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RLS

Kribbelnde Beine, unruhige Nächte

24.10.2009  20:53 Uhr

RLS

Kribbelnde Beine, unruhige Nächte

von Nina Griese

Bei Schlafproblemen wenden sich viele Menschen zuerst an PTA oder Apotheker und bitten diese um Hilfe. In manchen Fällen lässt das Restless-Legs-Syndrom (RLS) die Betroffenen nicht schlafen. Bei Verdacht auf dieses Syndrom muss der Patient einen Arzt aufsuchen, damit dieser die Diagnose stellt.

Laut Schätzungen leiden etwa 10 bis 15 Prozent der Erwachsenen an chronischer Insomnie, also an einer bereits länger als einen Monat bestehenden Schlafstörung. Etwa ein Drittel ist von vorübergehenden Schlafstörungen betroffen. Ist der Schlaf nicht erholsam, fühlen sich die Betroffenen in ihrer Leistungsfähigkeit und Lebensqualität eingeschränkt.

Eine 52-jährige Frau betritt die Apotheke und fragt die PTA nach einem guten Schlafmittel, das gleichzeitig beruhigend wirkt. Seit mehreren Jahren habe sie immer mal wieder Schlafprobleme und auch schon verschiedene Schlafmittel ausprobiert, zum Teil vom Arzt verordnet, zum Teil selbst gekauft.

Um entscheiden zu können, ob in diesem Fall eine Selbstmedikation möglich ist, stellt die PTA der Frau detaillierte Fragen nach den möglichen Ursachen ihrer Schlafprobleme. Wichtige Kriterien sind dabei die Art und Dauer der Schlafstörung sowie das Alter und Begleiterkrankungen der Patientin. Wenn eine Erkrankung als Auslöser für die Schlafstörung in Frage kommt, muss die PTA an den Arzt verweisen. Eine häufig übersehene, den Schlaf störende organische Erkrankung ist das Restless-Legs-Syndrom.

Von RLS sind schätzungsweise zwischen 5 und 10 Prozent der Bevölkerung betroffen. Bei Frauen tritt es etwa doppelt so häufig auf wie bei Männern. Leitsymptom des RLS ist der Bewegungsdrang der Beine. RLS-Patienten klagen typischerweise über quälende Missempfindungen in den Unterschenkeln, teilweise auch in den Armen. Als Folge der Beschwerden können viele Betroffene schlecht ein- oder durchschlafen. Dies führt wiederum zu Müdigkeit und Erschöpfung während des Tages.

Beschwerdefreie Zeiten

Zu Beginn der Erkrankung treten immer wieder symptomfreie Intervalle auf, die bis zu mehreren Monaten dauern. Da die Beschwerden des RLS mit den Jahren häufiger und stärker werden, suchen die Patienten früher oder später beim Arzt oder in der Apotheke Hilfe. Meist klagen die Betroffenen zunächst nur über Schlafstörungen und berichten erst auf Nachfrage über Beinbeschwerden. 

Vier essenzielle Kriterien müssen für die Diagnose eines RLS erfüllt sein: 

  • Bewegungsdrang der Beine meist zusammen mit Sensibilitätsstörungen, Missempfindungen (Kribbeln, Ziehen, Reißen, Brennen, Jucken, »Ameisenlaufen«) oder Schmerzen. Seltener sind zusätzlich auch die Arme oder andere Körperregionen von diesen Beschwerden betroffen.
  • Die Beschwerden treten ausschließlich oder verstärkt bei Ruhe oder Inaktivität auf.
  • Teilweise oder vollständige Besserung der Beschwerden durch Bewegung. Diese Linderung hält zumindest so lange an, wie die Muskeln aktiv bewegt werden. Auch Kratzen, Wechselduschen oder lokal kühlende Einreibungen können die Beschwerden lindern.
  • Auftreten oder Verstärkung der Beschwerden nur am Abend und in der Nacht.

Ein weiteres Symptom, das bei etwa 85 Prozent der Patienten auftritt und im Schlaflabor erfasst werden kann, sind  nächtliche periodische Beinbewegungen.

Die vier oben genannten Kriterien können PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch leicht abklären, beispielsweise mit der Frage: »Lindert Umhergehen oder Bewegung des Sprunggelenks Ihre Beschwerden?«

Um die Situation der Patientin besser beurteilen zu können, erkundigt sich die PTA nach der Dauer und Art der Schlafstörungen, weiteren Lebensumständen und fragt sie, was sie bereits gegen ihre Schlafprobleme unternommen hat. Im Beratungsgespräch berichtet die Patientin daraufhin der PTA, ihre erste Schlafstörung liege etwa vier Jahre zurück. In der letzten Zeit hätten sich die Probleme verstärkt und seien häufiger, manchmal über mehrere Wochen aufgetreten. Vor allem könne sie dann nicht einschlafen. Sie habe pflanzliche und auch vom Arzt verordnete stärkere Schlafmittel ausprobiert. Die verschriebenen Mittel hätten zwar geholfen, die Unruhe sei jedoch gleich geblieben. Als die PTA nachfragt, wie sich die Unruhe äußert, berichtet die Patientin, vor allem das Kribbeln in den Beinen mache den Schlaf zeitweise unmöglich. Das Kribbeln quäle sie besonders abends, wenn sie zur Ruhe kommt und sich hinlegt. Dann laufe sie manchmal stundenlang in der Wohnung umher, bis sie irgendwann vor lauter Erschöpfung einschlafen könne. Da sich die Missempfindungen in den Beinen durch Bewegung bessern, vermutet die PTA, dass ein RLS vorliegt, und empfiehlt der Patientin, dem Arzt diese Beschwerden exakt zu schildern.

Zum Teil genetisch bedingt 

Die Ursachen für das Restless-Legs-Syndrom sind noch weitgehend unklar. Es handelt sich wahrscheinlich um eine zentralnervöse Störung, bei der das dopaminerge und das opioide System eine zentrale Rolle spielen. Bei über 50 Prozent der Patienten ergibt die Anamnese, dass andere Familienangehörige dasselbe Problem haben. Das weist zumindest bei einem Teil der Patienten auf eine genetische Disposition hin. Die häufigste Form des RLS ist das idiopathische RLS, auch primäres RLS genannt. In diesen Fällen ist die Familienanamnese positiv und bei den Patienten liegt auch keine andere Erkrankung vor, die das Syndrom auslösen könnte.

RLS kann aber auch durch verschieden Erkrankungen oder Umstände verstärkt oder ausgelöst werden (sekundäres RLS).  So findet sich das RLS gehäuft bei Dialysepatienten, Patienten mit Eisenmangelanämie, Schilddrüsenerkrankungen und Niereninsuffizienz sowie Schwangeren. Auch verschiedene Arzneimittel wie trizyklische Antidepressiva, SSRI, Neuroleptika, Metoclopramid oder Antihistaminika der älteren Generation können RLS auslösen oder verstärken. Vorallem bei der familiären Disposition beginnt die Erkrankung oft schon im Kindesalter.

Auch wenn die Ursachen noch unbekannt sind, ist die Erkrankung meist gut behandelbar. Ob das RLS medikamentös therapiert werden muss, entscheidet der Arzt anhand des Leidensdrucks des Patienten, das heißt, wie stark den Patienten die Schlafstörungen und die Tagesmüdigkeit belasten. In fortgeschrittenen Fällen müssen die Patienten auf Dauer Medikamente einnehmen und der Arzt deren Dosen regelmäßig anpasst. Beim sekundären RLS wird in erster Linie die Grunderkrankung behandelt. So kann beispielsweise bei Eisenmangel die orale Eisensubstitution die RLS-Symptomatik lindern. 

Therapie der Symptome

Beim primären RLS erfolgt die Therapie rein symptomatisch. Dopaminerge Substanzen sind Therapeutika der ersten Wahl, da sie häufig die Beschwerden erheblich lindern. Dopaminagonisten sind bei mittel- bis schwergradigem RLS geeignet. Zugelassen zur Behandlung des primären RLS sind L-Dopa und die Dopaminagonisten Pramipexol (wie Sifrol®, Mirapexin®) und Ropinirol (wie Adartrel®) als abendliche Einzeldosierung. L-Dopa in Kombination mit Benserazid, einem Decarboxylasehemmer, (wie Restex®) ist geeignet bei leichtem bis mittelgradigem RLS. Benserazid verhindert, dass L-Dopa außerhalb des Gehirns in die Wirkform Dopamin umgewandelt wird. Bei Patienten mit Einschlafstörungen reichen in der Regel unretardierte Präparate in einer Dosierung von 1 bis 2 Tabletten mit 100 mg L-Dopa und 25 mg Benserazid aus. Patienten mit Durchschlafstörungen können zusätzlich zur unretardierten Tablette auch eine retardierte Tablette einnehmen.

Vor allem in den ersten vier Behandlungswochen tritt bei Dopaminagonisten als häufigste Nebenwirkung Übelkeit auf. Aufgrund dieser unerwünschten Arzneimittelwirkung müssen Dopaminagonisten sehr langsam aufdosiert werden. Durch Einnahme von Domperidon dreimal täglich in den ersten Therapiewochen lässt sich die Übelkeit gut unterdrücken. Auf keinen Fall sollte Metoclopramid gegeben werden, da dies die RLS-Symptomatik verstärken kann. Des Weiteren werden Opiode und kurz wirksame Benzodiazepine bei einigen Patienten eingesetzt.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
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