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Schweinegrippe

Fakten und Vorurteile

24.10.2009  21:18 Uhr

Schweinegrippe

Fakten und Vorurteile

von Daniela Biermann

Am 26. Oktober hat die Impfkampagne gegen die Schweinegrippe begonnen. Viele Bürger sind verunsichert, ob sie sich impfen lassen sollen oder nicht. Was ist dran an der Panik vor einer Epidemie auf der einen Seite und Angst vor Nebenwirkungen auf der anderen?

Noch gilt die Schweinegrippe als relativ harmlos. In Deutschland starben bis jetzt »nur« zwei Menschen am H1N1-Virus (Stand: 19. Oktober). Weltweit sind dagegen bereits 4700 Tote zu beklagen. Anfangs zählte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch jede einzelne Infektion. Mittlerweile kann sie nur noch schätzen. So geht das Robert-Koch-Institut von etwa 23 000 Infizierten in Deutschland aus. Zum Vergleich: An der »normalen« saisonalen Grippe sterben hierzulande jährlich 10.000 Menschen; die Dunkelziffer ist vermutlich hoch.

Experten von der WHO, dem Robert-Koch-Institut (RKI) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) rechnen damit, dass im Winter auch die Fallzahlen der an Schweinegrippe Erkrankten steigen werden. Vermutlich werden sich bis zu 30 Prozent der Europäer infizieren, schätzt die europäische Seuchenkontrollbehörde. Einig sind sich die Experten auch, dass das Virus nicht einfach wieder von der Welt verschwinden wird. Höchstwahrscheinlich wird es mutieren und damit gefährlicher werden. Schon jetzt ist es hoch ansteckend.

Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO), ansässig am RKI, sich gegen H1N1 impfen zu lassen. Insbesondere drei Gruppen legt die Kommission die Impfung ans Herz: Angehörigen des Gesundheitswesens, chronisch Kranken und Schwangeren. Zur ersten Gruppe gehören neben Ärzten, Kranken- und Altenpflegern auch Apotheker und PTA. Da das Virus hoch ansteckend ist, stellt es nicht nur für das Personal selbst eine Gefahr da. Die Heilberufler können das Virus an immungeschwächte Personen weitergeben.

Besonders gefährdete Personen

Zum Personenkreis der chronisch Kranken zählen zum Beispiel Diabetiker und HIV-Infizierte, vor allem aber auch Patienten mit Atemwegserkrankungen wie Asthma oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Gerade bei ihnen kann das H1N1-Virus die Lunge schädigen oder Tür und Tor für andere Erreger wie Pneumokokken öffnen. Menschen ab 60 sollten sich daher gegen die saisonale Influenza sowie gegen Pneumokokken impfen lassen, empfiehlt die STIKO.

Ebenfalls immungeschwächt sind Schwangere. Beobachtungen aus den USA und Europa belegen, dass sie ein höheres Risiko für schwere Komplikationen wie zusätzliche Atemwegserkrankungen haben als die restliche Bevölkerung. Dem Ungeborenen scheint eine Infektion jedoch nicht zu schaden. Nun hat die STIKO empfohlen, Schwangere mit einem Impfstoff ohne Wirkverstärker zu immunisieren. Die Bundesländer haben bis jetzt aber nur Pandemrix® von GlaxoSmithKline bestellt. Dieser besteht aus zwei Komponenten: Eine Ampulle enthält genügend Antigen für zehn Impfungen, eine andere Ampulle enthält das Adjuvans AS03. Vor der Impfung werden beide Suspensionen gemischt. 

Um AS03 ist eine heftige öffentliche Diskussion entbrannt. Denn ob Schwangere das Adjuvans gut vertragen, ist unbekannt. Studien gab es bislang aus ethischen Gründen nicht. Vertreter des RKI und PEI versichern, die Angst vor dem Adjuvans sei unbegründet. AS03 besteht aus Squalen, Polysorbat 80 und Vitamin E; alles Stoffe, die natürlicherweise im menschlichen Organismus oder in Lebensmitteln vorkommen. Außerdem enthält Pandemrix als Konservierungsmittel 5 µg Thiomersal, eine quecksilberhaltige Verbindung. Alle Stoffe sind jedoch nur in geringen Mengen, weit unter toxischen Werten, zugesetzt.

Der Vorteil des Adjuvans: Im Vergleich zu einem herkömmlichen Impfstoff wie Celvapan® wird nur ein Viertel der Antigenmenge benötigt. Außerdem schützt Pandemrix auch vor den gefürchteten Drift-Varianten des Virus.

Infektiöser als saisonale Grippe

»Schwangerschaft ist keine Kontraindikation für eine Impfung mit Pandemrix«, erklärte PEI-Sprecherin Dr. Susanne Stöcker. Sie gab zu bedenken, dass die Schweinegrippe ansteckender sei als die saisonale Grippe und dass die Viren bereits erste Resistenzen gegen die Neuraminidase-Hemmer Oseltamivir und Zanamivir, die einzigen verfügbaren Medikamente, gebildet haben.

Da die Schwangeren aber durch eine undifferenzierte Berichterstattung in den Medien derzeit stark verunsichert sind, verhandeln die Bundesländer nun mit den Impfstoffherstellern, ob sie eine Vakzine ohne Adjuvanzien liefern können. Wann damit geimpft werden könnte, ist noch unklar. Schwangere, besonders Asthmatikerinnen, sollten daher mit ihrem Arzt besprechen, ob sie sich jetzt schon mit Pandemrix impfen lassen. Das RKI empfiehlt, bevorzugt nach der 12. Schwangerschaftswoche zu impfen. Auch Stillende können sich mit Pandemrix immunisieren lassen. Die Sicherheit von Pandemrix wurde in Studien mit rund 5000 Personen getestet, die von Celvapan mit nur 600 Probanden. Alle Impfstoffe beruhen auf zugelassenen Modellimpfstoffen gegen Influenza und werden sozusagen im Baukastenprinzip zusammengestellt. Nur das Antigen wird ausgetauscht.

Unterschiedliche Impfdosen

Für Personen im Alter von 10 bis 60 Jahren reicht nach derzeitigem Wissensstand eine Impfdosis. Falls die Zukunf zeigt, dass eine zweite Vakzine erforderlich ist, kann diese innerhalb von sechs Monaten nachgeholt werden. Kleinkinder ab sechs Monaten erhalten zwei halbe Erwachsenendosen (je 0,25 Milliliter) im Mindestabstand von drei Wochen. Wegen der schwächeren Immunantwort erhalten über 60-Jährige zwei Erwachsenendosen im Mindestabstand von drei Wochen. Als Ne-benwirkungen treten nach derzeitigem Wissensstand typische Impfreaktionen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie leichtes Fieber und grippeähnliche Symptome auf. Diese sind übrigens nicht vergleichbar mit einer echten Grippeerkrankung.

Deutschland hat insgesamt 50 Millionen Impfdosen bestellt. Da Umfragen zeigen, dass sich nicht alle Deutschen impfen lassen wollen, ist davon auszugehen, dass diese Dosen reichen. Ob der Hausarzt oder das Gesundheitsamt impft, hängt vom Bundesland ab; ebenso, ob die Apotheken oder der Großhandel den Impfstoff verteilen. 

Neben der Impfung bleibt übrigens das regelmäßige Händewaschen die wichtigste und effizienteste Maßnahme, um sich und andere vor der Schweinegrippe zu schützen.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
biermann(at)govi.de