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Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im Oktober 2009

24.10.2009  12:05 Uhr

Arzneimitteltherapie

Neue Arzneistoffe im Oktober 2009

von Sven Siebenand

Drei neue Wirkstoffe kamen in den vergangenen Wochen auf den deutschen Markt, darunter ein Notfallkontrazeptivumund ein Antiepileptikum. Der dritte Neuling ist eine Kombination von Laropiprant und Nicotinsäure zur Lipidsenkung.

Bisher ließ sich eine Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr nur verhindern, indem die Frauen danach innerhalb von drei Tagen 1,5 mg des Wirkstoffs Levonorgestrel (in Unofem® und Levogynon®) einnahmen.

Die neue Pille danach

Anfang Oktober kam mit Ulipristalacetat (Ellaone® 30 mg Tabletten, HRA Pharma) die »Pille für fünf Tage danach« auf den deutschen Markt. Damit steht Frauen ein weiteres Mittel zur Notfallkontrazeption zur Verfügung. Das verschreibungspflichtige Medikament müssen sie innerhalb von fünf Tagen nach dem ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder dem Versagen der Empfängnisverhütung einnehmen, am bestens so früh wie möglich. Die Dosis beträgt einmalig 30 mg. Wenn sich die Frau innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme erbricht, ist die Wirkung der Tablette fraglich. Dann sollte sie eine weitere Tablette nehmen. 

Das Geschlechtshormon Progesteron stimuliert die Bildung von Eiweißstoffen, die für den Eisprung wichtig sind und außerdem die Gebärmutterschleimhaut auf den Empfang der Eizelle vorbereiten. Ulipristalacetat blockiert Rezeptoren, an die Progesteron bindet, sodass das Hormon seine Wirkung nicht entfalten kann. Der neue Arzneistoff verhindert also den Eintritt einer Schwangerschaft, indem er vor allem den Eisprung stört und zudem möglicherweise die Gebärmutterschleimhaut verändert.

Vor Verordnung des neuen Arzneimittels muss ein Arzt abklären, ob bereits eine Schwangerschaft besteht. In diesem Fall darf die Frau den Wirkstoff nicht mehr einnehmen. Stillende sollen das Stillen mindestens 36 Stunden unterbrechen. 

In der Fachinformation weist der Hersteller zudem darauf hin, dass in Studien die Sicherheit und Wirksamkeit des Mittels nur bei Frauen ab 18 Jahren belegt ist. Doppelt hält nicht besser: Der Hersteller rät dringend davon ab, mit dem neuen Wirkstoff gleichzeitig eine Tablette mit Levonorgestrel einzunehmen. Ebenso sollten Ärzte Frauen mit schwerem und nicht ausreichend kontrolliertem Asthma kein Ulipristalacetat verordnen. Die häufigsten Nebenwirkungen von Ulipristalacetat sind Bauchschmerzen und Menstruationsstörungen. Bei Abgabe des neuen Arzneimittels sollten PTA und Apotheker die Frau darauf hinweisen, dass nach Einnahme von Ulipristalacetat die nächste Menstruationsblutung um einige Tage verfrüht oder verspätet auftreten kann. 

Arzeistoffe, die das CYP3A4-Enzymsystem anregen wie Rifampicin, Phenytoin, Carbamazepin und Johanniskraut können die Wirksamkeit von Ulipristalacetat herabsetzen. Zu beachten ist, dass die Enzyminduktion nur langsam abklingt und daher Ulipristalacetat noch zwei bis drei Wochen nach Beendigung der Einnahme der oben genannten Arzneimittel nicht so sicher wirkt. Auch die gleichzeitige Anwendung von Arzneimitteln, die den pH-Wert im Magen erhöhen, sollte unterbleiben, da Protonenpumpenhemmer, Antacida oder H2-Rezeptor-Antagonisten die Plasmakonzentration von Ulipristalacetat vermindern und dessen Wirksamkeit somit beeinträchtigen. 

Möchten die Frauen nach Einnahme von Ulipristalacetat zur Kontrazeption ein gestagenhaltiges Kombinationspräparat oder reines Gestagen einnehmen, sollten sie wissen, dass die Wirkung dieser Verhütungsmittel beeinträchtigt sein kann, heißt es in der Fachinformation.

Flush-Blocker Laropiprant

Seit Langem ist bekannt, dass Nicotinsäure (auch als Niacin oder Vitamin B3 bezeichnet) in hohen Dosen den Fettspiegel im Blut senkt und so das Fortschreiten einer koronaren Herzkrankheit (KHK) verlangsamen kann. Unter der KHK werden Krankheitsbilder zusammengefasst, die mit einer Mangeldurchblutung des Herzmuskels einhergehen. Hierzu gehören neben Angina pectoris auch Herzinfarkt und der plötzliche Herztod. Der Arzneistoff Nicotinsäure setzte sich jedoch in der Therapie nie richtig durch. Der Hauptgrund dafür liegt in einer unangehmen Nebenwirkung: Nach Einnahme von Nicotinsäure kommt es häufig zu plötzlichen Hitzewallungen mit Gesichtsrötung (Flush). Das seit September verfügbare Kombinationspräparat Tredaptive® (MSD) enthält neben 1000 mg Nicotinsäure 20 mg einer neuen Substanz, die diese unerwünschte Wirkung verhindert: Laropiprant.

Mittlerweile wissen Wissenschaftler, warum es nach der Einnahme von Nicotinsäure zum Flush kommt. Prostaglandin D2 (PGD2) vermittelt diese kurzzeitig erhöhte Durchblutung der Haut, die mit Rötung und Hitzegefühl einhergeht. PGD2 wird in der Haut freigesetzt und erweitert dort die Gefäße. Laropiprant blockiert nun die Rezeptoren, an die sich PGD2 anlagert. Die Konsequenz: PGD2 kann die Blutgefäße nicht mehr erweitern, Häufigkeit und Intensität der Gesichtsrötungen lassen nach. Auf das Lipidprofil hat Laropiprant keinen Einfluss.

Tredaptive-Tabletten bestehen aus zwei Schichten: Eine enthält Laropiprant, die andere Nicotinsäure. Nachdem der Patient die Tabletten eingenommen hat, wird zunächst der Flush-Blocker ins Blut abgegeben, der die PGD2-Rezeptoren besetzt. Die Nicotinsäure wird  dagegen langsamer freigesetzt, sodass sie zwar lipidsenkend wirkt, aber nicht mehr so schnell die Gesichtsrötungen auslöst. Damit dieser galenische Trick funktioniert, dürfen Patienten die Tabletten nicht teilen, zerkleinern oder zerkauen. Außerdem sollten die Patienten die Tabletten nicht mit Alkohol oder Heißgetränken einnehmen, da diese einen möglichen Flush verstärken.

Zugelassen ist das Kombinationspräparat zur Behandlung von Patienten mit Fettstoffwechselstörungen, zum Beispiel mit hohen LDL-Cholesterol- und Triglycerid-Werten und niedrigen HDL-Cholesterol-Werten.

In den ersten vier Wochen sollen die Patienten eine Tablette pro Tag nehmen. Anschließend wird die Dosis auf zwei Tabletten täglich erhöht. Ratsam ist es, die Tabletten mit dem Abendessen oder vor dem Schlafengehen einzunehmen. Patienten mit Leberschäden, akutem Magengeschwür oder arteriellen Blutungen dürfen das Präparat nicht einnehmen. Das neue Arzneimittel eignet sich als Begleitmedikation zu einem Statin, wenn die alleinige Gabe von Simvastatin und Co. nicht ausreicht. Eine Monotherapie kommt nur bei den Patienten infrage, bei denen eine Behandlung mit Statinen nicht möglich ist.

Neues Antiepileptikum

Mit Eslicarbazepinacetat (Zebinix® Tabletten, Eisai Deutschland) ist im Oktober ein weiteres Antiepileptikum auf den deutschen Markt gekommen. Zugelassen ist die Substanz nur in Kombination mit anderen Antiepileptika bei Erwachsenen mit partiellen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung. Bei dieser Form der Epilepsie verursacht die übermäßige elektrische Aktivität in einer Gehirnhälfte unter anderem plötzliche, ruckartige Bewegungen, Seh-, Riech- sowie Hörstörungen, manchmal sogar Taubheit oder plötzliche Angstgefühle. Von einer sekundären Generalisierung sprechen Fachleute, wenn die Überaktivität im Verlauf des epileptischen Anfalls das ganze Gehirn erfasst.

Die Startdosis des verschreibungspflichtigen Arzneistoffs beträgt einmal täglich 400 mg. Diese sollte nach kurzer Zeit auf 800 mg erhöht werden. Je nachdem, wie der Patient auf die Behandlung anspricht, kann der Arzt die Dosis auch auf 1200 mg steigern. Bei der Abgabe des neuen Arzneimittels können PTA und Apotheker die Patienten darauf hinweisen, dass sie die Tabletten mit oder ohne Nahrung, also unabhängig von den Mahlzeiten einnehmen können.

Eslicarbazepinacetat ist ein Prodrug, denn es wird im Körper in Eslicarbazepin umgewandelt. Indem diese Substanz Natriumkanäle blockiert, soll sie Natriumionen daran hindern, in die Nervenzellen einzudringen. Dadurch verringert sie auch die Aktivität der Nervenzellen im Gehirn und schließlich die Anzahl und Stärke der Anfälle.

Bei 50 Prozent der Patienten traten unter der Therapie mit Eslicarbazepinacetat Nebenwirkungen auf. In den Studien berichteten sie am häufigsten über Schwindel und Schläfrigkeit.

Vorsicht geboten ist bei Patienten, die älter sind als 65 Jahre sind oder Nierenprobleme haben. Bei Patienten mit schweren Nieren- oder Leberproblemen ist das Antiepileptikum kontraindiziert. Gleiches gilt für unter 18-Jährige. Reagieren Patienten allergisch auf Eslicarbazepinacetat, muss das Medikament abgesetzt werden. Ist von vornherein bekannt, dass der Patient auf strukturell verwandte Arzneimittel wie Carbamazepin und Oxcarbazepin überempfindlich reagiert, darf er Zebinix gar nicht erst verordnet bekommen.

Patientinnen sollten wissen, dass der neue Arzneistoff die Wirkung von hormonellen Kontrazeptiva verringern kann. Aus diesem Grund sollten sie während der Behandlung mit dem neuen Antikonvulsivum zusätzlich eine nicht hormonelle Verhütungsmethode anwenden. Soll die Behandlung beendet werden, muss der Arzt die Arzneistoffdosis schrittweise verringern. So lässt sich die Gefahr minimieren, dass wieder gehäuft epileptische Anfälle auftreten.

E-Mail-Adresse des Verfassers:
siebenand(at)govi.de