Glitazone vermindern die Insulinresistenz |
29.10.2008 20:50 Uhr |
Glitazone vermindern die Insulinresistenz
von Anna Laven und Birgit Carl
Eine relativ neue Möglichkeit zur Behandlung des Typ-2-Diabetes sind die Glitazone mit den beiden Vertretern Rosiglitazon und Pioglitazon. Der Therapieansatz der sogenannten Insulinsensitizer: Sie machen die Zellen sensibler für Insulin, indem sie spezielle Rezeptoren aktivieren.
Glitazone gehören chemisch zu den Thiazolidindionen. Ihre Hauptwirkung entfalten sie an den Fettzellen des Körpers, den Adipozyten. Sie aktivieren den g-Subtyp der Peroxisomen-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPARg). So sorgen sie dafür, dass das Insulin wieder besser wirkt und sich die Insulinresistenz vermindert. Insulinresistenz ist das nach und nach immer schlechtere Ansprechen der Körperzellen auf Insulin, das der Körper mit immer -höheren Insulinspiegeln auszugleichen versucht.
Glitazone steigern die insulinvermittelte Aufnahme von Glucose aus dem Blut in die Körperzellen. In der Leber wirken sie zweifach: Sie hemmen die Neubildung von Glucose (Gluconeogenese) und steigern den Glucoseabbau (Glykolyse). Gleichzeitig bildet der Körper weniger Entzündungsstoffe und Hormone wie Leptin, die zur Insulinresistenz bei Typ-2-Diabetikern beitragen. Die Bauchspeicheldrüse muss weniger Insulin produzieren, und auf Dauer sinken die Blutzuckerwerte nüchtern und nach den Mahlzeiten. Damit verbessert sich ebenfalls der Hba1c-Wert.
Neuere Studien weisen darauf hin, dass Glitazone auch blutdrucksenkende und gefäßschützende Eigenschaften haben. Während einer Glitazontherapie steigt das HDL-, also das »gute« Cholesterin, an.
Bis die maximale Wirkung einsetzt, können mehrere Monate vergehen. Nach frühestens drei Wochen kann der Arzt die Therapie zum ersten Mal beurteilen.
Gut kombinieren
Rosiglitazon (Avandia®) und Pioglitazon (Actos®) kann der Arzt allein oder in einer Zweier- oder Dreierkombination einsetzen. Die Monotherapie eignet sich vor allem für übergewichtige Patienten, die mit Diät und körperlicher Aktivität ihren Blutzuckerspiegel nicht ausreichend normalisieren können und die Metformin nicht einnehmen dürfen. Zusätzlich zu einer Metformin- oder Sulfonylharnstofftherapie kann der Diabetologe ein Glitazon verordnen, wenn dies nötig ist. Auch eine Dreierkombination aus Rosiglitazon oder Pioglitazon zusammen mit Metformin und einem Sulfonylharnstoff ist möglich. Pioglitazon kann der Arzt auch mit Insulin kombinieren.
Um den Patienten die Einnahme zu erleichtern, bieten die Pharmahersteller fixe Kombinationen an. Avaglim® besteht aus Rosiglitazon und dem Sulfonylharnstoff Glimepirid, Avandamet® enthält Rosiglitazon und Metformin, Competact® kombiniert Pioglitazon mit Metformin.
Muss der Patient eine Zeit lang auf seine normale Ernährung verzichten, zum Beispiel bei einem Magen-Darm-Infekt, müssen PTA oder Apotheker ihm erklären, dass er das Glitazon solange nicht mit Sulfonylharnstoffen kombinieren darf, bis er wieder normal essen kann. Die Gefahr der Unterzuckerung besteht nicht bei der Kombination mit Metformin.
Regelmäßig dosieren
Die Anfangsdosis für eine Therapie mit Rosiglitazon beträgt 4 mg pro Tag. Nach acht Wochen kann der Arzt die Dosis verdoppeln, wenn die Blutzuckerwerte es erfordern. Rosiglitazon kann der Patient sowohl einmal als auch zweimal täglich einnehmen. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Aufteilung der Tagesdosis auf zwei Einzeldosen besser wirkt. Wichtig ist jedoch, dass der Patient keine Einnahme vergisst. Deshalb muss der Arzt zwischen der Wirksamkeit und der Compliance abwägen.
Pioglitazon nimmt der Diabetiker einmal täglich ein. Er beginnt die Therapie mit einer Dosis von 15 oder 30 mg und kann die Wirkstoffmenge nach Anweisung seines Arztes schrittweise bis auf 45 mg steigern.
Der Patient kann sein Glitazon entweder vor oder während der Mahlzeit einnehmen. Glitazone verursachen keine Unterzuckerung. Deshalb sollte der Diabetiker sie durchgängig einnehmen. Eine eindeutige Anleitung hilft ihm dabei, Sicherheit zu gewinnen. »Nehmen Sie Ihre Tabletten regelmäßig ein, egal ob Sie etwas essen oder nicht. Günstig ist es, die Tablette immer zur gleichen Zeit mit einem großen Glas Wasser einzunehmen.«
Herz und Augen kontrollieren
Besonders zu Beginn einer Therapie und bei der Kombination eines Glitazons mit Insulin oder Metformin können als unerwünschte Nebenwirkung Wassereinlagerungen auftreten. Dies hat Einfluss auf die Herztätigkeit des Patienten. PTA und Apotheker sollten Diabetiker, die mit Glitazonen behandelt werden, auf das Auftreten von Ödemen aufmerksam machen. »Achten Sie auf Wassereinlagerungen, zum Beispiel in den Händen oder Fußgelenken. Auch wenn Sie weniger Luft bekommen, ist es wichtig, Ihren Arzt schnell darüber zu informieren.«
Es gibt Hinweise darauf, dass bei Diabetikern vermehrt Herzinfarkte auftreten oder das Herz Schaden nimmt, wenn sie Glitazone einnehmen. Deshalb sind Glitazone bei Patienten nach einem Herzinfarkt oder mit einer Herzinsuffizienz kontraindiziert.
Klagt ein Patient während der Glitazontherapie darüber, dass er unschärfer sieht, kann dies auf ein diabetisches Makulaödem hinweisen. Auch im Bereich des gelben Fleckes der Netzhaut, der Makula, kann sich Flüssigkeit einlagern. Das führt dazu, dass der Patient im Zentrum des Gesichtsfeldes verschwommen sieht. Diese Patienten sollten umgehend einen Augenarzt aufsuchen. Einen Simulator zum besseren Verständnis der Erkrankung finden Interessierte unter www.augen-wissen.de/augenerkrankungen/diabetisches-makulaoedem.htm.
Gewicht halten
Viele Patienten nehmen durch die Glitazontherapie an Körpergewicht zu. In einigen Fällen ist die Ursache eine Wassereinlagerung. In der Regel handelt es sich jedoch um eine Gewichtszunahme durch den Aufbau von subkutanem Fettgewebe, die einer Studie zufolge 1,5 bis 3,5 kg im Halbjahr betragen kann. »Mit der Einnahme Ihres Arzneimittels helfen Sie, Ihre Zuckerwerte zu normalisieren. Jetzt sollten Sie besonders auf Ihr Gewicht achten, damit Sie für Ihre Gesundheit das Beste tun.«
Außerdem erhöhen Glitazone das Risiko einer Knochenfraktur. Das betrifft vor allem ältere Frauen. Die genaue Ursache dafür ist unbekannt. Wissenschaftler vermuten, dass Glitazone die Knochenneubildung hemmen, an der auch die PPARg-Rezeptoren beteiligt sind.
Kinderwunsch erfüllen
Das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist die häufigste endokrinologische Erkrankung geschlechtsreifer Frauen. In Deutschland sind etwa eine Million Frauen betroffen. Diese Frauen haben nie oder nur selten einen Eisprung.
Da etwa 70 Prozent dieser Frauen an Übergewicht und Insulinresistenz leiden, verordnen die Ärzte ihnen bei Kinderwunsch Metformin oder, wenn auch seltener, ein Glitazon. Sowohl Rosiglitazon (4 bis 8 mg täglich) als auch Pioglitazon (30 mg täglich) verbessern nicht nur die Insulinresistenz und den Lipidstatus, sondern normalisieren auch den Menstruationszyklus und erhöhen die Eisprungrate. Aufgrund fehlender Daten setzen Ärzte das Glitazon jedoch sofort ab, wenn die Frau schwanger geworden ist.
Obwohl bei Diabetikerinnen während der Schwangerschaft der Einsatz von oralen Antidiabetika grundsätzlich kontraindiziert ist, können PCOS-Patientinnen durchaus von Metformin profitieren. Eine Studie konnte zeigen, dass in der Frühphase der Schwangerschaft Metformin die Zahl der Fehlgeburten von 62 auf 26 Prozent erniedrigte, ohne dass mehr Missbildungen auftraten.
E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
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