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PTA-Europa-Treffen

Kettenapotheke live in Norwegen

30.10.2008  09:27 Uhr

PTA-Europa-Treffen

Kettenapotheke live in Norwegen

von Jutta Brielich, Oslo

Einmal jährlich treffen sich Mitglieder der europäischen PTA-Berufsverbände und Gewerkschaften zu einem Meinungsaustausch. 2008 hatten die norwegischen Kolleginnen nach Oslo eingeladen. Besonders spannend waren die Besuche in einer der neuen Kettenapotheken und in der modernsten Krankenhausapotheke Europas. 

Beim diesjährigen Treffen des CEPT (Committee of European Pharmacy Technicians) nahmen Kollegen und Kolleginnen aus Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Kroatien, Norwegen, Portugal, Schweden, Serbien und Slowenien teil. Die wachsende Zahl der teilnehmenden Länder ermöglicht eine noch umfangreichere Übersicht über die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen der PTA in Europa. 

Besuch bei Boots

Der Blick hinter die Kulissen der Boots-Apotheke in Strømmen war angesichts der Diskussion um den Fall des Fremd- und Mehrbesitzverbots in Deutschland besonders interessant. Norwegen ist das erste Land außerhalb Englands mit Apotheken der Kette Boots. Die besuchte Kettenapotheke befindet sich in einem Einkaufszentrum. Gleich zu Beginn fiel auf, wie geduldig die Patienten lange Wartezeiten in Kauf nahmen. Beim Eintritt muss jeder eine Wartenummer ziehen. Da es in manchen Regionen Norwegens immer noch sehr wenige Apotheken gibt, bilden sich schnell lange Schlangen vor den HV-Tischen. Durchschnittlich versorgt eine norwegische Apotheke circa 7690 Einwohner, in Deutschland sind es dagegen 3816 Einwohner pro Apotheke.

Die größere Konkurrenz seit Einführung der Apothekenketten in Norwegen hat dazu geführt, dass die Apotheken vermehrt Beratungsräume einrichteten, ihre Serviceangebote wie Blutdruckmessen und das Sortiment an Kosmetik und anderen apothekenpflichtigen Waren erweiterten. Jeder versucht, sein Angebot in der Öffentlichkeit als besonders gut darzustellen und damit Patienten zu werben, womit die Kette Boots in Norwegen momentan sehr erfolgreich ist.

Gespräche mit verschiedenen Angestellten in der Boots-Apotheke und mit den norwegischen Gewerkschaftskolleginnen ergaben: Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten empfinden die Kolleginnen ihre Situation in den Kettenapotheken als durchaus gleichwertig, manche sogar als besser im Vergleich zur Individualapotheke. Seit Einführung der Kettenapotheken mussten viele kleinere Apotheken schließen. Die größeren Apotheken arbeiten mit mehr Personal und häufig besseren Arbeitsbedingungen. Nach einem anfänglichen Aufschrei aufgrund der verlängerten Öffnungszeiten (die meist immer noch bedeutend kürzer sind als in Deutschland), bringen diese für viele Kolleginnen durchaus auch Vorteile. Das Stellenangebot ist größer und besser geworden, arbeitslose PTA gibt es in Norwegen so gut wie gar nicht. Auch die Tarifverhandlungen verliefen sehr positiv. So schauen die Kolleginnen durchaus optimistisch in die Zukunft.

Krankenhausapotheke topmodern

Außerdem war noch Zeit für den Besuch der modernsten Krankenhausapotheke Europas in der Nähe von Oslo. Die Apotheke ist 24 Stunden besetzt und durch modernste Technik mit den Stationen verbunden. Alle Patienten haben ein eigenes Computerterminal am Bett mit genauen Angaben zur Arzneimittelgabe. 

Jedes Arzneimittel wird in der Krankenhausapotheke verblistert und bekommt einen Code, der dann unmittelbar vor Verabreichung an den Patienten nochmals überprüft wird. Neben den vielen Sicherheitsaspekten zum Wohle der Patienten war die Atmosphäre sowohl in den Zimmern als auch in den Räumen der Apotheke trotz des modernen Ambientes sehr angenehm.

Nach den beiden Ausflügen diskutierten die Teilnehmer die vielen Eindrücke und stellten gravierende Unterschiede von Land zu Land fest: So variiert zum Beispiel allein die Ausbildung zwischen zwei und drei Jahren, manche Länder erkennen den PTA-Abschluss anschließend automatisch als Berechtigung für ein Hochschulstudium an. In den meisten europäischen Apotheken werden kaum noch Rezepturen angefertigt, so dass die Fächer Prüfung und Herstellung von Arzneimitteln und Ausgangstoffen in PTA-Schulen nicht mehr unterrichtet werden. In einigen EU-Ländern dürfen PTA kleine Filialen leiten, in anderen wird ihnen das selbstständige Arbeiten sehr schwer gemacht.

In vielen europäischen Ländern werden in den Apotheken kaum hochwertige Phytopharmaka verkauft. Teerezepturen sind oft völlig unbekannt, dafür sind die Kolleginnen dort topfit im Drogerie-Sortiment und der Entwicklung von Fotos.

Diese großen Unterschiede in den europäischen Apotheken lassen einen direkten Vergleich kaum zu. Und ein Wechsel von einem Land ins andere kann eine starke Enttäuschung werden, wenn man als PTA im Ausland plötzlich den ganzen Tag Haarfestiger verkaufen oder an einer Kasse sitzen muss.

Liberalisierung in Norwegen

Im Jahr 2001 trat ein neues Apothekengesetz in Norwegen in Kraft. Das Fremd- und Mehrbesitzverbot wurde abgeschafft, die Niederlassungsbeschränkungen aufgehoben. Nun dominieren drei Apothekenketten den Markt, die von internationalen Pharmagroßhändlern kontrolliert werden. Seit 2003 ist es in Norwegen auch erlaubt, etliche rezeptfreie Arzneimittel außerhalb von Apotheken in Lebensmittelgeschäften, Kiosken und Tankstellen zu verkaufen.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
j.brielich(at)t-online.de
Vorsitzende des Adexa-Landesverbands Niedersachsen