Es bleibt beim Streit |
24.05.2016 10:36 Uhr |
Von Daniel Rücker / Vor gut fünf Jahren, Anfang 2011, trat das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) in Kraft. Ausgangspunkt war das Jahr 2009: Damals waren die Arzneimittelausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung um unerfreuliche 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Für die damalige Bundesregierung aus Union und FDP war es höchste Zeit zu handeln. Bis heute hat das Gesetz den Markt maßgeblich verändert.
Auch nach fünf Jahren polarisiert das AMNOG noch immer die Akteure im Gesundheitswesen. Das liegt vor allem an der frühen Nutzenbewertung. Bis 2011 durften Arzneimittelhersteller den Preis für ein neues Arzneimittel selbst festlegen. Mit dem AMNOG war damit Schluss: Wenn der Hersteller heute einen ordentlichen Preis für seine Innovation bekommen will, muss er belegen, dass diese einen zusätzlichen Nutzen gegenüber der Standard-Therapie hat. Die Krankenkassen hatten auf diese Regelung gedrängt, die Hersteller konnten sie nicht verhindern.
Durch das AMNOG konnte bislang nicht so viel Geld eingespart werden wie erhofft.
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Nach fünf Jahren stehen sich Befürworter und Gegner des AMNOG immer noch unversöhnlich gegenüber. Das wurde beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) Mitte Mai in Berlin deutlich. Für Thomas Ballast, den Vize-Vorstandsvorsitzenden der Techniker Krankenkasse (TK), hat das Gesetz sein Ziel nicht erreicht. Die Einsparungen seien geringer als erhofft, kritisierte er. Den Ärzten gibt er eine Teilschuld daran: Sie kennen die Preise und Bewertungen neuer Arzneimittel nicht, sagt Ballast. Deshalb verordneten sie zu häufig die falschen Medikamente.
Sparen mit Apotheker-Hilfe
Ballast will, dass Apotheker in Zukunft den Arzt bei der Arzneimittelauswahl unterstützen. Stellt ein Apotheker fest, dass ein Arzt ein ungeeignetes innovatives Präparat verordnet hat, dann soll der Apotheker ihm eine geeignete Alternative vorschlagen oder sich direkt mit der Krankenkasse in Verbindung setzen. So ließen sich Regresse verhindern, hofft Ballast. Der ebenfalls beim Wirtschaftsforum anwesende Bielefelder Gesundheitsökonom Professor Dr. Wolfgang Greiner hält dagegen wenig davon, die Apotheker vor den Karren der Kostenträger zu spannen. Es sei nicht ihre Aufgabe, die Wirtschaftlichkeit einer Verordnung zu überprüfen. Bei den anwesenden Apothekern stieß der Kassenfunktionär ebenfalls auf Unverständnis.
Auch bei der Industrie kommt Ballasts Vorstellung nicht gut an. Für Georg Wager, General Manager Deutschland beim Pharmahersteller Eisai, ist das AMNOG vor allem wegen der Nutzenbewertung eine Innovationsbremse. Anstelle weiterer Restriktionen fordert er für bestimmte Präparate flexiblere Lösungen. An der Nutzenbewertung scheiterten regelmäßig Medikamente, weil sie nur bei einem Teil der Patienten wirken. Weil sie in der Gesamtpopulation keinen ausreichenden Nutzen erzielten, kommen sie nicht auf den Markt, ärgert sich Wager. So entstünden unnötige Versorgungslücken bei Patienten, die von dem Medikament profitieren könnten.
Im Gegensatz zu Wager warb Ballast für striktere Regeln für neue Arzneimittel. Wie die meisten anderen Krankenkassen setzt sich die TK dafür ein, bereits im ersten Jahr des Marktzugangs eines neuen Medikamentes dessen Umsatz zu deckeln. Bislang sind Hersteller im ersten Jahr bei der Preisgestaltung frei. Für Ballast ist auch dies ein Grund für geringere AMNOG-Einsparungen als erwartet. Die Prognose habe bei zwei Milliarden Euro pro Jahr gelegen. Tatsächlich seien es aber nur gut 500 Millionen Euro. Gesundheitsökonom Greiner sieht diesen Zusammenhang nicht. Die aktuellen Einsparungen lägen auf dem erwarteten Niveau. Das ursprüngliche Ziel, die Arzneimittelpreise um durchschnittlich 18 Prozent zu senken, erreiche das AMNOG locker: Derzeit seien es sogar 19,3 Prozent und damit mehr als ursprünglich angepeilt. Es gebe deshalb keinen Grund, die Wirkung des AMNOG anzuzweifeln.
Die Auswirkungen des AMNOG werden PTA und Apotheker weiter begleiten. Derzeit diskutieren Politiker, Kassen- und Industrievertreter über Änderungen. Womöglich werden in diesem Prozess einige Schwachstellen des Gesetzes korrigiert. Die Grundausrichtung wird aber sicher bleiben. /