Gezielt fragen, gut beraten |
22.05.2017 13:13 Uhr |
Von Maria Pues, Münster / Kunden verlangen in der Apotheke häufig ein Mittel gegen Kopfschmerzen. Nicht immer ist klar, ob es sich um Migräne oder Kopfschmerzen vom Spannungstyp handelt. Doch das lässt sich in der Beratung mit einigen gezielten Fragen ermitteln.
Neben Sodbrennen und Magenproblemen sind auch Kopfschmerzen eine Indikation, bei der Apothekenkunden häufig eine Selbstmedikation wünschen. Hier lasse sich mit einigen gezielten Fragen herausfinden, um welche Art des Kopfschmerzes es sich handelt und welches Arzneimittel geeignet ist, erläuterte Apothekerin Dr. Saskia Plüger-Stegemann auf dem westfälisch-lippischen Apothekertag (WLAT) in Münster.
Migräne oder Spannungskopfschmerz? Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung ist die Frage, ob noch Alltagstätigkeiten möglich sind.
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Kopfschmerzen vom Spannungstyp und Migräne sind die am häufigsten auftretenden Kopfschmerzarten, und meist lassen sie sich gut voneinander unterscheiden. »Doch nicht immer«, warnte die Referentin. Denn manche Kennzeichen der Migräne können auch bei Spannungskopfschmerz auftreten und umgekehrt. So könne bei einem Spannungskopfschmerz etwa auch eine Überempfindlichkeit gegenüber Licht oder Lärm bestehen, wie man sie bei Migräne beobachtet. Anders als bei Migräne kommen diese Überempfindlichkeiten bei Spannungskopfschmerz jedoch nie gleichzeitig vor. Umgekehrt könne die üblicherweise nur halbseitig auftretende Migräne auch beidseitig auftreten. Auch das Fehlen einer Aura spricht nicht für oder gegen eine Mi-gräne, denn sie tritt nicht bei jeder Migräneform auf. Wichtigstes Kriterium bei der Entscheidung, ob es sich um einen Spannungskopfschmerz oder eine Migräne handelt, sei vielmehr die Frage, ob der Betroffene noch in der Lage ist, Alltagstätigkeiten nachzugehen. Migränekopfschmerz verschlechtert sich bereits bei leichten Tätigkeiten. Plüger-Stegemann: »Ein Migränepatient ist nicht mehr in der Lage, sich die Schuhe zuzubinden.« Eine Beispiel-Kundin bejaht die Frage nach der Verschlechterung: Bei kleinsten Anstrengungen würden die Schmerzen heftiger.
Migräne selbst behandeln
Für die Selbstmedikation der Migräne stehen verschiedene klassische Analgetika und Triptane zur Verfügung. Klassische Analgetika sollten so früh wie möglich im Verlauf einer Migräneattacke angewendet werden. Betroffene spüren erste Anzeichen häufig in Form von Beschwerden wie Übelkeit oder Heißhunger, Stimmungsschwankungen oder Müdigkeit. Bei manchen Patienten schließt sich daran eine Auraphase mit Symptomen wie Flimmern vor den Augen, anderen Sehstörungen, Missempfindungen oder Sprachstörungen an. Aber nicht bei allen Patienten tritt eine Auraphase auf. Die Frühphase kann auch direkt in die Kopfschmerzphase übergehen. Zu deren Beginn oder kurz davor ist der optimale Zeitpunkt für die Einnahme eines Triptans.
Meist treten die Kopfschmerzen nur auf einer Seite des Kopfes auf und fühlen sich pochend oder pulsierend an. Migränekopfschmerz kann von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein sowie von einer Phono- und Fotophobie. Er kann bis zu 72 Stunden anhalten. An die Kopfschmerzphase schließen sich eine Auflösungs- und eine Erholungsphase an, in denen die Beschwerden nachlassen. Der Migränepatient fühlt sich erschöpft und möchte nur noch schlafen.
Bei den klassischen Analgetika nennt die Leitlinie der Deutschen Neurologischen Gesellschaft und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft verschiedene Monopräparate und Kombinationen als Mittel der ersten Wahl, die auch in der Selbstmedikation angewendet werden können. Eine hervorgehobene Empfehlung gibt sie der fixen Kombination, bestehend aus 250 bis 265 mg Acetylsalicylsäure (ASS), 200 bis 265 mg Paracetamol und 50 bis 65 mg Coffein (wie in Thomapyrin®). Hiervon sollen zwei Tabletten eingenommen werden. Ebenfalls Mittel der ersten Wahl, aber der Kombination unterlegen: ASS (wie in Aspirin®) in einer Dosis von 900 bis 1000 mg, Ibuprofen (wie in Dolormin®) in einer Dosierung von 400 mg und Phenazon (wie in Migräne Kranit®) in einer Dosierung von 1000 mg. Paracetamol (wie in Benuron®) in peroraler Anwendung mit einer empfohlenen Dosierung von 1000 mg ist ein Mittel der zweiten Wahl. Für alle klassischen Analgetika gilt: Sie sollten schon in der Frühphase der Migräne eingenommen – möglichst noch bevor erste Schmerzsymptome auftreten – und ausreichend hoch dosiert werden, um einem frühen Nachdosieren vorzubeugen.
Alternative Triptan
Da die Patientin aus dem Beispiel bereits mit starken Kopfschmerzen die Apotheke betreten hat und Nachfragen ergeben haben, dass es sich tatsächlich um eine Migräne handelt, ist der optimale Einnahmezeitpunkt für ein klassisches Analgetikum bereits verstrichen. Ein Triptan stellt jetzt eine sinnvolle Alternative dar. Wichtig in der Selbstmedikation: Eine Migräne muss bereits einmal durch einen Arzt festgestellt worden sein. Rezeptfrei stehen dann Naratriptan (wie in Formigran®) und Almotriptan (wie in Dolortriptan®) zur Verfügung. Beide bewirken eine Verengung der im Migräneanfall erweiterten Blutgefäße im Gehirn (Vasokonstriktion), hemmen die Freisetzung von Botenstoffen aus den aktivierten Trigeminus-Nervenendigungen und unterbrechen die Weiterleitung der Schmerzen. Dadurch können sich Migränekopfschmerz, Licht- und Lärmüberempfindlichkeit und weitere Begleitsymptome bessern.
Die Auswahl eines Medikaments erfordert eine individuelle Beratung.
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Für beide Triptane gilt: Sie sollten bei ersten Anzeichen des Migränekopfschmerzes eingenommen werden. Almotriptan wirke schneller als Naratriptan, allerdings halte seine Wirkung kürzer an, erläuterte die Referentin. Die Wirkung von Almotriptan tritt meist nach 30 Minuten ein, die maximale Wirksamkeit erreicht es nach zwei Stunden. Die Wirkdauer liegt unter 24 Stunden. Dies erhöht das Risiko für einen Wiederkehrkopfschmerz. Eine zweite Tablette darf frühestens zwei Stunden nach der ersten eingenommen werden. Maximal dürfen zwei Tabletten pro Attacke innerhalb von 24 Stunden eingenommen werden. Zusätzlich dürfen auch Arzneimittel aus der Gruppe der klassischen Analgetika angewendet werden. Almotriptan eigne sich daher insbesondere für plötzlich auftretende, kurze Migräneattacken, wenn etwa die Frühphase nur kurz war oder kaum wahrgenommen wurde.
Naratriptan wirkt länger, doch seine Wirkung setzt langsamer ein, meist innerhalb einer Stunde nach der Einnahme. Die maximale Wirksamkeit ist nach vier Stunden erreicht, die Wirkdauer liegt bei über 24 Stunden. Bei einem Wiederkehrkopfschmerz darf eine zweite Tablette frühestens vier Stunden nach der ersten eingenommen werden. Auch hier gilt: Maximal dürfen zwei Tabletten pro Attacke innerhalb von 24 Stunden eingenommen werden. Naratriptan eigne sich daher bei länger dauernden Migräneattacken, die sich ankündigen, sagte Plüger-Stegemann. Dazu gehöre etwa eine Migräne im Rahmen der Menstruation. Bei nicht zufriedenstellender Wirkung sollte man das entsprechende Triptan dennoch bei drei Attacken ausprobieren und bei nicht ausreichender Wirkung auf ein anderes Triptan wechseln.
Wichtige Abgabehinweise
Und die Patientin aus dem eingangs genannten Beispiel? Eine Migräne-Diagnose wurde bereits vor einigen Jahren durch einen Arzt gestellt. Die Beschreibung des Kopfschmerzes lässt auf eine Migräneattacke schließen. Auf Nachfragen sagt sie, dass der Kopfschmerz ganz plötzlich angefangen habe. Die Frage nach einer Schwangerschaft, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rauchen und anderen Arzneimitteln verneint sie. Für diese Patientin stelle Almotriptan eine sinnvolle Option dar, schloss die Referentin. Bei der Abgabe sollten einige Informationen nicht fehlen: ein baldiger Wirkeintritt darf erwartet werden, die zweite Tablette darf – falls erforderlich – frühestens nach zwei Stunden eingenommen werden, weitere klassische Schmerzmittel, beispielweise ASS, Ibuprofen oder Paracetamol, dürfen zusätzlich eingenommen werden. /