Gesundheit in besten Händen |
24.10.2007 09:26 Uhr |
Gesundheit in besten Händen
von Brigitte M. Gensthaler, Düsseldorf
Die Apothekerinnen und Apotheker in Deutschland wollen freie Heilberufler sein und bleiben. Sie lehnen Kettenapotheken strikt ab und kämpfen für die unabhängige Apotheke, in der sie und ihre Mitarbeiter sich intensiv um ihre Kunden und Patienten kümmern können. Gemeinsam mit ihren Teams wollen sie noch mehr pharmazeutische Dienstleistungen anbieten. Dies waren Kernbotschaften beim Deutschen Apothekertag, der vom 27. bis 29. September in Düsseldorf stattfand.
103 Apothekerinnen und 192 Apotheker kamen als Delegierte der Apothekerkammern und -verbände der 17 Bundesländer in die Stadt am Rhein und waren somit bei der Hauptversammlung stimmberechtigt. Das höchste standespolitische Forum der Apotheker in Deutschland stand in diesem Jahr unter dem Motto »Apotheke: Gesundheit in besten Händen«. Traditionell sprechen bei der Eröffnung des Apothekertags Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums und Politiker aller Parteien. Wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellen, diskutieren die Delegierten dann in Arbeitskreisen und stimmen über viele Anträge ab.
Ein neues berufliches Selbstbewusstsein prägte die Debatten in Düsseldorf. Die Apotheker sehen sich als Heilberufler, wollen sich weiterhin dem Qualitätswettbewerb stellen und die Gesundheit der Bürger fördern. Sie setzten sich für mehr Diskretion in der Beratung ein und unterstützten die Prävention, zum Beispiel durch Ernährungs-, Reise- und Impfberatung, sagte der Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf, in seinem Lagebericht.
Ganz deutlich sprach er die Gefahr der drohenden Liberalisierung des Arzneimittelmarktes an. In Deutschland dürfen nur Apotheker eine Apotheke betreiben; Nicht-Apotheker, Konzerne oder andere Geldgeber dürfen dies nicht. Jedoch läuft ein Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), ob dieses sogenannte Fremdbesitzverbot bestehen bleibt oder aufgehoben wird. Eine Aufhebung würde den Weg für Apothekenketten ebnen.
Kein Fremdbesitz bei Apotheken
»Es droht die Gefahr, dass der Arzneimittelbereich zum Spielball inländischer und ausländischer Kapitalgeber wird«, warnte Wolf. Kleine inhabergeführte Apotheken können dann kaum noch bestehen. Mit aller Kraft wehren sich die Apotheker daher gegen den Einfluss von Fremdkapital. Sie betonen dagegen die pharmazeutische Leistung der heutigen Apotheke, die von allen Mitarbeitern in persönlichem Einsatz erbracht wird.
Auch die Politiker von CDU/CSU, SPD, FDP und der Linken, die bei der Eröffnung des Apothekertags sprachen, wollen die inhabergeführte, heilberuflich orientierte Apotheke erhalten. Sie warnten davor, das Fremd- und Mehrbesitzverbot aufzuheben. In der Koalition gebe es eine klare Zustimmung zum Fremd- und Mehrbesitzverbot von Apotheken, sagte der CSU-Politiker Wolfgang Zöller. Die mittelständischen Strukturen und die Freiberuflichkeit seien Garanten für eine sichere flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung.
Wenn Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben dürften, werde nichts besser. Zöller: »Der Erhalt von Leben und Gesundheit muss Vorrang haben vor wirtschaftlichen Interessen.« Die SPD-Politikerin Dr. Carola Reimann brachte es auf den Punkt: »Arzneimittel können nicht verkauft werden wie Brötchen oder, um es deutlicher zu sagen, wie Putzmittel.«
Am Fremd- und Mehrbesitzverbot will auch die Bundesregierung festhalten. Dr. Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, bekräftigte: »Die Bundesregierung hat keine Absicht, die bestehenden Bedingungen zu ändern.« Sie schätze die in den Apotheken erbrachten Leistungen sehr. Jedoch müssten europäische Bedingungen auch in Deutschland akzeptiert werden. Der EuGH werde klären, ob das deutsche Apothekenrecht dem europäischen Recht entspricht.
Auch der Minister für Generationen, Familien, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, sprach sich eindeutig für die inhabergeführte Apotheke aus. »Die ortsnahe qualifizierte Beratung der Apotheker ist unverzichtbar. Die Menschen, insbesondere die älteren, haben ein Recht darauf.« Die Versorgung der wachsenden Zahl der Senioren stelle die Apotheke vor neue große Aufgaben.
Für mehr Verbraucherschutz
Kranke Menschen brauchen fachkundigen persönlichen Rat in Gesundheitsfragen und eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln. Dafür steht die Apotheke mit ihren Mitarbeitern Tag für Tag ein. Der Versandhandel kann dies nicht bieten. Die persönliche Beratung fehle. Vier Jahre nach der Zulassung habe dieser in der GKV-Versorgung einen Marktanteil unter 1 Prozent, berichtete Dr. Hans-Jürgen Seitz, Hauptgeschäftsführer der ABDA.
Gefährlich sind auch neue Konzepte, wie sie die dm-Drogeriekette verfolgt: Patienten können ihre Medikamente in einer Filiale abholen – natürlich ohne Beratung eines Apothekers oder einer PTA.
In einem mehrstündigen Arbeitskreis befassten sich die Delegierten ausführlich mit der Sicherheit der Vertriebswege und dem Verbraucherschutz. Arzneimittel aus der Drogerie oder von der Tankstelle: Die »Beliebigkeit der Abgabestellen« bedrohe die Arzneimittelsicherheit, urteilten die Delegierten einmütig. In einem Antrag forderten sie den Gesetzgeber auf, der sich anbahnenden Beliebigkeit von Arzneimittelübergabestellen aktiv zu begegnen. Dass fehlende Beratung zu Problemen bei der Anwendung von Arzneimitteln führen kann, unterstrich auch Ministerialrat Walter Frie vom Gesundheitsministerium Nordrhein-Westfalen. Daher wird sein Ministerium einen Gesetzesentwurf in den Bundesrat einbringen, den Versand von verschreibungspflichtigen Präparaten wieder zu verbieten.
Diskretion nötig
Damit Beratung gut gelingt, ist Diskretion nötig – dieses Thema tauchte beim Apothekertag immer wieder auf. Viele Apotheker richten derzeit in der Apotheke Diskretionszonen ein. Daher hatte die ABDA einen Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem Apothekeneinrichter Lösungen für diskrete Beratungsplätze erarbeiten sollten. Auf der Expopharm, der pharmazeutischen Ausstellung begleitend zum Apothekertag, stellte die Präsidentin der Bundesapothekerkammer, Magdalene Linz, die Entwürfe der Öffentlichkeit vor. Sieger wurde ein runder Beratungsplatz, ein »Beratungszylinder«, der ohne weitere Hilfsmittel eine diskrete Situation schafft.
Die Apotheker wollen künftig noch mehr und neue pharmazeutische Leistungen anbieten; hier ist das ganze Apothekenteam gefordert. »Die Apotheker haben echte Leistungsangebote, wollen ein gutes Vertrauensverhältnis zu den Ärzten pflegen und sehen sich auch in Zukunft als Heilberufler«, fasste ABDA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill die Ergebnisse des Arbeitskreises zusammen, der sich mit Leistungen der Apotheke für Kunden und Patienten auseinander setzte.
Stichwort Rezeptur: Die Delegierten stimmten eindeutig dafür, dass Rezepturen nicht in spezialisierten Apotheken, sondern grundsätzlich in jeder Apotheke angefertigt werden müssen. Hierzu ist auch ein Labor nötig. Dies müsse bei der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung berücksichtigt werden. Staatssekretär Schröder sagte zu, dass das Labor erhalten bleiben soll. Ferner sprach sich die Versammlung dafür aus, die Zusammenarbeit von Apotheke und Dermatologen vor Ort zu fördern, damit die Hautärzte vermehrt standardisierte Rezepturen verordnen.
Bereits heute bieten Apotheken eine Reihe standardisierter Leistungen zur Vorsorge an. Ernährungsberatung, Blutdruck- und Blutzuckermessung sowie physiologisch-chemische Untersuchungen sind nur einige Beispiele. Dennoch wollen sich die Apotheker in der Prävention noch aktiver engagieren. Die Delegierten forderten die Verankerung des Berufsstands im Präventionsgesetz.
Die älter werdende Bevölkerung fordert den Apotheker und sein Team. Die Gesellschaft müsse sich künftig »daran messen lassen, wie sie für ältere Patienten sorgt«. Eine wichtige Aufgabe in der Apotheke ist die Stärkung der Therapietreue (Compliance). Gerade ältere Bürger suchen das Gespräch zu Menschen ihres Vertrauens. Neue Aufgaben sehen die Apotheker auch in der Versorgung schwerstkranker Menschen in der Palliativmedizin. Sie wollen vermehrt in Kontakt treten mit Organisationen, die in palliativen Netzwerken tätig sind, und darin eingebunden werden.
Selbstverständlich kamen beim Apothekertag auch oft wirtschaftliche Themen zur Sprache. Das Chaos, das die Rabattverträge der Krankenkassen mit einzelnen Arzneimittelherstellern seit Anfang des Jahres ausgelöst haben, wurde immer wieder thematisiert. Das Wettrennen um »Cent-optimierte Niedrigstpreise« mit dauerndem Präparatewechsel sei nicht im Sinne des Patienten, rügte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Seitz und mahnte flexiblere Lösungen an, zum Beispiel durch Zielpreisvereinbarungen. Das Debakel von 2007 dürfe sich nicht wiederholen, wenn zum 1. Januar 2008 die zweite Runde der Rabattverträge startet.
ABDA-Präsident Wolf stellte klar: »Es kann nicht sein, dass Millionen Patienten und die Apotheker Lieferengpässe der Hersteller ausbaden müssen«. Die ABDA werde sich intensiv für eine praktikable Lösung einsetzen. In Anträgen forderten die Apotheker die Krankenkassen auf, bei der Vereinbarung von Rabattverträgen darauf zu achten, dass die ausgewählten Pharmafirmen lieferfähig sind. Die zuverlässige Arzneimittelversorgung der Versicherten dürfe nicht ökonomischen Interessen untergeordnet werden, hieß es.
Mehrwertsteuer runter
Eine weitere klare Botschaft vom Apothekertag betraf die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel. In der »Düsseldorfer Erklärung« fordern 15 Verbände gemeinsam die Bundesregierung auf, die Steuer von derzeit 19 auf 7 Prozent zu senken. Damit könne man im Gesundheitswesen rund 2,5 Milliarden Euro jährlich einsparen. Diese Maßnahme würde die gesetzliche und die private Krankenversicherung entlasten, aber auch jeden Bürger, der Medikamente kauft. Deutschland ist eines der vier EU-Länder, in denen die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel nicht ermäßigt ist.
Am Ende der zweitägigen intensiven Beratungen zog ABDA-Präsident Wolf ein positives Fazit. »Es war ein Apothekertag der Klarheit.« Die Politiker bekannten sich einmütig zur heilberuflich geführten Individualapotheke. Die Delegierten formulierten klare Beschlüsse zu Qualitätssicherung, Rezeptur, Patientenberatung und weiteren pharmazeutischen Dienstleistungen. Den Apothekertag fasste Wolf mit drei Botschaften zusammen: »Gelassenheit beim Thema Fremdbesitz, Entschlossenheit gegenüber dm-Märkten und Versandhandel, Geschlossenheit beim Vorgehen für unsere Zukunft.«
Mit der Düsseldorfer Erklärung haben die ABDA und andere Verbände ein wichtiges Zeichen gesetzt. Denn während die Politiker der Großen Koalition zu Recht über Steuersenkungen nachdenken, wurde durch die Mehrwertsteuererhöhung auch auf Arzneimittel ausgerechnet die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), der ohnehin schon schwer kranke Patient, erheblich belastet. Rund 3 Prozent der steigenden Arzneimittelausgaben der GKV sind allein darauf zurückzuführen.
In der gesamten Europäischen Union leisten sich nur vier Mitgliedsstaaten diese völlig unsinnige Belastung ihrer Sozialsysteme. Alle anderen verzichten bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entweder ganz auf die Mehrwertsteuer oder erheben einen reduzierten Satz. Es ist schon ein Aberwitz, dass Lebensmittel und sogar »lebensnotwendige« Pornoheftchen geringer besteuert werden als überlebenswichtige Medikamente. Bei Tierarzneimitteln gilt übrigens bereits der vergünstigte Steuersatz. Und für diese gibt es auch ein Versandhandelsverbot! Wann lernt der Gesetzgeber endlich, dass Humanarzneimittel mindestens gleich zu behandeln sind? Würde der Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent gesenkt, könnten die Kassen auf einen Schlag um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden und allein dadurch ihre Mitgliedsbeiträge um 0,2 Prozent senken.
Daher begrüßt es der BVpta, dass die ABDA erneut diese Initiative startet. Ich finde es auch richtig, dass sie dafür viele Verbände aus dem Gesundheitswesen als Koalitionspartner gewonnen hat. Mehr als schade, ja sogar ärgerlich, ist aber, dass die ABDA die Vertretungen der Angestellten in den Apotheken übergangen hat. Hier kommt ein schaler Beigeschmack auf. Ohne die starke Beteiligung der MitarbeiterInnen wären die so erfolgreichen Mittwochsdemonstrationen des vergangenen Jahres eher im Sande verlaufen. Die Struktur der Apotheken ist in vielfältiger Hinsicht bedroht. Da ist der langfristige Schulterschluss zwischen Apothekenleitern und Mitarbeitern strategisch wichtig und sollte keine Eintagsfliege für Demonstrationen sein. Auch in diese Richtung muss die ABDA ein Zeichen setzen!
Sabine Pfeiffer, Vorsitzende des BVpta