Schnell ausbremsen |
22.05.2017 13:13 Uhr |
Von Andrea Pütz / Egal ob falsches Essen oder ein Magen-Darm-Virus: Durchfallerkrankungen treten besonders im Sommer häufig auf. Was dürfen beziehungsweise sollten Betroffene dann essen, um den Magen-Darm-Trakt nicht zusätzlich zu reizen und die Beschwerden schnell einzudämmen?
Unter Durchfall leiden Betroffene per Definition, wenn bei ihnen häufiger als dreimal am Tag ungeformte, breiige oder wässrige Stühle auftreten. Ausgelöst wird er meist durch Krankheitserreger oder Gifte, die die Darmschleimhaut reizen. Der Darm kann dann kaum noch Wasser aus dem Nahrungsbrei aufnehmen: Der Stuhlgang ist flüssiger als gewöhnlich. Etwa ein Drittel aller akuten Durchfälle werden durch Viren ausgelöst (zum Beispiel Adenoviren, Rotaviren oder Noroviren). Daneben spielen auch Bakterien eine Rolle: Colibakterien, Salmonellen, Shigellen, Yersinien und Pseudomonas-Keime. Einige Bakterien (Staphylokokken, Clostridien) wiederum produzieren giftige Stoffwechselprodukte, die ebenfalls Durchfall auslösen können.
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In der Regel dauert ein akuter Durchfall drei bis vier Tage und verschwindet von selbst wieder. Wenn die Beschwerden länger andauern, sehr heftig sind und Betroffene keine Flüssigkeit bei sich behalten können, dann sollten sie einen Arzt aufsuchen. Kommt es über mehrere Wochen immer wieder zu Durchfällen, handelt es sich um eine chronische Diarrhö. Solche Beschwerden gehen häufig auf eine Unverträglichkeit zurück, etwa gegenüber Lactose, Fructose oder Gluten, oder auch auf das Reizdarmsyndrom oder eine chronisch entzündliche Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa. Auch Stress oder Ernährungsgewohnheiten wie ein übermäßiger Genuss zuckerfreier Bonbons oder Kaugummis mit Sorbitol können dahinter stecken.
Akuter Durchfall ist im Grunde eine Selbsthilfemaßnahme des Körpers, krankmachende Keime und Toxine schnell loszuwerden. Leichter Durchfall sollte deshalb falls möglich nicht sofort durch die Einnahme von darmmotilitätshemmenden Medikamenten unterdrückt werden. Denn diese verlängern die Zeit, die der Nahrungsbrei im Darm verbringt, indem sie die Darmbewegungen lahmlegen. So bleiben auch die Erreger länger im Darm, obwohl sich der Körper ihrer eigentlich schnell entledigen möchte.
Salz- oder Pellkartoffeln, geriebene Äpfel, zerdrückte Bananen oder Zwieback sind ein sinnvoller Einstieg, wenn Durchfallerreger den Darm leergefegt haben. Die enthaltenen Pektine quellen im Darm und binden Giftstoffe.
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Andererseits lindert der Wirkstoff Loperamid die Beschwerden recht schnell und zuverlässig. Das kann hilfreich sein, um beispielsweise die Rückreise aus dem Urlaub gut zu überstehen oder einen wichtigen Termin wahrzunehmen. Über einen längeren Zeitraum sollten derartige Präparate jedoch möglichst nicht eingenommen werden.
Basistherapie Trinken
Während der Körper versucht, die schädlichen Eindringlinge schnell auszuscheiden, verliert er viel Wasser und wichtige Elektrolyte. Dadurch besteht die Gefahr, auszutrocknen, vor allem für Säuglinge, Kleinkinder oder ältere Menschen. Das schwächt den Kreislauf und stört die körpereigene Regeneration. In extremen Fällen steigt auch das Risiko für Nierenversagen, Thrombosen und Embolien. Eine beginnende Austrocknung bemerken Betroffene durch einen trockenen Mund, eine rissige Zunge und einen dunkel gefärbten Urin.
Trinken ist aus diesem Grund eine der wichtigsten Therapiemaßnahmen. Eine Faustregel: Bei Durchfall sollten rund 3 Liter pro Tag beziehungsweise pro Stuhlgang ein Glas mit 200 Milliliter Flüssigkeit getrunken werden. Neben stillem Mineralwasser ist Tee das Getränk der Wahl. Fencheltee oder eine Mischung aus Fenchel-Anis-Kümmel entspannt den gestressten Darm. Heidelbeertee beruhigt die gereizte Darmschleimhaut, da die enthaltenen Gerbstoffe adstringierend wirken. Zudem wirkt er antimikrobiell. Dafür zwei Teelöffel getrocknete Beeren in 250 Milliliter Wasser 10 bis 15 Minuten köcheln lassen und abseihen. Durchfall-Geplagte sollten über den Tag verteilt zwei bis drei Tassen schluckweise trinken. Auch schwarzer Tee beruhigt den Magen-Darm-Trakt. Damit sich möglichst viele Gerbstoffe aus den Teeblättern lösen, sollte der Tee mindestens drei Minuten ziehen.
Elektrolyte zuführen
Getränke mit Elektrolyten in einem definierten Verhältnis gleichen Mineralverluste aus. Dies ist vor allem bei Säuglingen, Kleinkindern und älteren Menschen und starkem Durchfall wichtig, um ein Austrocknen zu verhindern. Hier ist die Gabe einer oralen Rehydratationslösung mit Glucose und Natrium aus der Apotheke angezeigt. Diese stehen als Pulver zum Auflösen in verschiedenen Geschmacksrichtungen zur Verfügung. Die Getränke gleichen nicht nur den Flüssigkeitshaushalt wieder aus. Sie sorgen gleichzeitig für eine Eindickung des Darminhaltes – und lindern so auch den Durchfall. Die WHO empfiehlt eine definierte Mischung aus Kochsalz, Natriumcitrat sowie Kaliumchlorid und zusätzlich Glucose in einem definierten Verhältnis. Die Elektrolytlösungen aus der Apotheke entsprechen diesen WHO-Empfehlungen.
Möhrensuppe nach Moro
Mit einem Hausrezept (siehe Kasten) einer einfachen Möhrensuppe gelang es dem Kinderarzt Professor Dr. Ernst Moro 1908, die Sterbe- und Komplikationsrate von Kindern bei Durchfallerkrankungen drastisch zu senken. In den vergangenen Jahrzehnten ist sie fast komplett von der Bildfläche verschwunden. Dabei wirkt die Suppe effektiv gegen Durchfallerreger – natürlich auch bei Erwachsenen. Sogar EHEC-Patienten sollen einer Studie zufolge von der Suppe profitieren.
500 Gramm geschälte Möhren zerkleinern und diese eine Stunde lang in einem Liter Wasser kochen. Dann im Mixer pürieren und den pürierten Brei mit Wasser wieder auf einen Liter auffüllen. Noch drei Gramm Kochsalz (etwa 1 gestrichener TL) hinzufügen. Die Suppe kann auch nach Geschmack verfeinert werden mit Gewürzen wie Ingwer und Kurkuma.
Beim Kochen der Möhren entstehen Oligosaccharide, mittellange Zuckerketten. Diese ähneln in ihrer Struktur den Darmrezeptoren. Die Erreger docken statt an der Darmwand an den Zuckermolekülen an und werden ausgeschieden. Wichtig für die heilende Wirkung der Möhrensuppe ist, dass sie eine Stunde köchelt, damit sich eine ausreichende Zahl dieser Oligosaccharide bilden kann. Das Betacarotin ( Provitamin A) der Möhren stärkt zudem die Schleimhäute des Darms. Zusätzlich wird über den Verzehr mehrerer Teller Suppe pro Tag der Flüssigkeitshaushalt wieder ausgeglichen.
Mit fester Nahrung sollte der Patient erst beginnen, wenn er Getränke wieder problemlos verträgt. Es entlastet den Magen-Darm-Trakt, wenn er jeden Bissen gut kaut und die feste Nahrung in kleinen Portionen über den Tag verteilt. Neben der Moro-Suppe sind kleine Portionen geriebener Apfel und zerdrückte Bananen ein sinnvoller Einstieg. Die freigesetzten Pektine quellen im Darm und binden die Giftstoffe, so wirken sie der Diarrhö entgegen. Etwa zwei Äpfel pro Tag sollten jedoch reichen.
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Sonst könnte der enthaltene Fruchtzucker Probleme machen. Bananen liefern neben viel Glucose zudem viel Kalium. Auch an einem Zwieback zu knabbern und ein paar Salz- oder Pellkartoffeln sind für die meisten Betroffenen ein bekömmlicher Anfang. Komplett verzichten sollten Betroffene auf Fruchtsäfte (hoher Fruchtzuckergehalt) und Milch sowie Milchprodukte. Letztere haben einen recht hohen Fettgehalt. Die Aufnahme von Milchzucker ist bei Durchfall ebenfalls meist gestört.
Entspannung gegen Krämpfe
Trotz Bauchblubbern und Magenziehen sollten die Patienten versuchen zu entspannen: Eine Möglichkeit ist, sich hinzulegen und den Bauch warmzuhalten, beispielsweise mit einer Wärmflasche oder einem Körnerkissen. Auch die Seitenlage mit angewinkelten Beinen ist empfehlenswert, um die Bauchmuskeln zu lockern. Sind die Bauchkrämpfe stark und halten lange an, kann ein spasmolytisches Arzneimittel helfen, Ruhe zu finden.
Vor allem auf Reisen ist die Durchfallgefahr erhöht: Manchmal lauern im verlockenden kulinarischen Angebot verunreinigte Nahrungsmittel. Durchfallerreger befinden sich häufig im Wasser oder in empfindlichen Lebensmitteln. Mit einigen Vorsichtsmaßnahmen können Reisende das Risiko für Reisedurchfall senken. So sollten sie ihre Hände regelmäßig waschen, besser noch desinfizieren – besonders vor dem Essen. Eine Flasche Händedesinfektionsmittel gehört in jede Reiseapotheke. Auch der oft zitierte Leitsatz »Cook it, peel it or forget it« – »Koch es, schäl es oder vergiss es« hat sich bewährt.
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Getränke sollten nur aus original industriell verschlossenen Flaschen getrunken werden. Ein offener Ausschank birgt ebenfalls die Gefahr einer Infektion mit Erregern. Wasser sollte am besten immer abgekocht werden – mindestens eine Minute lang. In vielen Ländern gilt das auch für das Wasser zum Zähneputzen.
Rohes Obst oder Gemüse sollten Urlauber nur dann verzehren, wenn es selbst geschält wurde und besser nicht vom Buffet nehmen. Auch auf Salat sollten sie besser verzichten. Er könnte mit unsauberem Wasser verunreinigt sein. Fleisch und Fisch sollten immer gut durchgegart sein, Muscheln sollten im Ausland besser ganz links liegen gelassen werden. Auch Eiswürfel in Drinks können Keime enthalten, ebenso Softeis. Daher besser nur abgepacktes Speiseeis essen.
Häufig sind verdorbene Nahrungsmittel oder die Kostumstellung bei Fernreisen die Auslöser für Durchfall. Homöopathisch kann Okoubaka D3 aus der Rinde eines Tropenbaums hilfreich sein. Es kann auch vorbeugend eingenommen werden.
Das altbekannte Hausmittel Cola plus Salzstangen ist gegen akuten Durchfall nicht empfehlenswert. Über die Salzstangen und das sehr zuckerhaltige Getränk nimmt der Betroffene unkontrolliert viel Salz und Zucker zu sich, was den Durchfall sogar verstärken kann. Andere Salze wie Kalium oder Citrate fehlen hingegen. Die in der Cola enthaltene Säure kann zudem die Magenschleimhaut reizen. Gegen ein Glas Cola und wenige Salzstangen ist zwar nichts einzuwenden, wenn sich der Erkrankte wieder auf dem Wege der Besserung befindet und Lust auf diese Lebensmittel verspürt. In großen Mengen sollte beides allerdings nicht als Therapie verwendet werden.
Einige Tage vor Reiseantritt sollten die Urlauber mit zweimal fünf Globuli täglich beginnen. Bei akutem Reisedurchfall am ersten Tag werden stündlich fünf Globuli genommen, am zweiten Tag alle zwei Stunden fünf, ab dem dritten Tag dreimal täglich fünf Globuli. Sollten sich die Beschwerden dann nicht gebessert haben, sollten die Patienten unbedingt einen Arzt aufsuchen.
Gestärkte Darmflora
60 Prozent aller Abwehrzellen befinden sich im darmassoziierten Immunsystem. 100 Billionen (1014) Mikroorganismen mit etwa 500 verschiedenen Spezies tummeln sich dort. Im Darm herrscht ein permanenter Kontakt mit krankmachenden Bakterien und Toxinen. Eine gut funktionierende Darmflora, reich an probiotischen Mikroorganismen, hindert krankmachende Keime daran, in den Blutkreislauf zu gelangen. Auch Präbiotika als nicht verdaubare Lebensmittelbestandteile sind wichtig, da sie das Wachstum und die Aktivität der Probiotika und somit die Darmgesundheit insgesamt fördern.
Die Gabe einer Kur mit hochkonzentrierten probiotischen Kulturen, zum Beispiel mit Lactobazillen und Bifidobakterien, kann nach einer Antibiose empfohlen werden. So findet die Mikroflora im Darm wieder in ihr Gleichgewicht und das Risiko für Durchfälle und Infektionen aufgrund einer gestörten Darmflora wird deutlich gesenkt. /
Diese Lebensmittel liefern Probiotika