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Beratung bei Atemwegserkrankungen

Dosis individuell ermitteln

26.10.2007  08:29 Uhr

Beratung bei Atemwegserkrankungen

Dosis individuell ermitteln

Anna Laven und Birgit Carl, Aachen

Theophyllin erweitert die Atemwege. Deshalb eignet sich der Arzneistoff für den Notfall parenteral oder oral in unretardierter Form, um verengte Atemwege sofort weit zu stellen. Retardierte Theophyllin-Präparate verordnen Ärzte dagegen zur Dauertherapie bei COPD und Asthma. Bei der Abgabe müssen PTA oder Apotheker besonders auf mögliche Wechselwirkungen achten.

 

 

In der Asthmatherapie setzen Mediziner Theophyllin ab dem Erkrankungsstadium II ein. Der Arzneistoff gehört zu den Dauermedikamenten, also zu den Controllern. Da seine therapeutische Breite gering ist, kommen bei Theophyllin relativ leicht Über- beziehungsweise Unterdosierungen vor.

 

Aus diesem Grund dosiert der verordnende Arzt das Theophyllin-Präparat individuell. Dabei spielen Alter, Gewicht und Begleitmedikation eine Rolle. Ebenso ist von Bedeutung, ob der Patient raucht, denn Rauchen erhöht die Verstoffwechslung des Theophyllins.

 

Erwachsene erhalten eine Dosis von 10 bis 13 mg pro Kilogramm Körpergewicht. Bei übergewichtigen Patienten wird das entsprechende Idealgewicht der Berechnung zugrunde gelegt, da Fettgewebe Theophyllin nicht aufnimmt. Bei Säuglingen unter sechs Monaten und Patienten über sechzig Jahren muss Theophyllin niedriger dosiert werden, da beide Altersgruppen den Wirkstoff langsamer ausscheiden. Bei Rauchern und Kindern über sechs Monaten ist dagegen die Elimination erhöht, so dass der Arzt die Dosis anheben muss. Idealerweise bestimmt er regelmäßig den Wirkstoffspiegel im Blut, um die Therapie, falls nötig, zu optimieren. Die Zielkonzentration liegt zwischen 8 und 20 mg/ml Blut. Die Überprüfung der Wirkstoffkonzentration im Blut ist unbedingt erforderlich, wenn unerwünschte Wirkungen auftreten oder die Wirkung nicht ausreicht. Gerade wenn ein Kunde in der Apotheke über Nebenwirkungen oder eine unzureichende Wirksamkeit klagt, sollten sich PTA oder Apotheker im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung nach seinem letzten Messwert erkundigen: »Haben Sie Ihren letzten Theophyllin-Blutwert noch in Erinnerung?«

 

Wie wichtig es ist, den Theophyllinspiegel regelmäßig zu überprüfen, zeigt eine Untersuchung aus der  Schweiz: Die meisten Patienten, die als Notfall wegen eines schweren akuten Asthmaanfalls (Status asthmaticus) in die Klinik eingewiesen wurden, hatten zu niedrige Wirkstoffspiegel.

 

In der Apotheke können PTA oder Apotheker mit einfachen Fragen sicherstellen, ob der Patient seine individuelle Dosierung kennt. »Wie viele Kapseln nehmen Sie laut Anweisung Ihres Arztes?« Weiß der Patient seine Dosierung, ist alles in Ordnung. Kann er die Frage nicht beantworten, ist eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt unerlässlich.

 

Praktische Pellets

Für eine sinnvolle Therapie ist ein gleichmäßiger Theophyllinspiegel über den ganzen Tag nötig. Daher sind Theophyllinpräparate fast immer retardiert. Weil die Retardarzneiform im Zusammenspiel mit der Nahrung des Patienten den Wirkstoff nicht gleichmäßig freigibt, kann es bei Theophyllin zum »dose-dumping« kommen: Besonders formstabile, große Retardarzneiformen bleiben im gefüllten Magen »hängen«. So kommt es zu einer Unterdosierung. Verlassen mehrere Theophyllin-Tabletten den Magen auf einmal, führt dies zu einer Überdosierung des Arzneistoffs. Um die möglichst kontinuierliche Freigabe aus dem Magen zu gewährleisten, entwickelte die pharmazeutische Industrie mit Retardpellets gefüllte Kapseln. Diese Pellets sind so klein, dass sie nach und nach den Magen verlassen, auch wenn dieser gefüllt ist. Diese galenische Technik verhindert  das »dose-dumping« weitestgehend.

 

In der Apotheke empfiehlt sich ein Blick in den Beipackzettel, da je nach Retardierungsprinzip die Angaben zum Einnahmezeitpunkt unterschiedlich sind. Bei mit Retardpellets gefüllten Kapseln empfehlen die Hersteller die Einnahme mit 200 ml Wasser nach oder zu einer Mahlzeit.

 

Bei einer Erstverordnung wird die Dosis meist über zwei bis drei Tage langsam gesteigert. In diesem Fall nimmt der Patient die Kapseln am besten abends kurz vor dem Schlafen gehen.

 

Theophyllin eignet sich auch für die Notfalltherapie. Neben der intravenösen Applikation durch den Arzt, können die Patienten die Ampullen auch entsprechend einem Notfallplan nach vorhergehender ärztlicher Anweisung einnehmen, und zwar ein bis zwei Ampullen mit je 200 mg Theophyllin in Wasser verdünnt. Ein wichtiger Hinweis: Eine weitere Dosis darf erst nach acht Stunden folgen.

 

Eine Vielzahl an Medikamenten erhöht den Abbau von Theophyllin im Körper. Dazu zählen Pheno- und Pentobarbital, Phenytoin, Carbamazepin, Primidon, Rifampicin und auch Johanniskrautpräparate. In Kombination eingenommen, muss die Theophyllindosis erhöht werden. Gegebenenfalls muss nicht nur die Theophyllindosis, sondern auch die Dosis des anderen Medikamentes angepasst werden, beispielsweise bei Carbamazepin.

 

Patienten mit Asthma oder COPD sind besonders anfällig für Atemwegsinfekte. Verordnet der Arzt dann ein Makrolid-Antibiotikum wie Erythromycin, Clarithromycin oder Josamycin oder ein Chinolon wie Norfloxacin, Ciprofloxacin oder Ofloxacin, kann dies zu einer Überdosierung des Theophyllins führen, denn diese Arzneistoffe vermindern dessen Abbau oder Elimination. Wissen PTA oder Apotheker, dass der Patient Theophyllin einnimmt, sollten sie ihn fragen, ob dem verordnenden Arzt die Theophyllineinnahme bekannt ist. Ist dies nicht der Fall, sollten sie den Arzt anrufen und im Telefonat das weitere Vorgehen klären. Als allgemeine Empfehlung gilt: Bei Ciprofloxacin die Theophyllindosis auf 60 Prozent zu senken, bei Enoxacin auf 30 Prozent.

 

Tipp: Patienten mit Atemwegserkrankungen sollten sich im Spätherbst gegen Influenza impfen lassen. Doch die »Grippespritze« kann bewirken, dass das Theophyllin schlechter abgebaut wird und der Wirkstoffspiegel ansteigt.

 

Vorsicht in der Selbstmedikation

Während der Theophyllintherapie bemerken viele Patienten eine Wirkung auf die Speiseröhre: Der Arzneistoff verringert den Tonus im Bereich der Speiseröhre, und daher kommt es häufig zu Refluxerscheinungen mit Sodbrennen. Leidet ein Theophyllinpatient unter Magenbeschwerden sollten PTA oder Apotheker ihm in der Selbstmedikation kein Cimetidin empfehlen, da dies den Theophyllinspiegel erhöhen kann. Auch für Ranitidin existieren Einzelfallberichte über eine Veränderung des Wirkstoffspiegels. Besser geeignet sind Schichtgitterantazida. Der Rat für den Patienten: Bitte das Theophyllinpräparat frühestens zwei Stunden nach dem Antazidum einnehmen.

 

Die Weite der Atemwege unterliegt tageszeitlichen Schwankungen. Messen Asthmatiker ihren Peak-Flow in den frühen Morgenstunden zwischen drei und sechs Uhr sind die Werte am niedrigsten. Deshalb bietet es sich an, abends eine höhere Theopyllindosis einzunehmen als tagsüber, um die kritischen Nachtstunden optimal abzudecken. In der Praxis kann dies bedeuten, dass der Patient morgens 250 mg und abends 375 bis 400 mg retardiertes Theophyllin einnimmt.

 

Unerwünschte Wirkungen

Theophyllin ist ein Xanthinderivat, ebenso wie Coffein. Als unerwünschte Wirkungen treten deshalb häufig Unruhe, Schlaflosigkeit, Erregungszustände, beschleunigter beziehungsweise unregelmäßiger Herzschlag, Blutdruckabfall, eine verstärkte Diurese und Magen-Darm-Beschwerden mit Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall auf. Liegt der Serumspiegel über 25 mg/ml, können Krampfanfälle, Herzarrhythmien und schwere Magen-Darm-Probleme mit Blutungen die Folge sein. Hier haben PTA oder Apotheker die Aufgabe, den Patienten zu informieren, ohne ihn zu verunsichern. Ein Vorschlag: »Vielleicht haben Sie schon einmal zuviel Kaffee getrunken. So ähnlich fühlen Sie sich, wenn Sie zuviel Theophyllin im Körper haben. Dann werden sie unruhig, schlafen schlecht, vielleicht ist Ihr Puls beschleunigt oder unregelmäßig und unter Umständen wird Ihnen sogar übel. Nehmen Sie dann bitte keine weitere Theophyllinkapsel ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt ein. Er wird mit Ihnen gerne klären, was Sie tun sollen.«

 

Der Ratschlag, nicht mehr zu rauchen, gilt sicher für eine Vielzahl von Patienten. Bei Patienten mit Atemwegserkrankungen ist er besonders angebracht. Umso erfreulicher ist es, wenn sich diese Patienten entschließen, das Rauchen einzustellen. Rauchen verändert die Stoffwechsellage und erhöht den Wirkstoffspiegel des Theophyllins. »Prima, dass Sie das Rauchen einstellen. Jetzt ist es wichtig, dass Ihr Arzt die Theophyllindosis an Ihren gesünderen Lebenswandel anpasst. Häufig benötigen Sie jetzt weniger. Sprechen Sie Ihren Arzt unbedingt darauf an! Ihr Nikotinverzicht ist genau das Richtige. Weiter so!«

 

E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
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