PTA-Forum online
Richtige Anwendung

Flüssige Ophthalmika: Scheinbar einfach in der Anwendung

Manche Menschen müssen zum Beispiel bei einer akuten Augenentzündung nur kurze Zeit, andere wegen chronischer Erkrankungen kontinuierlich Arzneimittel ins Auge applizieren. Dazu sind die unterschiedlichsten Applikatoren im Handel. Vor allem älteren Anwendern fehlt die Fingerfertigkeit oder Kraft, um das Arzneimittel richtig ins Auge zu tropfen. Eine gute Beratung in der Apotheke macht die doch recht komplizierte Anwendung von Ophthalmika sicherer.
Ingrid Ewering
27.04.2015  13:58 Uhr

Immer wieder berichten Patienten, die regelmäßig Augentropfen anwenden müssen, dass ihnen das Arzneimittel über die Wange läuft. In Augenarzt­praxen werden atropinhaltige Augenarzneien zur Pupillenerweiterung oft so großzügig angewendet, dass die medizinischen Fachangestellten vorsorglich ein Wattepad bereithalten. Denn sie applizieren vielfach mehr als einen Tropfen. Aus verpackungstechnischen Gründen liegt selbst das Volumen eines Tropfens zwischen 35 bis 40 µl und damit bereits weit über dem Fassungsvermögen des unteren Bindehautsackes, der 5 bis 10 µl aufnehmen kann. Die ungenutzten Tropfen fließen nicht einfach ab, sondern sind für manche Nebenwirkung verantwortlich, beispielsweise allergische Reaktionen oder Hautreizungen. Dies lässt sich durch korrekte Handhabung leicht vermeiden.

Ein Praxistipp: Erhält ein Patient Augentropfen zum ersten Mal oder schildert er obiges Phänomen, trainieren Sie mit ihm das Entnehmen eines einzigen Tropfens. Quetschflaschen benötigen unterschiedlichen Druck, damit sie einen Tropfen freigeben. Aufgrund des verwendeten Materials sind Tropffläschchen unterschiedlich steif, die Querschnittsöffnung der Tropfmonturen verschieden groß sowie die Viskosität der Flüssigkeit je nach Zusammensetzung der Lösung anders. Deswegen gilt: Im Kühlschrank gelagerte Ware nur bei Raumtemperatur anwenden. Aus den genannten Gründen variiert die aufzuwendende Kraft zur Freisetzung einer Einzeldosis von Präparat zu Präparat deutlich (siehe Tabelle ganz unten). Fehlt Patienten die erforderliche Fingerkraft, sollte der Arzt ein wirkstoffgleiches Arzneimittel mit weicherem Material verordnen.

 

Besondere Flaschenformen

Die Augentropfflaschen mancher Hersteller sind relativ groß, so beispielsweise bei Trusopt® und bei Cosopt®. Dadurch können auch Menschen mit Gicht- oder Rheumahänden sie besser halten. Um das Arzneimittel zu applizieren, reicht nur ein leichter Druck auf das weich gestaltete Tastenfeld mit geriffeltem Druckpunktbereich. In der Packungsbeilage steht: »Halten Sie die gekippte Tropfflasche über das Auge und nehmen Sie die Flasche so zwischen Daumen und Zeigefinger, dass einer der beiden Finger auf dem Druckpunkt zu liegen kommt. Drücken Sie leicht, bis sich ein Tropfen löst und träufeln Sie diesen in den unteren Bindehautsack.«

 

Wie bei allen Ophthalmika muss die Flasche anschließend unverzüglich geschlossen werden. Bei rechteckig gestalteten Kappen besteht allerdings die Gefahr, dass sie zu fest zugedreht werden. Dadurch nimmt die Flasche Schaden. Das Gefäß ist korrekt zu, wenn die beiden Pfeile (auf Kappe und Etikett) in einer Linie liegen. Viele Anwender irritiert, dass sie die Flasche nicht komplett leeren können. Flüssigkeitsreste sind normal und kein Grund zur Beanstandung.

 

Aufbrauchfrist und Hygiene

Augentropfen müssen immer steril sein, denn Augen sind besonders infektionsgefährdet.. Also gilt grundsätzlich: Vor der Arzneimittelanwendung die Hände waschen und zum Abtrocknen Einmalpapier und nicht das gemeinschaftlich genutzte Frotteehandtuch benutzen. Die Applikationsspitze darf keinesfalls mit Keimquellen wie Fingerspitzen, Wimpern oder Ausatemluft in Kontakt kommen. Augentropfen in Mehrdosenbehältern sind zwar konserviert; jedoch verliert durch solche Unachtsamkeit das Benzalkoniumchlorid schneller seine antimikrobielle Wirksamkeit. Es ist nicht mehr gewährleistet, dass Augentropfflaschen dann tatsächlich noch 28 Tage nach Anbruch anwendbar sind. Der Hersteller von Tim-Ophthal® und CromoHEXAL® sind nach Anbruch sogar sechs Wochen, also 42 Tage applizierbar. Praxistipp: Errechnen Sie gemeinsam mit dem Patienten den Tag der letzten Anwendung und notieren Sie das Datum wischfest auf dem Primärpackmittel, also nicht auf dem Umkarton, denn diesen werfen Anwender oft bald weg. Präparate wie Tim-Ophthal® oder Cosopt® müssen immer in der Originalverpackung vor Licht und Feuchtigkeit geschützt gelagert werden. Bei diesen kann der Tag der letzten Anwendung auf dem Umkarton notiert werden.

 

Korrekte Applikation

Im Beipackzettel von Ophthalmika steht unter Punkt 3 »Art der Anwendungen«, dass die Augentropfen in den Bindehautsack des Auges zu tropfen sind und weiter: »Dazu beugen Sie den Kopf leicht nach hinten, blicken nach oben und ziehen das Unterlid etwas vom Auge ab. Durch Druck auf das Fläschchen tropfen Sie einen Tropfen in den unteren Bindehautsack. Bringen Sie die Tropföffnung nicht mit dem Auge in Berührung. Nach dem Eintropfen schließen Sie langsam das Auge. Das Fläschchen nach Gebrauch sofort verschließen.«

 

Zunächst ist zu klären, ob es sich bei dem Arzneimittel um eine Lösung oder eine Suspension handelt. Liegen die Arzneistoffe als Feststoffpartikel vor, sedimentieren diese bei Lagerung und der Bodensatz muss vor der Anwendung aufgeschüttelt werden. Ansonsten sind die Wirkstoffe zunächst unter- und später überdosiert. Idealerweise sitzt der Patient in einem Sessel mit Kopfstütze, damit er den zurückgebeugten Kopf anlehnen kann. Mit dem Blick fixiert er am besten einen Punkt oder Gegenstand an der Decke, beispielsweise die Lampe. Die Hand, in der er die Flasche hält, sollte er mit Hand­rücken der zweiten Hand stützen, um eine sichere Applikation zu gewährleisten (siehe Grafik).

Fertigarzneimittel (Beispiele) Behältertyp Kraftbetrag N (N = Newton)
Tomo-COMOD® Druck auf den Behälterboden 21–22
TIMO EDO® Einzeldosisbehälter 15–16
Timolol POS® Quetschflasche 25–27
Tim-Ophthal® Quetschflasche 15–18
Quelle: Arzneiformen richtig anwenden, 3. Auflage von Wolfgang Kircher

Dann zieht er mit dem Zeigefinger der linken Hand, also der Stützhand, das Unterlid sanft zurück. Fällt die Arzneistofflösung ins Auge, muss der Patient das reflektorische Blinzeln unterdrücken, damit der Arzneistoff im Auge verweilt. Das Auge zu schließen erhöht die Verweildauer. Da sich der Arzneistoff im Bindehautsack noch nicht am Wirkort befindet, muss der Erkrankte bei geschlossenen Augen mit dem Augapfel rollen. So wie beim Deoroller wird dabei das Arzneimittel mitgenommen, auf dem Augapfel verteilt und gelangt so an den Wirkort.

 

Weniger Nebenwirkungen

Manche Patienten beklagen, nach Anwendung der Augentropfen entstünde plötzlich ein bitterer Geschmack im Mund. Dieser Effekt macht deutlich, was aufgrund der anatomischen Gegebenheiten passiert: Über den Tränenkanal ist das Auge mit dem Nasen- Rachenraum verbunden. Nimmt das Ophthalmikum diesen Weg, verursacht es nicht nur den bitteren Geschmack, sondern möglicherweise auch systemische Wirkungen. Wissenschaftliche Untersuchungen beweisen, dass der zur Glaukombehandlung eingesetzte Betablocker Timolol den Blutdruck dramatisch erniedrigen kann. Denn um den Augeninnendruck ausreichend zu senken, sind sehr hohe lokale Dosen des ebenfalls systemisch wirksamen Antihypertonikums notwendig. Systemische Wirkungen lassen sich verringern, wenn der Patient bei geschlossenem Auge den Tränenkanal mit dem Zeigefinger ein bis zwei Minuten verschließt. »Drücken Sie bitte mit dem Zeigefinger auf den Augenwinkel an der Nase«, so könnte der Hinweis an den Patienten lauten.

Ältere Patienten

Vor allem ältere Patienten mit Demenz können diese vielen Anweisungen überhaupt nicht umsetzen. Auch Angehörige und Pflegekräfte schaffen es vielfach nicht, ihnen die Augentropfen sachgerecht zu applizieren. Abhilfe schafft in diesen Fällen, die Tropfen bei geschlossenen Augenlidern anzuwenden (kanthale Applikation), wenn der Patient in völlig waagerechter Position flach ohne Kopfkissen liegt. Der innere Lidwinkel (Canthus medialis) sollte vorab mit einem Wattepad von möglichen Sekretresten und Schmutz befreit werden. Anschließend wird genau dorthin die Augenarznei getropft – wie immer nur 1 Tropfen. Beim spontanen Öffnen des Augenlides saugt sich die Flüssigkeit ins Auge und verteilt sich über den Augapfel. Auch hier gilt, den Tränen­kanal für ein bis zwei Minuten zuzu­drücken.

 

Fehlt Patienten die Fingerfertigkeit, ist das Applikationsproblem mit dem Autodrop® behebbar. Dabei erübrigt sich das Augenrollen. In diese Applikations­hilfe passen nicht alle, jedoch viele Augentropffläschchen. Die Handhabung erfolgt nach folgender Anweisung:

 

  • Verschlusskappe öffnen
  • Fläschchen in die aufklappbare Steckvorrichtung fixieren
  • Gerät verschließen
  • das Gerät mit der kleinen Nase nach unten halten und diese oberhalb des Wangenknochen nahe dem unterem Augenlid aufsetzen
  • Das Gerät komplett über das Auge aufsetzen
  • Darunter wird es dunkel; ein kleines Loch am oberen Rand lässt Licht durch und der Blick fixiert sich darauf
  • Durch vorsichtige Quetschen der Flasche (Cave; vorher üben!) wird ein Tropfen direkt auf den Augapfel freigegeben
  • Das Gerät entfernen und bei geschlossenen Augen den Tränenkanal verschließen

 

Für weitere Tropfen muss die Applika­tion mit der Eintropfhilfe wiederholt werden.

 

Fehlt Patienten die Fingerkraft, ist das Problem der korrekten Applikation mit dem AutoSqueeze® behebbar. Die zangenartige Gestaltung erleichtert das Quetschen der Tropfflasche. Andere Hersteller wie CeCeM oder BUFA liefern weitere spezielle Hilfsmittel, beispielsweise »Eintropfbrillen«, die das Positionieren der Augentropffläschchen über dem Lidspalt erleichtern.

 

Ohne Konservierung

Bei Einzeldosisophthiolen (EDO`s) fehlt ein antimikrobiell wirksamer Zusatz, da sie zum einmaligen Gebrauch gedacht sind. Aus verpackungstechnischen Gründen enthalten die Ophthiolen viel mehr Flüssigkeit als einen Tropfen. Immer wieder fragen Patienten in der Apotheke, ob sie diesen Rest benutzen dürfen. Diese Frage kann mit zeitlicher Einschränkung bejaht werden, denn die NRF-Tabelle für die Rezeptur gibt bei der Anwendung wässriger, nicht konservierter Flüssigkeit am Auge die Aufbrauchfrist mit 24 Stunden an. Auch bei EDO`s gilt, dass die Entnahme je nach Präparat unterschiedliche Kräfte erfordert. Problematisch sind die Öffnungsspitzen nach Abdrehen des Verschlusses, denn mikroskopische Aufnahmen zeigen, dass das Plastikmaterial meist stark zerfranst ist. Daher sind bei Berührung mit dem Auge schwere Verletzungen nicht auszuschließen.

 

Die COMOD® Flasche ist ein Mehrdosenbehältnis ohne Konservierung, das nach dem Öffnen sechs Monate anwendbar ist. Die Buchstaben stehen für COntinuous MOno Dose und beschreiben ein Applikationssystem zur keimfreien Anwendung flüssiger Arzneien. Durch die besondere Gestaltung des Behältnisses dringt nach Tropfenentnahme keine Luft hinein. Die Arzneistofflösung befindet sich keimdicht in einem flexiblen Innenbeutel. Vor der Anwendung muss so lange in senkrechter Stellung mit der Austrittspitze nach unten auf den Flaschenboden gedrückt werden, bis der erste Tropfen austritt. Nun ist der Applikator gebrauchsfertig.

 

Die führende Hand hält die Flasche »auf dem Kopf«, legt den Daumen auf die Flaschenschulter an der Austrittsöffnung und Zeige- sowie Mittelfinger auf den Flaschenboden. Durch schnelles und kräftiges Drücken auf die Mitte des Flaschenbodens wird der Mechanismus zur Entnahme betätigt. Auch wenn mehr Kraft ausgeübt wird, bleiben Tropfengröße und Abgabegeschwindigkeit gleich. /