Tretinoin sicher verarbeiten |
Jenny Berger |
30.10.2008 21:25 Uhr |
Foto: Adobe Stock/Contrastwerkstatt
Die Namen Tretinoin, Vitamin-A-Säure (VAS) oder Retinsäure bezeichnen ein und dieselbe Substanz. Sie ist ein Abkömmling des natürlichen Vitamin A und gehört zur Gruppe der Retinoide. Im Handel wird die Reinsubstanz als gelbes bis schwach orangefarbenes kristallines Pulver angeboten. Tretinoin ist praktisch unlöslich in Wasser und nur schwer löslich in 96-prozentigem Ethanol. Laut den Rezepturhinweisen des NRF löst sich Tretinoin in Erdnussöl in der Konzentration 0,15 Prozent (m/V) und in Dimethylsulfoxid mit 2,5 Prozent (m/V). Nach weiteren Literaturangaben ist Tretinoin wenig bis sehr schwer löslich in Propylenglykol, Isopropanol und Macrogol 400.
Tretinoin wirkt stark teratogen und reizt zudem die Haut, Schleimhäute und Augen. Sicherheitshalber sollte möglichst ein Mann statt einer Frau die Substanz in der Rezeptur verarbeiten. Leider ist das nicht in jeder Apotheke machbar. In jedem Fall müssen Personen beim Umgang mit dem Gefahrstoff strikte Arbeitsschutzbedingungen einhalten: Schutzkleidung, -brille, -handschuhe und Mundschutz sind ein Muss bei der Verarbeitung von Tretinoin.
Als Rezeptursubstanz steht mittlerweile mikrofein gepulvertes Tretinoin zur Verfügung, so dass das Anreiben der kristallinen Substanz für Suspensionszubereitungen entfällt. Das schützt nicht nur den Menschen, sondern bringt auch eine erhebliche Zeitersparnis mit sich. Nach dem ersten Öffnen des Rezepturbehältnisses kann das Pulver dicht verschlossen und im Kühlschrank zwischen 2 und 8 Grad Celsius gelagert werden und ist dann bis zu zwei Jahre haltbar. Vor der Verarbeitung sollte das Pulver eine halbeStunde bei Raumtemperatur aufbewahrt werden, damit es sich anwärmt.
Konzentrate verwenden
Kommt Tretinoin in der Apotheke als Rezeptursubstanz regelmäßig zum Einsatz, empfiehlt es sich, ein lipophiles Konzentrat nach der NRF-Vorschrift Stammzubereitung Nummer 29 anzufertigen. Als Grundlage dient hier Vaseline, in die der Wirkstoff suspendiert wird. Diese Salbe lässt sich in viele Rezepturgrundlagen ohne Probleme einarbeiten. Laut NRF 2008 ist das lipophile Konzentrat in einer Tube ein Jahre haltbar. Das Konzentrat kann sowohl für lipophile Cremes und Salben als auch für hydrophile Cremes verwendet werden.
Stammlösungen oder Verreibungen haben mehrere Vorteile: Der Wirkstoff staubt nicht mehr, so dass der Umgang mit dem Gefahrstoff einfacher und sicherer wird. Zusätzlich gewährleisten fertige Konzentrate die erforderliche Partikelfeinheit, die Homogenität der Verteilung und die Genauigkeit der Einwaage.
Wer Tretinoin in Form eines alkoholischen Konzentrates einsetzt, muss beachten, dass der Wirkstoff vor allem bei kühler Lagerung im Laufe der Zeit auskristallisieren kann. Außerdem muss die Grundlage, in die das Konzentrat eingearbeitet werden soll, die entsprechende Menge an Alkohol vertragen. Wer das nicht sicher weiß, sollte die mikronisierte Reinsubstanz dem Konzentrat vorziehen.
Fertige Rezepturen mit Tretinoin sind sehr licht- und oxidationsempfindlich; daher müssen diese immer mit Antioxidantien wie Butylhydroxytoluol (0,04 Prozent) oder Tocopherol (0,1 Prozent) stabilisiert und immer lichtdicht in Aluminiumtuben oder dunkle Flaschen abgefüllt werden. Die NRF-Zubereitungen sind generell mit Butylhydroxytoluol stabilisiert. Weil außerdem ein basisches Milieu die Zersetzung beschleunigt, sollte der pH-Wert einer fertigen wasserhaltigen Rezeptur unter 5 liegen. Als Feststoff ist Tretinoin dagegen recht stabil.
Gegen Akne und Falten
Vitamin-A-Säure dient der Therapie von Verhornungsstörungen (Keratosen) der Haut, zum Beispiel bei Psoriasis, Ichthyosis und Akne. Die Substanz normalisiert die übermäßige Zellteilung, wirkt antiphlogistisch und immunmodulierend. Da Tretinoin zudem die Haut bleicht und Falten reduziert, nutzen zahlreiche Dermokosmetika den Wirkstoff gegen das Photoaging. Die Tretinoin-Konzentrationen liegen in den meisten Cremes, Gelen und Lösungen zwischen 0,025 und 0,1 Prozent. Die Produkte werden in der Regel ein- bis zweimal täglich aufgetragen. Anschließend müssen sich die Anwender gründlich die Hände waschen.
Topisch appliziertes Tretinoin wird nur zu einem geringen Teil resorbiert, so dass eine teratogene Wirkung bei kutaner Anwendung nahezu ausgeschlossen ist. Vorsichtshalber sollten Schwangere trotzdem alle Tretinoin-haltigen Zubereitungen meiden. In jedem Fall ist in der Schwangerschaft Tretinoin-Gel für die Mundschleimhaut (zum Beispiel NRF 7.9.) kontraindiziert, denn im Mund wird der Wirkstoff in voller Menge resorbiert.
Haut reagiert unterschiedlich
Als häufigste Nebenwirkung des Tretinoins reagiert die Haut irritiert. Meist rötet sie sich und schuppt. Diese Nebenwirkung macht sich vor allem zu Beginn einer Therapie bemerkbar. Sie hängt stark von der Konzentration der Vitamin-A-Säure in der Zubereitung und der verwendeten Grundlage ab. Zum Beispiel irritiert eine Lösung die Haut deutlich heftiger als eine Creme der gleichen Konzentration. Werden die Beschwerden zu stark, kann der Arzt die Dosierung herabsetzen oder der Patient wendet das Präparat vorerst nur jeden zweiten Tag an.
Auch kann zu Beginn der Behandlung eine Akne regelrecht »aufblühen«. Sind die Patienten darüber verunsichert, sollten PTA und Apotheker ihnen raten, die Therapie fortzusetzen, und sie aufklären, dass diese Erstverschlimmerung nach einer Weile wieder abklingt. In vielen-Beipackzetteln von Fertigarzneimitteln mit Tretinoin machen Hersteller darauf aufmerksam, dass Röntgenstrahlen die Reizerscheinungen der betroffenen Haut verstärken können.
Sonne meiden
Anwender von Tretinoin-Produkten sollten die Sonne möglichst meiden. Durch die verdünnte und teilweise depigmentierte Hornschicht dringt mehr UV-Licht ein und schädigt die Haut. UV-Licht baut außerdem den Wirkstoff Tretinoin sehr rasch ab, so dass die Wirkung erheblich nachlässt. Tipps für die Patienten: Falls sieden Kopf behandeln müssen, sollten sie einen Hut tragen, bei Anwendung an Armen oder Beinen lange Kleidung. Auf unbedeckte Haut müssen sie ein Sonnenschutzmittel mit hohem Lichtschutz-faktor auftragen, das Solarium hingegen strikt meiden.