als Ackerunkraut und entwickeln sich zu mehrjährigen Büschen mit kleinen, super scharfen Schoten. Aufwendig ist dagegen die Kultur, weil die Pflanzen empfindlich sind, und nicht korrekt getrocknete Früchte schnell schimmeln. Für viele Kleinbauern lohnt sich der Anbau trotzdem, denn die Nachfrage ist groß und gute Qualität rar.

Heute werden Chilis in fast allen tropischen Ländern angebaut, im Export teilen sich Indien und Ostafrika die Spitzenposition. Klassische europäische Anbauländer für die milden aromareichen Paprika sind Spanien und Ungarn. Kultiviert werden fünf verschiedene Capsicum-Arten: pubes­cens, baccatum, frutescens, chinense und annuum. Bedeutung auf dem europäischen Markt haben vor allem C. frutescens als Lieferant von Cayennepfeffer und C. annuum, das weltweit in zahlreichen Sorten gezüchtet wird.

Einige Vertreter der Art C. chinense erreichen eine atemberaubende Schärfe. Dazu gehört beispielsweise der »Habanero«, der vor allem in Südmexiko angebaut wird, und der »Scotch bonnet« aus Jamaika.

Capsaicin und Scoville

Während Carotinoide für die schöne rote, orange oder gelbe Farbe sorgen, verursachen Säureamide, genauer Capsaicinoide, den scharfen Geschmack des Chili. Wichtigster Stoff ist Capsaicin, das vor allem in den Scheidewänden sitzt, weniger im Fruchtfleisch. Wer Chilischoten etwas »entschärfen« möchte, schält am besten Samen und Scheidewände vor Gebrauch heraus. Dazu Handschuhe anziehen oder die Hände nach der Arbeit gut waschen.

Die Chili-Schärfe wird traditionell in »Scoville-Einheiten« (Scoville Heat Units, SHU) angegeben. Der Name stammt von dem US-amerikanischen Apotheker und Pharmakologen Wilbur L. Scoville (1865 bis 1942), der den sogenannten Scoville-Test im Jahr 1912 entwickelt hat. Dabei prüfen Testpersonen Verdünnungsreihen von Chili in Wasser und bestimmen, bei welcher Verdünnung sie die Schärfe noch wahrnehmen. Rosenpaprika hat etwa 5000 SHU, ein milder Chili circa 10 000, scharfe asiatische Chilis etwa 100 000 SHU. Die berühmten »Habaneros« aus Mexiko erreichen Werte über 300 000. Ein Wert von 30 000 SHU bedeutet beispielsweise, dass eine Verdünnung von 1 Milli­liter reinem Capsaicin mit 30 000 Litern Wasser nötig ist, damit die Testpersonen keine Schärfe mehr schmecken. Das von der Polizei verwendete Pfefferspray hat übrigens einen SHU von 5 300 000. Exakter ist die Bestimmung der Capsaicinoide mit der Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatografie (HPLC), die anschließend in SHU umgerechnet wird.

Schmerzhaft und schmerzlindernd

Capsaicin bindet zwar an Schmerzrezeptoren in der Mundschleimhaut, doch wird dieser Reiz als Schärfe wahrgenommen. Da diese Rezeptoren auch Sensoren für Wärme sind, kann Capsicum Hitzewellen auslösen. Gesichtsröte und Schweißperlen auf der Stirn sind ein sichtbarer Beweis dafür.

Paprika und der Nobelpreis

1937 rückte die ungarische Paprika ins Rampenlicht der Nobelpreisverleihung, denn dem Forscher Albert von Szent-Györgyi (1893 bis 1986) war es gelungen, große Mengen an Ascorbinsäure aus Paprika zu isolieren und zu beweisen, dass die Säure mit dem »antiskorbutischen Vitamin«, dem Vitamin C, identisch ist. Dafür erhielt der Ungar den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Tatsächlich enthalten Paprika etwa doppelt soviel Vitamin C wie Zitronen.

Die Scharfstoffe der Capsicum-Arten steigern – in geringen Mengen genossen – die Speichel- und Magensaftproduktion, regen den Appetit und die Verdauung an und aktivieren den Stoffwechsel. Im Übermaß verzehrt reizen sie die Magenschleimhaut stark. Äußerlich aufgetragen regen sie die Durchblutung an und werden daher in Salben und »Rheuma-Pflastern« bei Muskelverspannungen und Gelenkschmerzen eingesetzt. Nach dem Auftragen der Salbe sofort die Hände waschen und ­Augenkontakt vermeiden!

Im Mai 2009 erteilte die Europäische Kommission die Genehmigung, ein hoch konzentriertes Capsaicin-Schmerzpflaster (Qutenza™) für Menschen mit schweren peripheren Nervenschmerzen in den Verkehr zu bringen. Der Scharfstoff soll die Nervenendigungen desensibilisieren. Nach einmaliger, maximal einstündiger Anwendung hält die Wirkung bis zu drei Monate an. Diese Methode dürfen nur spezialisierte Ärzte anwenden und die Behandlung frühestens nach 90 Tagen wiederholen.

Keine Küche ohne Chili

In Mexiko bilden Chili und Paprika nach wie vor das »Rückgrat« der Küche. Hier können Köche auch aus der größten Sortenvielfalt in allen Schärfegraden auswählen. Großfruchtige, getrocknete Sorten werden meist zu Pasten eingekocht, die den Speisen ihre Grundwürze geben. Kleinfruchtige Sorten sorgen für die gewünschte Schärfe. Neben den köstlichen Saucen, »Moles« genannt, sind dort auch Kaugummi, Wassereis und Süßigkeiten mit Chili sehr beliebt. Ein klassisches, weit über Mexikos Grenzen hinaus bekanntes Produkt ist die Tabasco-Sauce.

Große Liebhaber der kleinen Scharfmacher sind auch viele Völker Afrikas, Arabiens sowie Südost- und Südasiens. Doch auch innerhalb einzelner Länder unterscheidet sich der Geschmack der Bewohner: So lieben die Menschen in Südindien viel schärfere Gerichte als die im Norden. Besonders berühmt ist die Thai-Küche für ihre Speisen mit feuriger Schärfe und ausgefallenen Aromen. Pasten aus Zwiebeln, Chili, Gewürzen und Joghurt dienen zum Marinieren oder als Grundlage für Schmorgerichte. In Sri Lanka und Thailand runden manche Köche die reichliche Chili-Zugabe mit Kokosmilch ab.

Wer kein Freund zu großer Schärfe ist, sollte gemäßigte Sorten wählen:

  • edelsüßer Paprika schmeckt bittersüß;
  • Rosenpaprika ist etwas scharf;
  • Peperoncini sind schon ziemlich scharf;
  • Cayennepfeffer ist ein mittelscharfer Chili.

 

Was tun, wenn ein Gericht zu scharf ist, die Zunge brennt und die Augen tränen? Kein Wasser trinken, denn das heizt die Schärfe weiter an. Am besten kühlt Joghurt, das man lange im Mund behält. Andere schwören auf ein Stück Brot, langsam gekaut. Und der beste Tipp: Das Essen erst vorsichtig probieren. /

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