Mit Sport der Atemnot trotzen |
09.05.2016 10:57 Uhr |
Von Barbara Erbe / Oft scheuen sich Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen davor, Sport zu treiben. Dabei spricht alle Erfahrung dafür: Wer sich bewegt, trainiert die Atemwege und wird belastbarer. Wichtig ist, dass sie das richtige Maß finden und die Erkrankung mit Medikamenten gut eingestellt ist.
Bewegen sich beispielsweise Asthmapatienten regelmäßig, verbessern sie damit ihre Atmung um den Faktor 2,5 im Vergleich zu denjenigen, die das nicht tun. Dieses Studienergebnis der kanadischen Concordia-Universität belegt mit umfassenden Daten, was Lungenärzte in der Praxis tagein, tagaus erleben, berichtet Dr. Gerd Schauerte, Fachbereichsleiter Gesundheit am CJD Asthmazentrum in Berchtesgaden. »Wir beobachten, dass Freizeitsport selbst Menschen mit schwerem Asthma belastbarer, zuversichtlicher und zufriedener macht.«
Sport ist bei vielen Erkrankungen – auch bei Asthma – eine sinnvolle Ergänzung der Therapie.
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Auch Atemmuskeln brauchen Training
Zwar verstärkt körperliche Anstrengung die Atmung, das könne jedoch bei Ungeübten zunächst einmal zu Verkrampfungen führen, erklärt der Pneumologe. »Deshalb ist es auch wichtig, dass Patienten mit chronischen Atemwegserkrankungen ihre persönliche Belastbarkeit von einem Arzt einschätzen lassen, bevor sie mit einem Sport beginnen, und sich auch Tipps zu Trainingsmöglichkeiten und -intensität holen.« Wer langsam anfängt und die sportliche Aktivität allmählich steigert, ist aber auf der sicheren Seite und kräftigt Stück für Stück seine Atmung. Die braucht – wie jede Körperfunktion – ein gewisses Training. »Sonst nimmt die Leistung ab und Betroffene kommen mit den alltäglichen Anstrengungen nicht mehr so gut zurecht.«
Auch wer sich täglich bewegt, beispielsweise weil er zur Arbeit radelt, regelmäßig spazieren geht oder Nordic-Walking betreibt, trainiert seine Atemwege und entwickelt eine tiefere, kräftigere Atmung, betont die Patientenberaterin Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund. »Dadurch vermindert sich die Atemarbeit für die Lunge und an Asthma oder auch chronischer Bronchitis Erkrankte werden insgesamt belastungsfähiger.« Sportmediziner Dr. Folker Boldt, der ärztliche Leiter des Zentrums für Sportmedizin Berlin, nennt das »Ökonomie der Atmung«. Ein trainierter Mensch muss weniger oft einatmen, um den Körper mit Sauerstoff zu versorgen: »Damit wird er souveräner und kann sich im Alltag mehr zutrauen.« Das erhöht sein Wohlbefinden und Selbstvertrauen und macht ihn vor allem angstfreier – nicht zuletzt gilt das für Menschen mit COPD (Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung oder Chronic Obstructive Pulmonary Disease). »Je nach Schweregrad ihrer Krankheit gibt es auch für sie eine ganze Reihe möglicher Kräftigungsübungen« (siehe Kasten).
Lungensport ist – neben einer individuell abgestimmten medikamentösen Therapie – wichtiger Bestandteil bei der Behandlung chronischer Atemwegs- und Lungenkrankheiten. In der gezielten Sport- und Bewegungstherapie von Lungensportgruppen gehen speziell ausgebildete Therapeuten auf die Bedürfnisse und Leistungsfähigkeit der Lungenpatienten ein. Neben dem Spaß und der Freude am Gruppenerlebnis stellen sich bei den Teilnehmenden in der Regel eine Reihe positiver Effekte ein:
Zwar kann auch beim Sport Kurzatmigkeit auftreten, die viele Betroffene als beklemmend empfinden. Doch oft verwechseln die Betroffenen die notwendige schnellere Atmung mit Asthma- oder Bronchitissymptomen, berichtet Schauerte. »Wer sich dann schont, macht es aber nur noch schlimmer. Denn dann werden schon geringe Belastungen zu Höchstleistungen.« Die von Asthmapatienten gefürchteten Verkrampfungen treten seiner Erfahrung nach nur dann auf, wenn die Patienten entweder medikamentös schlecht eingestellt oder konditionell (noch) wenig belastbar sind. Wer dagegen gut eingestellt ist und seine Belastungsfähigkeit steigert, kann klassische Asthma-Auslöser wie Allergene, Abgase, Anstrengung und auch Infekte im Alltag besser wegstecken. »Das betrifft jugendliche Asthmatiker ebenso wie ältere Patienten.«
Vor dem Sport: Peak Flow messen
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Messung mit Peak-Flow-Meter oder Pulsoximeter
Eine sichere Methode herauszufinden, ob die empfundene Kurzatmigkeit Folge eines Trainingsmangels oder der Krankheit ist, ist die Messung des Atemflusses mit einem sogenannten Peak-Flow-Meter. Damit lässt sich die Leistungsfähigkeit der Atemwege (= Peak Flow, also »Spitzenfluss«) bestimmen. »Betroffene sollten ihren Peak Flow messen, bevor sie mit dem Sport beginnen, und noch einmal, sobald sie schwer atmen müssen«, rät Lungenarzt Schauerte. »Ist der Peak Flow bei der zweiten Messung nicht mindestens 15 bis 20 Prozent abgefallen, und das ist nur selten der Fall, liegt die Kurzatmigkeit höchst wahrscheinlich nur am Trainingsmangel.«
Eine weitere, ebenso einfache Messmethode bietet das Pulsoximeter. Das ist ein kleiner Clip, der kurz an Finger, Ohrläppchen oder auch Zeh befestigt wird und dort per Infrarotsensor den Sauerstoffgehalt des Blutes misst. »Wenn das Gerät signalisiert, dass genügend Sauerstoff im Blut ist, ist die Kurzatmigkeit schon weniger beängstigend«, meint Mediziner Boldt von der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Wichtig ist allerdings, wenn nötig vor der Belastung ein bis zwei Hübe Asthmaspray zu inhalieren. »Sport ist eine wichtige Ergänzung der Therapie, nur in leichten Fällen einer Asthmaerkrankung kann er tatsächlich die Medikamente ersetzen.«
Besonders geeignet: Ausdauersport
Im Grunde gibt es kaum einen Sport, den Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen nicht betreiben können, meint Schauerte. Schließlich kommt es immer auf die Intensität des Trainings an. Wer sich jedoch unsicher fühlt, sollte eine Sportart wählen, die er bei Bedarf schnell unterbrechen kann: Also lieber Laufen und Radfahren als Paddeln im Wildwasser oder Klettern in den Bergen. Zudem eignen sich länger andauernde und dafür nicht so intensive Belastungen gerade für Asthmatiker besser als kurze, starke Belastungen wie Sprints beim Fußball. Für Menschen mit allergischem Asthma kann während der Pollenflugzeit beispielsweise der Ausflug ins Hallenbad oder die Sporthalle sinnvoller sein als die Bewegung im Freien, ergänzt Schwalfenberg.
Während der Pollenflugzeit ist Sport im Hallenbad oder Fitnessstudio sinnvoller als Bewegung im Freien.
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Für alle Sportarten gilt gleichermaßen, sich vor dem Training mindestens zehn Minuten in kurzen Intervallen aufzuwärmen, um den Körper auf die Anstrengung vorzubereiten. Auch danach sollten sich Belastungs- und Entspannungsphasen abwechseln, und am Ende des Trainings eine zehnminütigen Cooling-Down-Phase stehen. Bei nachgewiesenem Belastungsasthma können ein bis zwei Hübe eines Asthmasprays hilfreich sein, um erst gar keine Verkrampfung der Atemwege entstehen zu lassen, rät Boldt. Das Notfallspray sollten Asthmatiker immer zur Hand haben. Außerdem sollten sie je nach Situation die Atemtechnik der Lippenbremse einsetzen. Dabei atmen sie so lange wie möglich gegen die nur einen Spalt weit geöffneten Lippen aus, sodass die Luft langsam und gleichmäßig aus der Lunge entweicht. Nach ihrer aktuellen Leistungsfähigkeit und Lungenfunktion sollten sie die Dauer und Intensität des Trainings ausrichten, betont Schauerte. Ansonsten gilt: »Jede Bewegung hilft – je mehr, desto besser.«
Lungensport vom Facharzt verordnet
Da die Intensität des Sports vom Schweregrad der körperlichen Beeinträchtigung abhängt, bedarf es vor Beginn der Untersuchung durch einen Facharzt. Sind die gesundheitlichen Voraussetzungen gegeben, kann der Arzt die Teilnahme am Lungensport verordnen. Die zuständige Krankenkasse genehmigt einen solchen Antrag mit dem Formular 56 (Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitation) praktisch immer – selbst dann, wenn sie zur Rehabilitation (»Kur«)-anträge abgelehnt hat.
Dazu bietet die AG Lungensport in Deutschland e. V. im Internet unter www.lungensport.org weitere Informationen. Dort finden Betroffene auch ein Verzeichnis, unter dem sie nach einer Lungensportgruppe in ihrem Bundesland, ihrer Stadt oder auch nach Postleitzahlen sortiert suchen können. /