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Osteoporose

Strontium und Fluorid

24.10.2009  21:39 Uhr

Osteoporose

Strontium und Fluorid

von Anna Laven und Birgit Carl

Mit Strontium und Fluorid stehen neben den Bisphosphonaten zwei weitere Therapien gegen Osteoporose zurVerfügung. Die Arzneistoffe sollen bei Frauen mit postmenopausalerOsteoporose das Risiko von Hüft- und Wirbelkörperfrakturen verringern.

Der Dachverband Osteologie (DVO) ist eine Vereinigung der deutschsprachigen osteologischen Fachgesellschaften. Er bewertet in aktuellen Leitlinien die Wirkung verschiedener Osteoporose-Arzneimittel in einer vierstufigen Skala mit den Buchstaben A bis D. Für Strontium vergab der DVO den höchsten Empfehlungsgrad A.

Den Wirkmechanismus von Strontium haben Wissenschaftler bisher noch nicht vollständig aufgeklärt. Sie konnten aber im Labor (in vitro) einen Einfluss sowohl auf den Knochenauf- als auch auf den Knochenabbau nachweisen. Am sponginösen Knochenanteil, also dem schwammartig aufgebauten, stellten sie nach der Therapie mit Strontium eine erhöhte Dichte fest.

Zwei Studien mit einer Dauer von zwei bis drei Jahren, abgekürzt mit SOTI und TROPOS, ergaben, dass die Gabe von Strontium das Frakturrisiko bei älteren Frauen deutlich verringerte. Bei diesen Frauen hatten sich die Knochendichte an der Lendenwirbelsäule und am Oberschenkelhals klar verbessert. Sie erlitten 41 Prozent weniger Wirbel- und 36 Prozent weniger Hüftfrakturen als die Frauen der Kontrollgruppen. 

Aufnahme optimieren

Strontiumranelat steht als Granulat in Portionsbeuteln mit zwei Gramm (Protelos®) für die Therapie zur Verfügung. Die Patientin gibt den Inhalt eines Beutels in ein Glas Leitungswasser und trinkt die entstandene Suspension direkt nach dem Umrühren. Obwohl sie bis zu 24 Stunden stabil ist, empfiehlt es sich, die Suspension unmittelbar nach der Zubereitung einzunehmen.

Der beste Einnahmezeitpunkt ist abends vor dem Zubettgehen, da der Körper Strontium nur sehr langsam aufnimmt. So kann der Wirkstoff die ganze Nacht über resorbiert werden. Außerdem liegt dann üblicherweise die letzte Mahlzeit mindestens zwei Stunden zurück, denn Calcium (zum Beispiel aus Milch und Milchprodukten oder calciumhaltigen Arzneimitteln) verringert die Aufnahme des Strontiums um 60 bis 70 Prozent. 

Häufig kommt es während der Therapie zu Kopfschmerzen, Übelkeit und Durchfall. Sehr seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkungen sind das Hypersensitivitätssyndrom (= DRESS: Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms, Arzneimittelexanthem mit Eosinophilie und systemischen Symptomen) sowie das Stevens-Johnson-Syndrom (fieberhafte allergische Hauterkrankung). Patienten, die Strontiumranelat einnehmen, sollten das Risiko dieser lebensbedrohlichen immunologischen Reaktionen kennen. Wenn sie Hautausschläge beobachten, müssen diese Patienten das Arzneimittel unverzüglich absetzen und ihren Arzt informieren.

Wie andere zweiwertige Ionen bildet auch das Strontium-Ion mit Chinolonen wie Ciprofloxacin und mit Tetracyclinen wie Doxycyclin unlösliche Komplexe. Während der Behandlung mit diesen Antibiotika sollten betroffene Patienten die Einnahme des Strontiumranelats unterbrechen. 

Strontiumranelat kann auch mit Aluminium- oder Magnesiumhydroxid unlösliche Komplexe bilden. Deshalb erfolgt die Einnahme dieser Antacida am besten zwei Stunden vor der Strontiumgabe.

Zwei Fragen stellen

Schwere Nebenwirkungen und Interaktionen mit Nahrungsbestandteilen oder Arzneimitteln erfordern eine gründliche Beratung in der Apotheke. PTA und Apotheker sollten dazu den Patienten treffende Fragen stellen, denn wer richtig fragt, erhält schnell alle wichtigen Informationen. Mit nur zwei Fragen können Sie mögliche Interaktionen und wichtige Kontraindikationen effektiv klären.

»Welche weiteren Arzneimittel nehmen Sie ein?« Mit dieser Frage können PTA und Apotheker Wechselwirkungen zwischen dem neu verordneten und bereits seit längerem verschriebenen Medikamenten erkennen. Ist ein elektronisches Kundenkonto mit der kompletten Medikation des Patienten vorhanden, erübrigt sich die Frage. 

»Was muss ich über Ihren Gesundheitszustand wissen, damit ich Sie optimal beraten kann?« Die zweite Frage klärt, ob besondere Kontraindikationen oder Gegebenheiten vorhanden sind. Als Gegenanzeigen für Strontium gelten Schwangerschaft, Stillzeit und eine schwere Niereninsuffizienz. Außerdem dürfen Patientinnen mit erhöhtem Risiko für venöse Thromboembolien das Arzneimittel nur mit besonderer Vorsicht anwenden. Die zweite Frage ermuntert Patientinnen, PTA oder Apotheker wichtige Informationen für die umfassende Beratung mitzuteilen, zum Beispiel ob eine Operation bevorsteht, ob sie schwanger sind oder stillen, ob sie nierenkrank sind, unter Allergien leiden oder bestimmte Inhaltsstoffe nicht vertragen. 

So enthält Protelos® die Phenylalaninquelle Aspartam, das Patienten mit einer Phenylketonurie nicht einnehmen dürfen. Diese Erkrankung ist aber so selten, dass es keinen Sinn macht, jeden Anwender pauschal darüber aufzuklären. Erfahren PTA oder Apotheker, dass die Patientin unter Phenylketonurie leidet, könnten sie diese über den Süßstoffgehalt des Arzneimittels informieren.

Damit Patienten die wichtigsten Informationen für die fehlerfreie Anwendung ihres Arzneimittels in kurzer und verständlicher Form erhalten, eignet sich das Beratungstrio nach Laven®. Es enthält Hinweise zur Dosierung, zur Einnahmedauer beziehungsweise zur Dauer bis zum Einsetzen der Wirkung des Medikamentes und eine dritte, jeweils arzneimittelspezifische Information. Für den dritten Hinweis wählt der Beratende anhand seines pharmazeutischen Wissens eine für diesen Patienten besonders wichtige Information aus (siehe Kasten).

Beratungstrio I

Beratungstrio nach Laven Empfehlungen für Patienten, die Protelos einnehmen
1. Dosierung »Nehmen Sie abends direkt vor dem Zubettgehen den Inhalt eines Portionsbeutels in einem großen Glas Leitungswasser ein. Das Abendessen und auch die Einnahme von calciumhaltigen Lebens- oder Arzneimitteln sollten mindestens zwei Stunden zurückliegen.«
2. Dauer der Anwendung »Protelos werden Sie wahrscheinlich über längere Zeit einnehmen.«
3. Arzneimittelspezifische Information »Ganz selten kommt es bei der Einnahme von Protelos zu einem Hautausschlag. Tritt dieser auf, dürfen Sie keinen weiteren Beutel mehr einnehmen, sondern müssen unverzüglich einen Arzt aufsuchen.«

Fluorid als Kautablette

Der Dachverband Osteologie vergibt den Fluoriden den Empfehlungsgrad B, weil sie Wirbelkörperfrakturen bei postmenopausalen Frauen mit einer Osteoporose vermindern. In der DVO-Leitlinie 2009, die im Oktober erschienen ist, spielt Fluorid als Therapeutikum in der Empfehlung eine untergeordnete Rolle. Weil die periphere Fraktursenkung nicht ausreichend belegt ist, verwenden es die Ärzte als Reservetherapeutikum, wenn andere Medikamente wie Bisphosphonate oder Strontium nicht wirken oder schwere Nebenwirkungen verursachen. 

Die gebräuchliche Tagesdosis beträgt 10 bis 25 mg Fluorid als Natriumfluorid oder Dinatriumfluorophosphat. Je nach Präparat muss die Patientin zwei bis drei Tabletten über den Tag verteilt einnehmen.

Natriumfluorid (wie Natriumfluorid 25 Baer® magensaftresistent) sollte nicht mit zwei- und dreiwertigen Ionen wie Calcium, Magnesium oder Aluminium kombiniert werden. Auch zu mineralstoffreichen, vor allem calciumreichen Mahlzeiten müssen die Patienten einen mindestens zweistündigen Abstand einhalten. 

Bei der Einnahme von Dinatriumfluorophosphat ist dieser Abstand nicht nötig. Hier gibt es sogar Kombinationspräparate mit Calcium (Tridin®), für die der Hersteller die Einnahme zum Essen wegen des gleichmäßigeren Anflutens des Fluorids empfiehlt. Schluckt der Patient allerdings ein Antacidum auf der Basis von Magnesium oder Aluminium, sollte er einen Abstand von zwei Stunden zur Einnahme von Dinatriumfluorophosphat einhalten. Hinweise für die Beratung der Patienten siehe auch Kasten.

Beratungstrio II

Beratungstrio nach Laven Empfehlungen für Patienten, die Kautabletten mit Dinatriumfluorophosphat und Calcium (Tridin) einnehmen
1. Dosierung »Kauen Sie dreimal täglich, am besten jeweils zu einer Mahlzeit, eine Kautablette gründlich und trinken Sie anschließend, dass Sie alles gut hinunterschlucken können.«
2. Dauer der Anwendung »Tridin wird im Allgemeinen über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren eingenommen.«
3. Arzneimittelspezifische Information »Wenn Sie Schmerzen im Knie oder Sprunggelenk bekommen sollten, sprechen Sie bitte Ihren Arzt an. Diese Schmerzen sind allerdings sehr selten.«

Nach mehrmonatiger Einnahme von Fluoriden können Schmerzen und Schwellungen in den Knien oder Sprunggelenken auftreten. Dann ordnet der Arzt eine mehrwöchige Therapiepause an, in der sich die Beschwerden im Allgemeinen zurückbilden. Anschließend führt er die Behandlung als Intervalltherapie oder mit einer geringeren Dosis fort. 

In seltenen Fällen verursachen Fluoride gastrointestinale Beschwerden. Insbesondere magensaftresistente Präparate darf der Patient nicht zerkauen und nicht zusammen mit Antacida einnehmen. Auch hier gilt: Ein großes Glas Wasser, also mindestens 0,2 Liter, verbessert die Verträglichkeit.