Impfungen für Jung und Alt |
26.10.2007 08:23 Uhr |
Impfungen für Jung und Alt
Leonore Dennhöfer, Baden-Baden
Im Sommer 2007 hat die Ständige Impfkommission (STIKO), ein unabhängiges Expertengremium am Robert-Koch-Institut, Berlin, ihre aktualisierten Impfempfehlungen veröffentlicht. Unter anderem hat die STIKO den Kreis der Personen erweitert, die sich gegen Masern impfen lassen sollten. Eine Neuerung ist auch die Standardimpfung für Mädchen gegen humane Papillomaviren.
Logischerweise liegen die meisten Impfungen im 1. Lebensjahr, damit jeder Säugling so früh wie möglich gegen die vierzehn wichtigsten, durch Impfen vermeidbaren Infektionskrankheiten geschützt ist. Einige Schutzimpfungen können erst im 2. Lebensjahr erfolgen, weil das Immunsystem erst dann auf die Antigene anspricht. Jugendlichen und Erwachsenen empfiehlt die STIKO nur noch wenige neue Standardimpfungen, einige Regelimpfungen sollen sie aber in bestimmten Zeitabständen auffrischen lassen.
Die neue Gesundheitsreform verpflichtet die Krankenkassen, die Kosten für die von der STIKO empfohlenen Standardimpfungen zu übernehmen. Durch Auslandsreisen bedingte Impfungen müssen die Reisenden selbst bezahlen, ist der Aufenthalt berufsbedingt tragen Arbeitgeber die Kosten.
Sofort nach Vollendung des 2. Lebensmonats erhält jeder Säugling die Impfungen gegen Diphtherie, Hämophilus influenzae B (HiB), Hepatitis B, Pertussis (Keuchhusten), Poliomyelitis (Kinderlähmung) und Tetanus (Wundstarrkrampf). Im 3. und 4. Lebensmonat erfolgen die beiden nächsten Applikationen. Die Grundimmunisierung wird im 11. bis 14. Lebensmonat mit der vierten Impfung abgeschlossen. Polyvalente Impfstoffe, das heißt, Impfstoffe mit mehreren oder sogar allen sechs Antigenen, verringern die Zahl der Injektionen und Arztbesuche und entlasten damit Mutter und Kind.
An den selben vier Terminen impfen Kinderärzte die Säuglinge mit einem monovalenten Konjugatimpfstoff gegen Pneumokokken. Im 2. Lebensjahr empfiehlt die STIKO zwei Schutzimpfungen: den Vierfachimpfstoff MMRV gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen (Windpocken) und die einmalige Impfung gegen Meningokokken C. Der Abstand zwischen den beiden Injektionen sollte mindestens 4 Wochen betragen.
Zeit für Auffrischimpfungen
Im 5. bis 6. Lebensjahr benötigen geimpfte Kinder die ersten Auffrischimpfungen gegen Diphtherie (mit reduzierter Antigenmenge), Pertussis und Tetanus. In dieser Zeit soll der Kinderarzt ungedingt den Impfstatus seines kleinen Patienten überprüfen und gegebenenfalls fehlende Standardimpfungen nachholen. Besonderes Augenmerk soll er auf die erst vor kurzem eingeführten Impfungen gegen Pneumokokken und Meningokokken C richten. Außerdem lassen viele Eltern ihre Kinder immer noch zu selten gegen die Leberentzündung Hepatitis B impfen oder versäumen oft die zweite Impfung mit MMR beziehungsweise MMRV.
Im Alter von 9 bis 17 Jahren sind die nächsten Auffrischimpfungen gegen Diphtherie, Pertussis und Tetanus nötig. Wichtig zu beachten: Es müssen mindestens fünf Jahre seit den letzten Applikationen vergangen sein. Zusätzlich muss der Schutz vor Poliomyelitis aufgefrischt werden. In diesem Zeitraum soll der Arzt auf jeden Fall nochmal prüfen, ob der Jugendliche gegen Hepatitis B geimpft ist. Bei einem Versäumnis sollte diese Schutzimpfung unbedingt vor dem Beginn der sexuellen Aktivitäten nachgeholt werden, denn Geschlechtsverkehr erhöht das Risiko einer Infektion stark. Jugendliche, die noch nicht gegen Varizellen geimpft wurden und auch nicht daran erkrankten, sollen jetzt die einmalige Impfung erhalten.
Mädchen impfen lassen
Seit 2007 wird allen Mädchen, idealerweise zwischen 9 und 14 Jahren, die neue Standardimpfung gegen das humane Papilloma Virus (HPV) empfohlen, das Jahre nach einer Infektion Gebärmutterhalskrebs auslösen kann. Das HP-Virus wird nur durch Geschlechtsverkehr übertragen. Es ist weltweit verbreitet und kommt in zahlreichen Typen vor, die unterschiedlich gefährlich sind. Manche verursachen viele Jahre nach der Infektion Warzen auf der Haut oder im Enddarm, andere lösen bösartige Tumore am Gebärmutterhals aus. In Deutschland erkranken jedes Jahr fast 7 000 Frauen an diesem Tumor, 2 000 sterben daran. Damit ist bei Frauen Gebärmutterhalskrebs nach Brustkrebs die zweithäufigste Todesursache infolge einer Krebserkrankung. 80 Prozent der Fälle verursachen die Virus-Typen HPV 16 und 18, daher enthalten die verfügbaren Impfstoffe diese Antigene. Die Impfung erfolgt dreimal im Abstand von zwei bis sechs Monaten. Wie lange der Schutz anhält, ist noch unklar; bisher gelten circa fünf Jahre als gesichert. Eine wichtige Information für alle geimpften Frauen: Auch sie sollten die jährliche Vorsorgeuntersuchung mit Zellabstrich wahrnehmen, denn in wenigen Fällen können andere HPV-Typen den Krebs auslösen.
Erwachsene benötigen ab dem 18. Lebensjahr alle zehn Jahre eine Auffrischimpfung gegen Diphtherie und Tetanus mit dem Kombinationsimpfstoff Td. Ab dem 60. Lebensjahr soll sich jeder jährlich gegen die Virusgrippe (Influenza) und alle sechs Jahre gegen Pneumokokken impfen lassen, um im Alter nicht an einer Lungenentzündung zu erkranken. Unabhängig vom Alter empfiehlt die STIKO Personen in besonderen Situationen weitere Schutzimpfungen, beispielsweise Indikationsimpfungen, postexpositionelle Impfungen und Riegelungsimpfungen. Die Indikationsimpfungen sind nur aufgrund besonderer Risiken erforderlich: So erhalten manche Berufsgruppen Impfungen als Arbeitsschutzmaßnahme, und auch vor Antritt einer Reise können spezielle Schutzimpfungen nötig werden.
Krankheitsausbruch verhindern
Postexpositionelle Impfungen sollen nach einer tatsächlichen oder vermuteten Infektion mit einem Krankheitserreger die Erkrankung verhindern. Selbstverständlich muss die Impfung nach dem Kontakt so rasch wie möglich erfolgen, damit sie wirken kann. Zu den postexpositionellen Impfungen gehört die Tetanusimpfung. Simultan spritzt der Arzt dem Verletzten unter Umständen ein Hyperimmunglobulin, wenn mehr als zehn Jahre seit der letzten Auffrischimpfung vergangen sind. Auch bei engem Kontakt mit einem Hepatitis-B-Kranken kann eine Schutzimpfung nötig sein. Von Fall zu Fall entscheidet der Arzt, ob er nach einem Zeckenbiss in einem ausgewiesenen Endemiegebiet eine FSME-Impfung für erforderlich hält. Bei Verdacht auf eine Tollwut-Infektion muss direkt gehandelt werden: Die sofortige simultane Gabe von Hyperimmunglobulin und Impfstoff ist in einem solchen Fall unabdingbar. Die Impfung ist die einzige Möglichkeit, diese stets tödlich endende Krankheit zu verhindern.
An Auffrischimpfungen denken
Zu den postexpositionellen Impfungen zählt ebenfalls die Auffrischimpfung gegen Diphtherie, wenn die Person engen Kontakt mit einem Erkrankten hatte und die letzte Impfung mehr als fünf Jahre zurückliegt.
In der letzten Zeit haben Riegelungsimpfungen an Bedeutung gewonnen, weil sie mehrfach erfolgreich den epidemieartigen Ausbruch einer Infektionskrankheit eindämmen konnten. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen oder das öffentliche Gesundheitswesen. Besonders wichtig ist die Riegelungsimpfung gegen Masern. Bricht die Krankheit zum Beispiel in einer Schule bei einem Schüler oder Lehrer aus, werden alle Kontaktpersonen unabhängig von deren Alter innerhalb von drei Tagen geimpft. Dies gilt auch für alle im Gesundheitswesen Tätigen, für Personen mit unklarem Immunstatus und für diejenigen, die laut Impfbuch erst einmal geimpft wurden. In solchen Fällen spritzen Ärzte vorzugsweise den Dreifachimpfstopff MMR. Diese Maßnahme half in den letzten Jahren, in Bayern und Nordrhein Westfalen eine Masernepidemie zu verhindern.
Bei Kontakt mit einem an Mumps, Röteln sowie Polio Erkrankten müssen ebenfalls alle Kontaktpersonen unverzüglich geimpft werden, unabhängig von Alter und Impfstatus. Nur so lässt sich eine Epidemie unterbinden.
Hatte ein Ungeimpfter Kontakt zu einem mit Varizellen Infizierten, kann er sich noch innerhalb von fünf Tagen gegen Windpocken impfen lassen. Das maximal mögliche Intervall verkürzt sich auf drei Tage, wenn bei dem Kranken bereits der Ausschlag sichtbar war.
Einfache Maßnahmen nicht vergessen
Um Neugeborene in den ersten Lebensmonaten vor Keuchhusten zu schützen, sollten sich alle Familienmitglieder mindestens vier Wochen vor der Geburt gegen Pertussis impfen lassen. Wurde bei einem Bewohner einer Gemeinschaftseinrichtung, beispielsweise einem Seniorenheim, Hepatitis A diagnostiziert, kann für alle Kontaktpersonen innerhalb der frühen Inkubationszeit die Impfung nötig werden.
Doch trotz allen medizinischen Fortschritts gilt nach wie vor: Die beste Methode, eine Ansteckung zu verhindern, ist die Isolation des Kranken. Daher sollten die Möglichkeiten der postexpositionellen Impfungen nicht dazu führen, die sorgfältigen Hygienemaßnahmen zu vernachlässigen.
Und: Viele Infektionskrankheiten könnten erfolgreich vermieden werden, wenn die Deutschen alle Schutzimpfungen gemäß der STIKO-Empfehlungen wahrnehmen würden. So ließe sich nicht nur viel individuelles Leid verhindern, sondern auch hohe Folgekosten auf Grund der Erkrankung.
Anschrift der Verfasserin:
Dr. Leonore Dennhöfer
Hochstraße 2a
76530 Baden-Baden