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Seifenkraut

Hustenlöser mit langer Tradition

24.08.2012  10:50 Uhr

Von Monika Schulte-Löbbert / Wie der Name vermuten lässt, diente die Pflanze im Mittelalter Mönchen und Armen als Seifenersatz. Sehr früh war auch ihre positive Wirkung auf die Atem- wege bekannt und lange Zeit galt das Seifenkraut als wichtigste hustenlösende Heilpflanze.

Das Gewöhnliche oder Rote Seifenkraut, Saponaria officinalis L., ist in ­Europa und in West- bis Zentralasien heimisch. Nach Nordamerika gelangte die Pflanze mit den Einwanderern im 19. Jahrhundert. Saponaria officinalis gehört zur Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae) und liebt nährstoffreiche Standorte mit meist frischen Sand- oder Kiesböden. Deshalb ist es häufig anzutreffen in Auen-Landschaften, an Flussufern, Dämmen und Kiesbänken, aber auch an Wegesrändern und Schuttplätzen.

Die mehrjährige krautige Pflanze erreicht Wuchshöhen von 40 bis 80 Zentimetern. Neben einer rübenartigen Hauptwurzel bildet sie stark verzweigte, unterirdische Ausläufer, die zu fingerdicken Rhizomen auswachsen. Die zahlreichen, meist dreinervigen, lanzettartigen Blätter sitzen kreuzgegenständig an dem aufrechten, weich behaarten Stängel.

Zur Blütezeit von Juni bis Oktober erscheinen an der Stängelspitze die meist blassrosa, mitunter auch weißen Blüten in dichten, rispenartigen Trugdolden. Die Kelchblätter sind zu einer circa zwei Zentimeter langen Kelchröhre verwachsen. Diese umschließt die gleichlange Blütenröhre, die sich zu einer runden Blüte mit fünf ungeteilten Kronblättern öffnet. Ihr Blütenduft, der abends und nachts am stärksten ist, lockt vor allem Nachtfalter an. Aus den Blüten reifen von September bis Oktober trockene, vierzähnig aufspringende Kapseln heran. Sie enthalten kleine braunschwarze, nierenförmige Samen, die durch Wind oder Tiere verbreitet werden. Daneben vermehrt sich das Seifenkraut auch vegetativ durch die weithin kriechenden Rhizome, sodass sich schnell große Bestände bilden können.

Der botanische Name Saponaria leitet sich von dem lateinischen Begriff »sapo« für Seife ab. Die Pflanze enthält natürliche Seifenstoffe, die Saponine. Wird die Wurzel mit Wasser zerrieben, entsteht ein seifenähnlicher Schaum, der Fette und Öle lösen kann. Auch die Synonyme Waschkraut oder Seifenwurzel weisen auf den früheren Gebrauch der Pflanze als Waschmittel hin.

Zum Waschen gebraucht

Schon im Mittelalter nutzten Mönche die Reinigungskraft des Seifenkrautes und kultivierten es als Nutzpflanze. Sie kochten die Wurzel aus und wuschen mit diesem Sud ihre wollenen Kutten. Lange Zeit ersetzte die Wurzel vielfach die kostbare Seife, vor allem in der ärmeren Bevölkerung. Noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bauten Menschen das Seifenkraut an, da sie mit dem Wurzelsud Kleidung aus Wolle waschen konnten, ohne dass diese einlief. Erst die Entwicklung moderner Waschmittel verdrängte das Seifenkraut vollends. Jedoch werden in der Slowakei noch heute Wäschestücke mit angeschnittenen Rhizomstücken »eingeseift«.

Die medizinische Verwendung des Krauts geht auf arabische Ärzte zurück, die Saponaria gegen Lepra, Flechten und bösartige Geschwüre verwendeten. Auch Hippokrates (460 bis 370 v. Chr.), der berühmte Arzt des Altertums, verordnete das Seifenkraut trotz seines strengen und kratzigen Saponingeschmacks zur Förderung der Menstruation. Hieronymus Bock (1498 bis 1554) und Lonicerus (1528 bis 1586), die Kräuterväter des späten Mittelalters, rühmten das Kraut bei Atemnot, Husten und zäher Verschleimung.

Lange Zeit galt das Seifenkraut als eine der wirksamsten hustenlösenden Heilpflanzen. Die Volksmedizin schätzte es als Expektorans, aber auch als Diuretikum, Cholagogum und Antirheumatikum. Äußerlich angewendet wurde es traditionell bei Hauterkrankungen wie Ekzemen und Flechten.

Gegen Katarrhe

Nur für die Indikation Katarrhe der oberen Luftwege bewertete die Kommission E im Jahr 1989 die Wurzel (nicht das Kraut) in der entsprechenden Monographie »Saponariae rubrae radix« (Rote Seifenwurzel) positiv.

Als Arzneidroge dienen die getrockneten Wurzeln, Wurzelstöcke und Ausläufer von Saponaria officinalis LINNÉ. Drogenimporte stammen aus China, dem Iran und der Türkei. Die Ernte erfolgt im Frühjahr oder Herbst. Dazu werden die Wurzeln von den oberirdischen Teilen befreit und nach dem Säubern möglichst schnell bei Temperaturen bis 50 °C getrocknet. Im Unterschied zur Roten Seifenwurzel stammt die Weiße Seifenwurzel von Gypso­phila paniculata L., einer anderen Pflanzenart der Caryophyllaceae.

Die Rote Seifenwurzel enthält als Hauptkomponente bis zu 8 Prozent Triterpenglykoside, die Saponine mit den zwei Hauptsaponinen Saponarioside A und B, und in geringen Anteilen die Saponarioside C und M, die sich alle von der Quillajasäure ableiten. Außerdem wurden kleine Mengen an Kohlenhydraten nachgewiesen.

Schwach giftig

Infolge des hohen Saponingehaltes wirkt die Droge stark expektorierend. Die Saponine fördern indirekt den Auswurf, indem sie den Nervus vagus in der Magenschleimhaut stimulieren und reflektorisch die Wassersekretion in den Bronchien anregen. Vorsicht: Seifenkraut kann wie alle Saponindrogen in höheren Dosen Erbrechen auslösen und ist demnach schwach giftig. Saponine wirken eventuell über einen corticomimetischen Effekt auch entzündungshemmend. Möglicherweise können sie ebenfalls zu einer Senkung des Cholesterolspiegels im Blut beitragen, da sie mit Cholesterol und Gallensäuren Komplexe bilden. Für diese wie auch für die volksmedizinisch beanspruchten Indikationen fehlen jedoch wissenschaftliche Studien. Allein die therapeutische Verwendung der Droge bei Katarrhen der oberen Luftwege ist durch klinische Prüfungen belegt.

Die Droge oder ihre Extrakte sind Bestandteil von einigen wenigen Fertigarzneimitteln gegen Husten. So enthält zum Beispiel Cefabronchin® neben anderen hustenlösenden Pflanzenextrakten einen ethanolischen Auszug aus Radix Saponariae. Cefabronchin® Tropfen werden empfohlen bei Entzündungen der oberen Luftwege, Bronchitis und Pharyngo-Laryngitis.

Die Anwendung der Wurzel als Teeaufguss ist heute nur noch wenig gebräuchlich. Eine Tasse Tee wird aus 0,4 Gramm mittelfein geschnittener Droge zubereitet (ein Teelöffel entspricht etwa 2,6 Gramm). Als Tages­dosis gelten 1,5 Gramm Droge. Wechselwirkungen oder Gegenanzeigen, sind bei bestimmungsgemäßer Anwendung nicht bekannt. In seltenen Fällen kommt es zu Magenreizungen.

Die Homöopathie empfiehlt Saponaria officinalis bei Kopf- und Augenschmerzen. Verwendet werden auch hier die getrockneten, unterirdischen Pflanzenteile.

Technisch dient die Seifenwurzel wegen der stark schäumenden Wirkung ihrer Abkochung vor allem als Waschmittel, unter anderem zur Herstellung von Fleckenwasser. Solche Zubereitungen eignen sich besonders zur schonenden Reinigung wertvoller Textilien, zum Beispiel kostbarer Wandteppiche.

Panamarinde

Ein ähnliches Schicksal wie die Seifenwurzel traf auch die aus Südamerika stammende saponinhaltige Seifen- oder Panamarinde Quillajae cortex aus der Familie der Rosaceae. Sie enthält das sogenannte Quillaja-Saponin, ein Gemisch aus komplexen acylierten Triterpensaponinen. Als Expektorans hat sie ebenfalls keine Bedeutung mehr, spielt aber als Schaumbildner in Zahnpflege- und Haarwaschprodukten noch eine bescheidene Rolle. Unter der Bezeichnung Panamaspäne ist sie wieder als neutrales Waschmittel im Handel. /

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