PTA-Forum online
Windeldermatitis

Angriff auf Babys Po

23.09.2011  12:57 Uhr

Von Ursula Sellerberg / Ein Säugling stellt den Haushalt junger Eltern meist völlig auf den Kopf und bringt ihren gewohnten Lebensrhythmus durcheinander. Praktische Wegwerfwindeln nehmen den Müttern heute Arbeit ab, die früher viele Frauen noch zusätzlich bewältigen mussten. Der Nachteil: Wechseln die Eltern die Windeln zu selten, kann sich eine Windeldermatitis entwickeln.

Fast jeder Säugling leidet mindestens einmal unter einer leichten Form der Windeldermatitis, meist zwischen dem neunten und zwölften Lebensmonat. Dann färbt sich die Haut am Po des Babys rot und schwillt an, hinzu kommen Bläschen, Blasen und Papeln. Der Ausschlag kann sich über den Windelbereich hinaus auf den Unterbauch und die Oberschenkel ausdehnen. Bei etwa jedem vierten Baby kehrt die Hauterkrankung regelmäßig wieder. Wird sie chronisch, schuppen oft ganze Hautbereiche.

Hautreizender Ammoniak

Die Gefahr der Windeldermatitis wächst, wenn das Baby zu lange in einer feuchten Windel liegt. Da außerdem die Beinbündchen und der Hosenbund dicht abschließen, entsteht ein feucht-warmes Klima. Die Okklusion verhindert, dass Schweiß verdunsten kann. Schließlich quillt die Hornschicht der Haut, sie weicht auf und wird verletzlich. Urin reizt die zarte Kinderhaut, denn als Abbauprodukt des Harnstoffs entsteht Ammoniak (NH3), der den Säureschutzmantel der Haut angreift. Auch die Verdauungsenzyme des Kots wie Proteasen und Lipasen irritieren die Haut. Urin und Kot verstärken sich in ihrer Wirkung: Der Ammoniak erhöht den pH-Wert im Stuhl, wodurch wiederum die Enzyme aktiviert werden. Deshalb zählen Mediziner die Windeldermatitis zu den akuten ­irritativ-toxischen Kontaktekzemen.

Nicht nur zu seltenes Windelwechseln, auch verschiedene Krankheiten erhöhen das Risiko für eine Windeldermatitis. Dazu gehören in erster Linie Durchfall, aber auch Allergien, Abwehrschwäche oder Mukoviszidose. Leidet ein Baby wiederholt an Windeldermatitis oder bessert sich der Hautzustand trotz aller Gegenmaßnahmen nicht, sollten die Eltern den Kinderarzt aufsuchen. Der Facharzt kann außerdem differentialdiagnostisch die Windeldermatitis von einer Kontaktallergie, Neurodermitis, Schuppenflechte, dem seborrhoischen Ekzem und anderen seltenen Dermatosen abgrenzen.

Achtung: saure Obstsäfte

Da auch die Ernährung eine Rolle spielt, empfehlen Experten, Babys möglichst lange zu stillen. Dabei sollten die Mütter vorsichtshalber keine Zitrusfrüchte essen und saure Obstsäfte trinken. Auch auf scharfe Gewürze sollten sie verzichten, denn diese machen den Stuhl des Säuglings für die Babyhaut aggressiver. Ansonsten können sie essen, was ihnen schmeckt.

Die entzündeten Hautstellen bieten stets eine Basis für zusätzliche Infektionen, denn Mikroorganismen vermehren sich im feucht-warmen Windelklima besonders gut. Da viele Erreger zur Normalflora der Haut oder des Darms gehören, lässt sich deren Ausbreitung auch mit der besten Hygiene kaum verhindern.

Superinfektion möglich

Einen Befall mit dem Hefepilz Candida albicans bezeichnen Mediziner als Windelsoor. Er unterscheidet sich von der großflächigen Windeldermatitis durch scharf abgegrenzte, nässende und gerötete Herde in der Gesäßfalte und im Genitalbereich. Ein weißer Saum grenzt die Soorherde zur gesunden Haut hin ab. Außerdem bilden sich im Randbereich teilweise stecknadelkopfgroße Papulopusteln, die sogenannten Satellitenpapeln.

Seltener als ein Befall mit Candida ist die Superinfektion durch Bakterien, vor allem durch Staphylococcus aureus. Bei schweren Verläufen entstehen offene, blutende Wunden. Bei der sogenannten Impetigo breiten sich die Staphylokokken auf den Extremitäten und dem Gesicht aus.

Windeln häufig wechseln

Leichte Formen der Windeldermatitis bekommen Eltern meist mit einfachen Mitteln in den Griff: Sie müssen zunächst versuchen, alle Auslöser zu beseitigen, also das feucht-warme Klima und die mechanische Reibung, indem sie am besten luftdurch­lässige Wegwerfwindeln verwenden. Das Baby sollte möglichst oft, also mindestens sechsmal am Tag gewindelt werden, vor allem direkt nach jedem Stuhlgang. Optimal ist, wenn das Baby ein- bis zweimal täglich eine Stunde lang ganz ohne Windel auf einer Krabbeldecke strampeln kann.

Die ABCDE-Regel

Eine Merkhilfe gegen Windelderma-titis, die ursprünglich aus dem englischen Sprachraum stammt:

Air (Luft): Eltern sollten ihre Babys zumindest stundenweise ohne Windel strampeln lassen.

Barriers (Barriere): Auf entzündeter Haut kann eine Zinkzubereitung als Barriere dienen, unter der die Haut abheilen kann.

Cleansing (Reinigung): Direkt nach dem Stuhlgang den Po sorgfältig reinigen und mindestens alle vier Stunden die Windel wechseln.

Diapers (Windeln): Möglichst nur stark saugfähige Windeln verwenden, denn sie absorbieren den Urin so gut, dass ihre Oberfläche trocken bleibt.

Education (Schulung): Die Eltern sollten möglichst viel über die Ursachen der Hauterkrankung sowie über deren Vermeidung wissen.

Die akut entzündete Haut sollten die Eltern nur sehr vorsichtig reinigen. Nach dem Stuhlgang dazu Einmaltücher oder einen frischen, kochbaren Waschlappen, viel lauwarmes Wasser und einen Spritzer reines Olivenöl verwenden. Praktisch ist, sich für den Wickeltisch einen Seifenspender mit Olivenöl zu füllen. Seifen zerstören den Säureschutzmantel, deshalb sollten Eltern sie grundsätzlich nicht verwenden. Nach dem Waschen den Po nur behutsam trocken tupfen, nicht reiben, eventuell vorsichtig trocken föhnen.

Für unterwegs sind Reinigungsöltücher zwar praktisch. Sie dürfen aber bei Windeldermatitis weder Alkohol noch Parfüm oder Konservierungsmittel enthalten, denn alle Zusätze können die Haut reizen oder allergische Ekzeme verursachen.

Auf Puder verzichten

Gegen nässende Haut verwenden viele Eltern Puder, der die Feuchtigkeit aufsaugen soll. Das ist falsch! Puder verklumpen mit dem Wundsekret. Talkumhaltige Puder können sogar die Gesundheit gefährden: Atmet das Baby den Puder ein, quillt er in den Bronchien auf und verengt die Atemwege, sodass sich eine chronische Lungenentzündung entwickeln kann. Deshalb warnte das Bundesinstitut für Risikobewertung im Juni 2011 vor dem Gebrauch von talkumhaltigen Babypudern.

Gerbstoffe und Kamille

Als richtige Behandlung für nässende Hautstellen haben sich Bäder oder Umschläge beispielsweise mit schwarzem Tee, Zubereitungen aus Eichenrinde oder mit synthetischen Gerbstoffen bewährt. Sie wirken adstringierend und austrocknend. Bäder mit Kamillenextrakten hemmen Entzündungen, wobei verdünnte ethanolische Extrakte dem Teeaufguss deutlich überlegen sind.

Um die Barrierefunktion der Haut wiederherzustellen, sollten die Eltern nach dem Bad ein Pflegepräparat auftragen. Weiche Zinkpaste oder Dexpanthenol-haltige Zubereitungen sind dazu ideal geeignet. W/O-Emulsionen und Schäume können noch Feuchtigkeit aufnehmen, und ihr Fettanteil schützt die Haut, sodass Urin ihr nicht schaden kann. Ungeeignet sind hingegen hydrophobe Salben oder Lipogele, also auch Melkfett oder Vaseline, weil sie einen Film auf der Haut bilden und den Mazerationseffekt verstärken. Ebenfalls nicht geeignet sind O/W-Grundlagen, da der Urin die äußere wässrige Phase verdünnen und die Creme zu schnell abtragen würde.

Arzneistoffe bei Komplikationen

Wenn die Windeldermatitis nicht abheilt oder sich sogar verschlimmert, sind lokal anzuwendende Arzneimittel unumgänglich. Verursachen Pilze das Problem, helfen Präparate mit den Wirkstoffen Clotrimazol (wie in Canesten®), Econazol (in Epi Pevaryl®) oder Miconazol (wie in Daktar®). Ist das Baby noch keine zwei Jahre alt, dürfen die Eltern eines dieser drei »Azole« allerdings nur auf ärztliche Verschreibung hin anwenden. Präparate mit dem rezeptfrei erhältlichen Antimykotikum Nystatin können sie hingegen bis zu fünfmal täglich auf die erkrankten Hautstellen auftragen. Die Behandlung dauert meist zwei bis vier Wochen. Hat sich der Hautzustand normalisiert, sollte Nystatin noch einige Tage länger angewendet werden, um die Gefahr von Rezidiven zu vermindern. Auch hier sind wegen des Okklusioneffektes fettende Salben ungeeignet. Wenn der Arzt vermutet, dass der Soor auch Mund und Magen-Darm-Trakt befallen hat, verordnet er zusätzlich eine Nystatin-Suspension oder Amphotericin B zur inneren Anwendung.

Auch bei bakteriellen Infektionen muss das Baby Antibiotika einnehmen. Wegen der hohen Sensibilisierungsgefahr werden Antibiotika heute jedoch nur noch sehr ­selten äußerlich angewendet.

Vorsicht mit Glucocorticoiden

Gegen stark entzündete Haut haben sich zwar Glucocorticoide sehr gut bewährt, doch diese Therapieoption bleibt allein dem Arzt vorbehalten. Ohne Rücksprache mit dem Arzt dürfen Eltern einem Kind ­unter 6 Jahren noch nicht einmal eine Zubereitung mit dem schwach wirksamen ­rezeptfreien Hydrocortison auftragen. ­Besondere Vorsicht gilt zudem bei der ­Anwendung von Glucocorticoiden im ­Genitalbereich, weil die Haut an diesen Stellen dünner ist als an Armen oder Beinen. Hinzu kommt, dass der Okklusions­effekt unter der Windel die Resorption ­erheblich steigern würde. /

E-Mail-Adresse der Verfasserin

sellerberg(at)yahoo.de