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Bisphosphonate

Compliance ist auch eine Frage des Lebensstils

26.10.2007  08:16 Uhr

Bisphosphonate

Compliance ist auch eine Frage des Lebensstils

Christiane Berg, Hamburg

Das Bild der Osteoporose-Patientin hat sich gewandelt. Es ist nicht mehr von der gebrechlichen alten Frau jenseits der 80 mit Witwenbuckel und Krückstock, sondern von der aktivenBerufstätigen geprägt.

»Die heutige Osteoporose-Patientin steht voll im Leben und ist auch körperlich aktiv«, sagte Dr. Jutta Semler, Berlin, auf einer Pressekonferenz von Glaxo Smith Kline und Roche in Kooperation mit dem Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose (BfO), Düsseldorf.

Untermauert werden diese Erkenntnisse von einer aktuellen europaweiten Befragung von 1 492 mit Bisphosphonaten behandelten Osteoporose-Patientinnen im Alter über 50. Die Umfrage habe auch gezeigt, dass 73 Prozent der betroffenen Frauen besonderen Wert auf ein frisches und gesundes Aussehen legen und außerdem viel Zeit und Kraft in ihre äußere Erscheinung investieren, so Semler. Die Befragung wurde auf Initiative von GlaxoSmithKline und Roche in Frankreich, England, Deutschland, Spanien und Italien von Mai bis Juni dieses Jahres durchgeführt.


60 Prozent der befragten Frauen verwenden regelmäßig Anti-Aging-Produkte und tönen ihr Haar, um jünger auszusehen. 50 Prozent der Frauen verbringen täglich 10 bis 30 Minuten mit ihrem Schönheitsprogramm. Ebenfalls 50 Prozent interessieren sich für die aktuelle Mode. Etwa 75 Prozent versuchen, sich regelmäßig zu bewegen und ausgewogen zu ernähren. Besonders die deutschen Frauen gehen in ihrer Freizeit »Outdoor-Aktivitäten« nach, besuchen ein Fitness-Studio oder treiben Sport. Fast die Hälfte der Befragten war berufstätig, entweder voll- oder teilzeitbeschäftigt.

Eine Schlüsselfunktion in der Therapie des Knochenschwunds spielen Bisphosphonate, betonte Semler. Dennoch würden diese Arzneisubstanzen nach wie vor unzureichend eingesetzt. Außerdem brächen zwei Drittel der Patientinnen die Behandlung vorzeitig ab oder hielten sich nicht an die Therapieempfehlungen, weil sie die Einnahme als »Unannehmlichkeit« und »Belästigung« betrachten und sich in ihrem Alltag beeinträchtigt fühlen.

Als Gründe für ihre Non-Compliance nannten die Frauen, sie müssten früher aufstehen (21 Prozent), ihr Frühstück verschieben (38 Prozent) oder gar ausfallen lassen (12 Prozent), könnten andere Medikamente nur mit Verspätung einnehmen (36 Prozent) beziehungsweise müssten generell mehr planen (18 Prozent) und kämen dadurch oftmals auch zu spät zur Arbeit (4 Prozent). Bisphosphonate sollen nüchtern eine halbe Stunde vor dem Frühstück eingenommen werden.

»Ungenügende Therapietreue erhöht das Frakturrisiko«, resümierte Semler und bezeichnete die hohe Zahl der Therapieabbrüche als »fatalen Fehler«. Eine suboptimale Osteoporose-Behandlung berge das Risiko äußerst schmerzhafter Komplikationen bis hin zum kompletten Verlust der Unabhängigkeit. Die Internistin plädierte dafür, Osteoporose-Patientinnen über die Effektivität und Wirkweise der Bisphosphonat-Therapie detailliert zu informieren und zu beraten und so die Motivation zu erhöhen – zumal die Ärzte nur durchschnittlich zehn Minuten mit den Patientinnen über ihre Knochengesundheit sprächen. PTA oder Apotheker sollten die betroffenen Frauen ermutigen, regelmäßig Knochendichtemessungen durchführen zu lassen und so den Therapieerfolg zu verfolgen.

Ob Bequemlichkeit, Vergesslichkeit oder Angst vor Nebenwirkungen: Non-Compliance hat viele Ursachen. Im Fall der Bisphosphonate tragen komplexe Einnahmevorschriften zur Verunsicherung der Patientinnen bei. Der Wechsel von der täglichen zur monatlichen Gabe könne die Therapietreue wesentlich erhöhen, so Semler. Das lasse erwarten, dass weniger Patientinnen die Behandlung vorzeitig abbrechen.

Monatsgabe erhöht Therapietreue

Nur noch 30 Prozent der Patientinnen setzen nach einem Jahr die Therapie fort, wenn sie täglich ein Bisphosphonats wie Clodron-, Etidron-, Pamidron- oder Risedronsäure einnehmen müssen. Bei wöchentlicher Einnahme sind es etwa 46 Prozent. Durch die monatliche Gabe würde die Therapietreue zusätzlich erhöht, bestätigte Professor Dr. Peyman Hadji, Marburg.

Hadji verwies auf die Ergebnisse der Balto (Bonviva versus Alendronat Trial in Osteoporosis) I- und II-Studie. Bei dieser erhielten europäische und amerikanische Probandinnen randomisiert eine Wochentablette Alendronat oder eine Monatstablette Ibandronat (Bonviva®). Die Studie habe gezeigt, dass die Patientinnen die einmal monatliche Gabe bevorzugten, da sie dieses Einnahmeschema lange Zeit besser befolgen konnten, die Nebenwirkungen leichter tolerierten und insgesamt weniger abdominelle Beschwerden auftraten.

Bei Unverträglichkeit der oralen Bisphosphonate sei auch die Quartalsspritze eine gute Behandlungsalternative, betonte Hadji. Außerdem passe sie eher zum Lebensstil berufstätiger Frauen. Die Spritze könne unabhängig von Mahlzeiten oder Begleitmedikamenten appliziert werden und zeige ebenfalls gute Therapieerfolge. Die Effektivität der seltenen, also monatlichen oder vierteljährlichen Applikation der Bisphosphonate sei belegt.

Nur jede 5. wird behandelt

Als erste Studie, die ein umfassendes Bild zur Inzidenz und Prävalenz des Knochenschwunds in Deutschland zeichnet, stellte die BfO-Geschäftsführerin Sabine Habicht die »BONE-EVA-Studie« des Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) vor. Der Selbsthilfeverband hat 17 000 Mitglieder mit bundesweit 361 Selbsthilfegruppen.

Die retrospektive Untersuchung basiert auf Daten der Gmünder Ersatzkasse und Abrechnungsdaten des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung aus den Jahren 2000 bis 2003. In der Bundesrepublik sind danach 7,8 Millionen Menschen über 50 Jahre von Osteoporose betroffen (9,7 Prozent der Männer und 39 Prozent der Frauen).

»Nur etwa die Hälfte weiß von ihrer Erkrankung und wiegt sich in vermeintlicher Sicherheit. Nur jede fünfte Betroffene wird spezifisch behandelt und nur 10 Prozent erhalten eine Bisphosphonat-Therapie, die als Goldstandard in der Behandlung der Osteoporose gilt«, kritisierte Habicht. Bei jeder dritten Frau über 50 führe der Knochenschwund zu Frakturen: 2003 wurden in Deutschland insgesamt 333 000 Osteoporose-bedingte Frakturen registriert. Habicht bemängelte, dass oft erst dann gehandelt wird, wenn bereits ein Knochenbruch vorliegt: »Osteoporose beginnt aber lange vor dem ersten Knochenbruch.«

In den kommenden Jahren rechnet die BfO-Geschäftsführerin mit einem Anstieg der Zahl der Betroffenen um 13 Prozent. »In Zukunft werden Frauen fast die Hälfte ihres Lebens mit einem hohen Osteoporoserisiko verbringen«, prognostizierte Habicht.

 

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