Süß und lecker |
24.10.2009 12:19 Uhr |
Süß und lecker
von Ursula Sellerberg
Vielen Menschen fällt es schwer, den Verlockungen von Kuchen, Schokolade, Pralinen und anderen Leckereien zu widerstehen. Bereits das erste Nahrungsmittel im Leben eines Menschen, die Muttermilch, schmeckt süß.
Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Zucker aus Zuckerrohr gewonnen und aus Süd-, Mittelamerika oder der Karibik nach Europa importiert. Damit war er ein Luxusgut und extrem teuer. Der Siegeszug des Zuckers in Deutschland begann erst im Jahr 1802, nachdem es dem Naturwissenschaftler Franz Carl Achard gelungen war, ihn aus Zuckerrüben zu gewinnen. Heute verbraucht jeder Bundesbürger etwa 35 Kilogramm Zucker pro Jahr.
Haushaltszucker
Kristalliner, weißer Zucker ist ein hoch gereinigtes Lebensmittel und bei trockener Lagerung fast unbegrenzt haltbar. 100 Gramm Rübenzucker liefern 405 Kilokalorien (kcal). Dennoch sprechen die Ernährungsexperten von »leeren Kalorien«, da er kaum noch Vitamine, Mineralstoffe oder die Aminosäuren der Zuckerrübe enthält.
Haushaltszucker, auch Kristall- oder Raffinadezucker genannt, besteht zu 99,9 Prozent aus Saccharose. Sie gehört wie alle anderen Zuckerarten zur Gruppe der Kohlenhydrate. Chemisch ist Saccharose ein Disaccharid, also ein Zweifachzucker aus je einem Molekül Trauben- und Fruchtzucker. Saccharose ist vor allem enthalten in Zuckerrüben, Zuckerrohr, Zuckerahorn, Zuckerpalme und Zuckerhirse. Pharmazeutisch wird Saccharose als Geschmackskorrigens verwendet und Expektorantien zugesetzt. In hohen Konzentrationen hemmt sie durch ihre osmotische Wirkung das Keimwachstum, was Sirupe und Marmeladen lange haltbar macht.
Brauner Rohzucker wird ebenfalls aus Zuckerrüben gewonnen, er ist aber nicht so stark gereinigt, so dass ihm noch Melassereste aus dem Herstellungsprozess anhaften. Sie färben den Zucker dunkel und verleihen ihm einen leicht karamellartigen Geschmack. Brauner Zucker ist weder zahnfreundlicher noch gesünder. Er enthält kaum mehr Mineralien oder Vitamine als weißer Zucker.
Süßen kann man Speisen auch mit verschiedenen Sirupen. Zuckerrüben- und Ahornsirup bestehen etwa zu zwei Dritteln aus Saccharose, enthalten weiterhin Wasser, aber auch Spuren von Eiweiß und Mineralien wie Eisen und Magnesium. Zuckerrübensirup, im Rheinland als Rübenkraut im Handel, ist der reine und konzentrierte Presssaft aus Zuckerrübenschnitzeln. Der Presssaft ist braun eingefärbt und hat ein typisches Aroma. Er wird als Brotaufstrich gegessen oder in Bratensaucen gerührt und bildet die Grundlage manches Hustensafts. Eine kanadische Spezialität ist der Ahornsirup. Ihn gewannen schon die Indianer durch das Anbohren von Ahornbäumen. Je dunkler der Sirup ist, desto höher ist sein Zuckeranteil. Agaven- und Fruchtdicksäfte enthalten dagegen fast ausschließlich Fructose. Wegen ihres Eigengeschmacks kommen diese Sirupe selten zum Einsatz.
Kein Vitamin- und Calciumräuber
Das Vorurteil ist schon lange nicht mehr haltbar, dass Haushaltszucker ein Vitamin- und Calciumräuber sei. Diese Aussage geht auf ein Experiment mit Kaninchen aus dem Jahr 1926 zurück: Nach einseitiger Fütterung mit Zucker verloren die Knochen der Tiere an Stabilität. Heute geht man davon aus, dass bei diesem Tierversuch ein Mangel an Vitamin D für die Knochenveränderungen verantwortlich war. Vitamin D wurde erst fünf Jahre nach dem Experiment entdeckt. Auch der »Vitaminraub« ist widerlegt: Damit der Mensch Saccharose verstoffwechseln kann, braucht er unter anderem Vitamin B1 (Thiamin). Dieses Vitamin kann der Körper aber regenerieren, so dass es ihm nicht »geraubt« werden kann.
Honig
Mit 1,4 Kilogramm pro Person verbrauchen die Deutschen mehr Honig als jede andere Nation. Im Handel sind über hundert Honigsorten, die sich in Geschmack, Farbe und Konsistenz unterscheiden. Helle Sorten schmecken meist milder als dunklere, flüssige sind noch nicht kandiert. Der Honig wird rasch fest, wenn Trauben- und Fruchtzucker im gleichen Verhältnis vorkommen, zum Beispiel beim Rapshonig. Langsamer kristallisiert dagegen Tannenhonig mit einem höheren Anteil an Fruchtzucker. Innerhalb einiger Monate wird auch dieser fest, was der Qualität allerdings nicht schadet. Kandierter Honig wird wieder weich, wenn man ihn im Wasserbad auf etwa 40°C erwärmt.
Honig enthält etwa 200 Inhaltsstoffe: hauptsächlich jedoch Invertzucker, ein Gemisch aus Trauben- und Fruchtzucker, sowie Wasser. Die Eiweiße (0,4 Gramm je 100 Gramm) im Honig können Allergien auslösen oder die Symptome einer Pollenallergie verstärken. Gefiltertem Honig wurden die Pollen entzogen. Organische Säuren, Enzyme, Mineralstoffe und Vitamine sind nur in sehr geringen Mengen enthalten, zum Beispiel 0,2 Gramm Mineralstoffe in 100 Gramm. Wegen seiner antioxidativen Wirkung stufen einige Experten Honig als funktionelles Lebensmittel ein. Honig klebt sehr an den Zähnen. Deshalb der Rat: Nach einem Honigbrot ist Zähneputzen besonders wichtig.
Säuglinge dürfen im ersten Lebensjahr keinen Honig essen, auch nicht in ganz kleinen Mengen, denn Honig kann Sporen von Botulismus-Bakterien enthalten. Diese Bakterien können sich im Darm einnisten und Toxine bilden, die den Darm lähmen. Wenn ein Baby an Botulismus erkrankt, entwickelt es zunächst eine hartnäckige Verstopfung, später treten Lähmungen auf beim Schlucken, in den Extremitäten und schließlich beim Atmen. Bei älteren Kindern und Erwachsenen gelingt es den Bakterien nicht mehr, den Darm zu besiedeln. Wahrscheinlich weil die bestehende Darmflora sie verdrängt.
Inulin
Inulin ist ein Gemisch verschieden langer Polysaccharidketten mit einem Glucosemolekül am Kettenende. Bis zu 100 Fructosemoleküle hängen hintereinander. Inulin kommt als Reservestoff in einigen Pflanzenarten vor, zum Beispiel in der Familie der Korbblütler wie der Artischocke oder dem Chicorée. Inulin wird im Dünndarm nicht resorbiert und wirkt daher wie ein Ballaststoff. Molkereien mischen Bruchstücke des Inulins, sogenannnte Fructooligosaccharide, als Prebiotika in Milchprodukte. Sie schmecken leicht süß, vermitteln ein sahniges Gefühl auf der Zunge und sollen das Wachstum der Darmbakterien fördern.
Lactose
Milchzucker (Lactose) wird aus Molke gewonnen, die bei der Herstellung von Quark und Käse aus Milch übrig bleibt. Lactose ist ebenfalls ein Zweifachzucker, allerdings aus den Molekülen Glucose und Galactose. Menschen mit chronischer Verstopfung können bis zu 2 Esslöffel Milchzucker zu einer Mahlzeit (zum Beispiel Edelweiss® Milchzucker) einnehmen. Das milde Abführmittel regt die Verdauung an, ohne eine Gewöhnung hervorzurufen. Es eignet sich für Säuglinge, Schwangere und Senioren.
Rund jeder siebte Deutsche leidet allerdings unter einer Lactose-Unverträglichkeit. Betroffene können den Milchzucker im Dünndarm nicht aufspalten, weil ihnen das Enzym Lactase fehlt. Wenn dann Dickdarmbakterien die nicht resorbierte Lactose vergären, quälen Blähungen und Durchfall die Betroffenen. In der Regel vertragen die meisten dennoch geringe Mengen Lactose. Wer gerne mehr Milchprodukte essen möchte, kann entweder milchzuckerfreie Milchprodukte aus dem Spezialsortiment der Supermärkte kaufen oder das Enzym Lactase als Arzneimittel (wie Lactrase®, Laluk®, Kerutabs®) substituieren.
Fruchtzucker
Der Einfachzucker Fruchtzucker (Fructose) kommt in Obst vor. Er hat fast den gleichen Energiegehalt wie Kristallzucker, also 400 kcal pro 100 Gramm, schmeckt aber deutlich süßer. Diabetiker nutzen ihn als Zuckeraustauschstoff, weil er den Blutzuckerspiegel langsamer erhöht als Haushaltszucker. Daher findet sich der Hinweis »für Diabetiker geeignet« auf Lebensmitteln, die mit Fructose gesüßt sind. Diabetiker sollen pro Tag nicht mehr als 60 Gramm Fruchtzucker zu sich nehmen, denn ein zu hoher Konsum fördert Übergewicht. Der Körper kann Fructose – anders als Glucose – nicht speichern. Deshalb wandelt die Leber zu große Mengen an Fructose direkt in Fett um. Diabetiker sollten den Fruchtzuckergehalt von Nahrungsmitteln kennen, denn er schwankt erheblich. Beispielweise enthält ein Glas Apfelsaft rund 13 Gramm, Orangensaft 5 Gramm Fructose.
Manche Menschen resorbieren die Fructose im Dünndarm nicht oder kaum und reagieren darauf mit Durchfällen und Koliken. Ein Atemtest kann eine solche Unverträglichkeit oder Malabsorption aufdecken. Betroffene sollten Obst, Säfte und Süßwaren nur in kleinen Mengen zu sich nehmen. Im Unterschied dazu tritt die hereditäre Fructose-Intoleranz nach dem Abstillen der Säuglinge auf. Ihr liegt ein Enzymdefekt in der Leber, Niere und Dünndarmschleimhaut zugrunde. Die Babys reagieren mit Erbrechen, Durchfall, Hypoglykämie, Gerinnungsstörungen und Schock. Diese Kinder vertragen Lactose, dürfen aber lebenslang weder Fructose, noch Saccharose, Inulin, Sorbit, Honig oder daraus hergestellte oder damit gesüßte Lebensmittel essen.
Zuckeraustauschstoffe
Zuckeraustauschstoffe beeinflussen den Blutzuckerspiegel eines Menschen nicht oder kaum. Daher können Diabetiker Zuckeraustauschstoffe essen, ohne Blutzuckerspitzen zu riskieren. Neben Fructose sind die Zuckeralkohole Sorbit, Xylit und Mannit bekannte Zuckeraustauschstoffe. In Früchten und Gemüse kommen sie nur in geringer Menge vor, daher synthetisiert sie die Lebensmittelindustrie aus anderen Zuckern. Ihr Brennwert beträgt 236 kcal pro 100 Gramm. Diabetiker müssen zudem einkalkulieren, dass 12 Gramm davon 1 Broteinheit liefern. Zuckeralkohole verursachen keine Karies, Xylit hemmt sogar die Kariesbildung. Deshalb ist Xylit vielen zahnschonenden Kaugummis zugesetzt. Weil Zuckeraustauschstoffe die Darmtätigkeit anregen, verursachen sie bei empfindlichen Menschen, vor allem Kindern, Blähungen und Durchfall. Wer regelmäßig Zuckeralkohole isst, gewöhnt seinen Darm meist daran.
Süßstoffe
Süßstoffe sind kalorienarm oder -frei. Sie schmecken 30- bis 3000-fach süßer als Zucker, weshalb bereits winzige Mengen zum Süßen ausreichen. Den Blutzuckerspiegel beeinflussen sie gar nicht und fördern auch keine Karies. Süßstoffe sind Acesulfam, Aspartam, Cyclamat, Neohesperidin, Saccharin, Sucralose und Thaumatin. Weil allen Süßstoffen das Volumen und Bindevermögen von Zuckern fehlen, lässt sich in vielen Backrezepten Zucker nicht einfach durch einen Süßstoff ersetzen. Besser backt man Kuchen nach speziellen Rezepten.
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, Süßstoffe würden Krebs auslösen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält eine Skepsis der Verbraucher gegenüber Süßstoffen auf der Basis der zurzeit verfügbaren Daten für unbegründet. Die Weltgesundheitsorganisation hat Höchstmengen pro Tag festgelegt, die risikolos über Jahre hinweg verzehrt werden dürfen (ADI-Werte = acceptable daily in take). Die Grenzwerte sind zum Beispiel im Internet zu finden unter www.suessstoffverband.de/gesundheit/adi_wert_richtwerte .
Ob Süßstoffe dick machen, ist umstritten. Wer Zucker durch Süßstoffe ersetzt, spart sicher Kalorien ein. Wissenschaftler diskutierten aber, ob der süße Geschmack ein Verlangen nach mehr Kalorien erzeugt. Dazu wurde im Jahr 2008 ein Tierexperiment veröffentlicht: Ratten wurden regelmäßig mit Joghurt gefüttert, der entweder mit Traubenzucker oder mit Saccharin gesüßt war. Zusätzlich konnten die Ratten andere Nahrungsmittel fressen. Die Süßstoff-Ratten fraßen deutlich kalorienreicher und nahmen mit der Zeit mehr Gewicht zu als die anderen Ratten. Die Studienleiter vermuten, dass die Ratten Heißhungerattacken entwickelten, weil ihnen trotz des süßen Geschmacks des Joghurts Kalorien fehlten. Fazit: Wasser oder ungesüßter Tee sind immer noch die beste Alternative.
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