Geht der Knorpel, kommt der Schmerz |
23.09.2011 13:00 Uhr |
Von Marion Hofmann-Aßmus / Arthrose ist nicht heilbar. Daher hat die Behandlung nur das Ziel, Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit zu erhalten. PTA und Apotheker können Betroffenen zu Medikamenten und physikalischen Maßnahmen raten. Recht wirkungsvoll bei Übergewichtigen ist die Gewichtsreduktion.
Selbstheilungskräfte aus dem Blut Privatdozent Dr. Mark Tauber von der ATOS Klinik in München favorisiert die Behandlung mit autologem conditioniertem Plasma (ACP). Dabei stimulieren verschiedene Faktoren im Blut die Heilung. »Insbesondere die Aktivierung schlummernder Stammzellen im Blut bewirken Regenerierungsprozesse im Gewebe«, erklärt Tauber. Dem Patienten entnimmt der Arzt dazu lediglich 10 Milliliter Blut aus der Armvene. Das Blut wird anschließend in eine spezielle Doppellumenspritze gegeben und zentrifugiert. Dabei zerplatzen die Blutplättchen und setzen Wachstumsfaktoren, entzündungshemmende Faktoren sowie hormonähnliche Substanzen frei. Diese werden isoliert und als »aktiviertes Plasma« reinjiziert. Nach etwa 2 bis 3 Wochen verringern sich die Schmerzen, und die Beweglichkeit nimmt zu«, berichtet der Orthopäde. Leider besteht auch hier ein Nachteil: Für fortgeschrittene Arthrose ist die Methode nicht geeignet.
Als Arthrose (Arthrosis deformans) bezeichnen Mediziner die schmerzhafte Veränderung eines Gelenkes. Im Gegensatz zur Arthritis liegt der Arthrose keine Entzündung als Auslöser zugrunde, sondern ein Trauma oder die chronische Abnutzung des Gelenkes. Infolge degeneriert der Knorpel zwischen den Gelenkköpfen immer stärker. Im Verlauf dieses Abbauprozesses nehmen schließlich weitere Gewebe Schaden wie die Gelenkkapseln, Bänder oder angrenzenden Knochen.
Lassen die arthrosebedingten Schmerzen im Alltag nicht mehr nach, können sie durch Spritzen ins Gelenk gelindert werden.
Fotos (v. l.): Klosterfrau Gesundheitsservice,
Fotolia/Marcel A. Hasübert
Eine Arthrose beginnt schleichend und schreitet langsam fort. Phasenweise können dabei auch Entzündungen (aktivierte Arthrosen) auftreten, die rheumatischen Schüben gleichen. Am häufigsten diagnostizieren Ärzte eine Arthrose der Kniegelenke (Gonarthrose), gefolgt von Arthrosen in den Hüft- (Koxarthrose), Hand-, Schulter- und Fußgelenken. Bei vielen Patienten sind gleichzeitg mehrere Gelenke betroffen.
Anfangs bemerken die Betroffenen meist nur unspezifische Symptome, zum Beispiel fühlt sich das Gelenk steif und unbeweglich an. Mit der Zeit stellen sich sogenannte Anlaufschmerzen ein. Das heißt, morgens nach dem Aufstehen schmerzt das Gelenk sehr stark, doch nach einer gewissen Zeit und etwas Bewegung lassen die Schmerzen langsam nach. Mit den Jahren werden die Schmerzen bei Belastung immer heftiger. Im späten Verlauf der Erkrankung spüren die Menschen sogar Schmerzen, wenn sie sich völlig ruhig verhalten oder nachts im Bett liegen.
Je mehr die Erkrankung fortschreitet, umso stärker ist die Lebensqualität der Betroffenen herabgesetzt: Schmerzen, Steifigkeit und zunehmender Funktionsverlust führen schließlich sogar dazu, dass einige Patienten ihre Wohnung nicht mehr verlassen und sich komplett aus ihrem sozialen Umfeld zurückziehen.
Typisches Altersgebrechen
In Deutschland leiden schätzungsweise fünf Millionen Frauen und Männer unter Beschwerden durch eine Arthrose. Da die Erkrankung hauptsächlich durch die Abnutzung der Gelenke entsteht, sind insbesondere ältere Menschen betroffen. So liegt die Häufigkeit unter den 20-Jährigen bei lediglich 9 Prozent, steigt bei den 34-Jährigen auf 17 Prozent und trifft schließlich im Alter fast jeden: 90 Prozent der 65-Jährigen sind Arthrose-Patienten. Epidemiologen stellten außerdem fest, dass ab einem Lebensalter von 55 Jahren mehr Frauen als Männer an Arthrose erkrankt sind. Daher vermuten Mediziner, dass es einen Zusammenhang zur Hormonumstellung in den Wechseljahre gibt.
Vielfältige Auslöser
Den Ausbruch der Krankheit begünstigen aber noch eine Reihe weiterer Faktoren. Neben der genetischen Veranlagung, dem Alter und Geschlecht spielen eine verminderte Knochendichte, metabolische Störungen, angeborene Fehlstellungen im Skelett sowie daraus resultierende Abweichungen von den Symmetrieachsen des Körpers eine Rolle. Auch wer seine Gelenk ständig überlastet, erhöht sein Risiko für eine Arthrose. Daher sind Menschen, die von Berufs wegen sehr viel auf den Knien arbeiten müssen wie Teppichleger, Pflasterer oder Gärtner, besonders oft von Kniegelenksarthrosen betroffen. Häufig bildet sich ein Knorpelschaden auch infolge einer Verletzung nach einem Unfall oder Sportunfall.
Chondroprotektiva umstritten
Der menschliche Knorpel ist hervorragend geeignet, großen Druck auszuhalten. In Bezug auf die Arthrose hat er jedoch einen entscheidenden Nachteil: Er kann sich so gut wie gar nicht regenerieren. Dieses Defizit macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn der Knorpel verletzt oder chronisch überlastet wurde.
Eine Vielzahl von Chondroprotektiva (wie Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Gelatine- beziehungsweise Kollagenhydrolysat oder Methylsulfonylmethan) reklamieren für sich, dass sie den Knorpel wieder aufbauen können. Außerdem sollen sie weitere degenerative Veränderungen aufhalten und antiinflammatorisch wirken. Unter Fachleuten ist jedoch umstritten, ob die Substanzen diese Ansprüche wirklich erfüllen können. In Studien fallen die Ergebnisse oft sehr heterogen aus. Experten wie der Unfallchirurg und Orthopäde Privatdozent Dr. Peter Üeblacker vom Müller-Wohlfahrt-Zentrum für Orthopädie und Sportmedizin in München hält dagegen, dass die Präparate seiner Erfahrung nach manchen Patienten helfen können. Deshalb rät er zumindest zu einem Therapieversuch.
Solidere Daten bestehen zur Anwendung von Hyaluronsäure, dem Hauptbestandteil der Synovialflüssigkeit (Gelenkschmiere). Präparate mit einem mittleren Molekulargewicht (beispielsweise Go-on® Matrix, Hyaluron Hexal®, Ostenil®) seien laut Ueblacker gut verträglich. Die Fertigspritzen appliziert der Arzt einmal wöchentlich direkt in das erkrankte Gelenk. Nach drei bis fünf Anwendungen sowie zwei weiteren Spritzen nach sechs Wochen sowie drei Monaten hält der schmerzlindernde Effekt über sechs bis zwölf Monate an.
Auch Bewegung hilft
Unbedingt sollen die Patienten ihre Gelenke zusätzlich konservativ behandeln lassen. Neben physikalischen Maßnamen wie Massage, Wärme- oder Kälteanwendungen oder Physiotherapie kann der Arzt eine Elektro- oder Ergotherapie verordnen. Moderate Bewegung ohne übermäßige Gelenkbelastung ist ebenfalls empfehlenswert: Schwimmen und Radfahren stehen hier an erster Stelle auf der Liste der geeigneten Sportarten.
Wenn die Schmerzen unerträglich werden, erhalten die Betroffenen außerdem von ihrem Arzt ein Rezept über ein orales Analgetikum zur Schmerzbekämpfung, zum Beispiel Paracetamol, Metamizol oder sogar Opioide. Alternativ kommen nicht-steroidale Antirheumatika zum Einsatz, die noch deutlich stärker eine Entzündung hemmen können, zum Beispiel COX-2-Inhibitoren (Celecoxib in Celebrex®, Etoricoxib in Arcoxia® und Exxiv®) oder Diclofenac. Ist die Arthrose so weit fortgeschritten, dass diese Maßnahmen nicht mehr helfen, bleibt nur die Operation: Dabei wird das Gelenk versteift oder durch ein künstliches Gelenk ausgetauscht.
Pfunde drücken aufs Knie
Knorpel kann eine kurzzeitige Belastung recht gut »wegstecken«, doch auf Dauerbelastung reagiert er sehr empfindlich. Übergewicht ist für den Knorpel in den Knien kritisch, weil permament hohe Kräfte auf ihn einwirken. Gonarthrosen (GA) sind bei Übergewichtigen daher keine Seltenheit: Bereits ein leichtes Übergewicht (BMI 25,0 bis 29,9) erhöht das Risiko, eine GA zu entwickeln, um das 2,5-fache; ein BMI von 30,0 bis 34,9 lässt die Wahrscheinlichkeit um das 6,8-fache und ein BMI von über 34,9 sogar auf das 13,6-fache ansteigen.
Sportwissenschaftler Dr. Gebhart Meidinger von der Technischen Universität München erklärt, warum das so ist: »Schon ein Kilogramm Körpergewicht mehr oder weniger macht einen deutlichen Druckunterschied. Die Zunahme um ein Kilogramm Körpergewicht, bedeutet eine 4-fache Steigerung der Druckbelastung im Kniegelenk.« Umgekehrt entlastet eine Gewichtsabnahme die Gelenke deutlich: So halbierte eine Reduktion um 5,1 Kilogramm über zehn Jahre die Wahrscheinlichkeit für eine GA bei Frauen.
Liegt bereits eine Arthrose vor, hilft die Gewichtsreduktion immer noch. In einer Studie profitierten selbst stark adipöse Patienten von einer Niedrigenergie-Diät (rund 800 kcal pro Tag). Sie berichteten danach von deutlich verminderten Schmerzen in ihren Knien. /