Von der Theorie in die Praxis |
23.09.2011 12:42 Uhr |
Von Daniel Rücker / Im Frühjahr hatten Apotheker und Kassenärzte ein gemeinsames Modell zur Versorgung chronisch Kranker vorgestellt. Die Reaktionen der Politiker waren damals eher verhalten. Jetzt hat die Bundesregierung den Charme des Konzeptes erkannt und will es testen.
Manchmal muss eine gute Idee erst in den Köpfen der Angesprochenen reifen. Bei seiner Präsentation im April wurde das ABDA-KBV-Konzept zwar von den Politikern zur Kenntnis genommen, aber nicht unbedingt gefeiert. Im ersten Entwurf zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz suchte man eine Regelung zum Konzept noch vergebens. Jetzt – ein knappes halbes Jahr später – hat sich der Wind gedreht: Das gemeinsame Modell für eine sichere Arzneimittelversorgung wird doch noch Einzug in das Versorgungsstrukturgesetz halten. Die Fraktionen von Union und FDP haben einen entsprechenden Änderungsantrag verfasst. Apotheker und Ärzte bekommen so überraschend schnell die Gelegenheit, ihr bislang theoretisches Konzept in der Praxis auszuprobieren.
Was schreibt der Arzt demnächst aufs Rezept? Ein Gesetzentwurf bringt neue Ideen ins Spiel, von denen Apotheken, Praxen und Krankenkassen profitieren.
Foto: Fotolia/Rolf Richter
Sie müssen dies nicht einmal umsonst tun. Wenn die Kassen dadurch Kosten einsparen, »sollen davon auch die teilnehmenden Leistungserbringer profitieren«, heißt es in dem Antrag. Apotheker und Ärzte müssen die zusätzliche Arbeit also nicht kostenlos erbringen. Nach den Berechnungen von ABDA und KBV könnte ihr Konzept die Arzneimittelkosten der Krankenkassen um bis zu 2,8 Milliarden Euro pro Jahr senken. Das Versorgungskonzept soll außerdem die Therapietreue der Patienten und die Arzneimitteltherapiesicherheit verbessern.
Grundlage der Verordnungen ist ein Medikationskatalog, den die Vertragspartner vereinbaren sollen. Hier werden diejenigen Wirkstoffe festgelegt, die Ärzte bevorzugt verordnen sollen. Eine Positivliste ist dies aber nicht. Die Ärzte sollen, müssen aber nicht auf Katalog-Arzneimittel zurückgreifen.
Mehr Zusammenarbeit
Neben dem Medikationskatalog sind das Medikationsmanagement und die Wirkstoffverordnung weitere Kernpunkte des Konzeptes. Die Arbeitsteilung zwischen Ärzten und Apothekern sieht dabei wie folgt aus: Der Arzt stellt die Diagnose und legt Wirkstoff, Dosierung und möglicherweise die Teilbarkeit der Medikamente fest. Der Apotheker wählt danach das Arzneimittel aus, wobei er sich an dem Medikationskatalog orientiert. Zum Konzept gehört auch, dass dabei die Gesamtmedikation erfasst und dadurch mögliche Interaktionsrisiken ermittelt werden. Darüber und über die Medikation inklusive OTC-Arzneimittel sollen sich Arzt und Apotheker regelmäßig austauschen.
Ob all dies auf einen Schlag oder zuerst nur der Medikationskatalog getestet wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Das Medikationsmanagement ist vorgesehen vor allem für chronisch kranke Patienten, die mindestens fünf Arzneimittel dauerhaft einnehmen. Nach Berechnungen der ABDA sind dies immerhin fast sieben Millionen Menschen in Deutschland.
Das Bundesgesundheitsministerium begrüßt den Änderungsantrag von Union und FDP. Minister Daniel Bahr (FDP) bekräftigte bei einer Veranstaltung des Apothekerverbandes Nordrhein in Düsseldorf den Willen der Bundesregierung, das Modell zu testen. Im Detail weichen die Vorstellungen der Bundesregierung jedoch von denen der Apotheker ab. Bahr möchte das Modell zuerst nur in einer Region testen. Die Apotheker plädieren aber für mehrere Testregionen.
Fragliche Kritik
Wenig euphorisch ist dagegen die pharmazeutische Industrie. Die Regierung ebne »den Weg zur Kochbuchmedizin«, kommentierte der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) das Vorhaben von FDP- und Unionsfraktion. Der Arzt gebe seine therapeutische Freiheit aus der Hand.
Ähnlich sieht dies der Hausärzteverband, der seit einigen Jahren ein sehr angespanntes Verhältnis zu der Kassenärztlichen Bundesvereinigung pflegt. Hausärzte-Chef Ulrich Weigeldt macht kräftig Stimmung gegen das ABDA-KBV-Konzept. Weigeldt warf der KBV vor, sie gebe damit Kompetenzen ab und unterstütze ein »Apothekenfütterungsprogramm«. Ob es Weigeldt mit seiner Kritik nur um das ABDA-KBV-Konzept geht, ist fraglich. Im Spiel sind wohl auch verletzte Eitelkeiten. Seit Jahren liegen KBV und Hausärzteverband im Clinch.
Andere Ärztevertreter sehen das gemeinsame Konzept von Ärzten und Apothekern deutlich positiver. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Frank Ulrich Montgomery, hat die Pläne der Koalition ausdrücklich begrüßt. Der Medikationskatalog könne zu mehr Wirtschaftlichkeit beitragen und die Versorgungsqualität verbessern. /