Heilung ist nun Standard |
18.05.2018 16:13 Uhr |
Von Verena Arzbach / Bei kaum einer anderen Erkrankung wurden in den vergangenen Jahren solche Fortschritte erzielt wie bei der Hepatitis C. Die Behandlung der chronischen Virusinfektion ist dank der direkt antiviral wirksamen Agenzien (DAA) heute wesentlich erfolgreicher und weniger belastend für die Patienten als früher.
Die Hepatitis C entsteht nach einer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV), das über infiziertes Blut übertragen wird. Eine Ansteckungsgefahr besteht vor allem in der Drogenszene durch gemeinsam benutzte Materialien wie Spritzen, Kanülen oder Röhrchen. Eine Infektion ist aber auch bei mangelhafter Hygiene bei Operationen oder anderen Eingriffen wie beim Tätowieren oder beim Stechen von Piercings möglich. Beruflich bedingte Infektionen mit HCV bei medizinischem Personal, etwa durch eine Stichverletzung mit einer blutigen Kanüle, kommen ebenfalls in Einzelfällen vor. Vor 1991 war die Transfusion von Blut und Blutprodukten ein häufiger Übertragungsweg; damals waren Blutprodukte noch nicht routinemäßig auf HCV getestet worden.
Virus auf dem Rückzug: Eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ist heute in den meisten Fällen heilbar.
Foto: Shutterstock/Kateryna Kon
Je nach Viruskonzentration im Blut kann HCV auch in anderen Körperflüssigkeiten nachweisbar sein, also in Speichel, Schweiß, Tränen und Sperma. Eine Übertragung durch ungeschützten Geschlechtsverkehr ist damit prinzipiell möglich, laut des Robert-Koch-Instituts (RKI) aber unwahrscheinlich. Bisherige Studien hätten gezeigt, dass das Risiko, sich beim ungeschützten Sex anzustecken, gering ist. Ein relevantes sexuelles Übertragungsrisiko gibt es allerdings bei Männern, die Sex mit Männern haben, wenn sie verletzungsanfällige Sexualpraktiken ausüben und wenn es dabei zu Kontakt mit Blut kommt. Das gilt besonders bei einer zusätzlichen HIV-Infektion: Bei HIV-Positiven persistiert eine akute HCV-Infektion häufiger als bei HIV-Negativen, und eine Behandlung der Hepatitis C führt seltener zum Erfolg. Ebenfalls möglich, wenn auch relativ selten, ist die Übertragung des Virus von der infizierten Mutter auf ihr Baby bei der Geburt.
Von akut zu chronisch
Direkt nach der Ansteckung treten nur selten Beschwerden auf, wenn überhaupt sind es unspezifische grippeähnliche Symptome rund acht Wochen nach der Infektion. Bei vielen bleibt die HCV-Ansteckung daher lange Zeit unbemerkt. Meist wird eine Hepatitis C dann per Zufall diagnostiziert, etwa wenn der Arzt bei einer Routineuntersuchung erhöhte Leberwerte feststellt. Weitere Tests sichern dann die Diagnose Hepatitis C.
Bei etwa 20 bis 50 Prozent der Betroffenen heilt die Hepatitis C in den ersten sechs Monaten von selbst aus. Bei den anderen Patienten wird sie chronisch. Unbehandelt können dann Leberschäden, etwa eine Leberzirrhose, auftreten, auch das Risiko eines Leberzellkarzinoms ist erhöht.
Eine Impfung gegen das Hepatitis-C-Virus gibt es – im Gegensatz zu den Erregern der Hepatitis A und B – nicht. Bei der Therapie allerdings wurden in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt. So gelingt es den Ärzten dank der neu verfügbaren Wirkstoffe nun in der Regel, die Viruslast im Blut dauerhaft so weit zu senken, dass die Viren nicht mehr nachweisbar sind. Die Patienten gelten dann als geheilt.
Entscheidender Durchbruch bei der Therapie war die Zulassung des ersten DAA Sofosbuvir Ende 2013 in den USA beziehungsweise Anfang 2014 in der EU. Es handelt sich um einen NS5B-Inhibitor, der die viruseigene RNA-Polymerase NS5B hemmt, welche eine wichtige Rolle bei der Replikation der Hepatitis-C-Viren spielt. Damals wurde er noch standardmäßig mit Ribavirin und bei einigen Patienten auch mit Interferonen kombiniert. Danach kamen relativ schnell weitere DAA auf den Markt, die in die Replikation und den Zusammenbau der Viren eingreifen. Darunter sind NS5A-Hemmer (wie Ledipasvir, Velpatasvir) und Wirkstoffe, die die HCV-Protease hemmen (wie Glecaprevir, Voxilaprevir).
Ohne Interferone
Laut der Ende 2017 aktualisierten Leitlinie »Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-C-Virus-Infektion«, die unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) entstand, ist eine DAA-Therapie ohne Interferone mittlerweile Standard. Die DAA sind direkt antiviral wirksam, das heißt, sie greifen virale Strukturen wie Enzyme (Proteasen oder Polymerasen) oder Proteine an und verhindern so die Virusreplikation.
Die Preise für einige lebensrettende Arzneimittel, darunter Medikamente gegen Hepatitis C, sind für Patienten in Entwicklungsländern zu hoch. Die Organisation Ärzte der Welt will mit der Kampagne »Der Preis des Lebens« darauf aufmerksam machen.
Foto: Ärzte der Welt
Die Leitlinienautoren empfehlen je nach Genotyp des Virus und Begleitumständen wie Vorbehandlung, Grad der Leberfibrose, Nierenschädigung und Koinfektionen unterschiedliche Therapieregime. Voraussetzung für die Behandlung mit einer DAA-Kombination ist der Nachweis einer chronischen, das heißt über mindestens sechs Monate bestehenden HCV-Infektion. Für Patienten mit HCV-Genotyp-1-Infektion beispielsweise stehen folgende Behandlungsregime, alle mit Heilungsraten größer als 90 Prozent, zur Auswahl:
Für die HCV-Genotypen 2 und 3, die in Deutschland zusammen mit Genotyp 1 für die meisten Hepatitis-C-Infektionen verantwortlich sind, werden in der Leitlinie ähnliche Behandlungsregime empfohlen. Die Genotypen 4, 5 und 6 verursachen zusammen nur etwa 3 Prozent der Infektionen in Deutschland, weltweit sind sie allerdings für 20 Prozent der HCV-Infektionen verantwortlich. Experten gehen davon aus, dass diese Genotypen durch Migration und Reisen hierzulande an Bedeutung zunehmen werden.
Weniger Nebenwirkungen
Vor der Markteinführung der DAA wurde eine Hepatitis C meist mit einer Kombination aus Ribavirin und Interferon-alpha behandelt, je nach HCV-Genotyp für 24 bis 48 Wochen. Damit konnten etwa 75 bis 80 Prozent der Patienten geheilt werden.
Ein großer Nachteil waren auch die häufigen Nebenwirkungen – bei mehr als 50 Prozent der Patienten traten unter der Therapie Grippe-ähnliche Symptome auf. Ribavirin ist nun nicht mehr zwingend Teil der Therapie und nur noch in einigen Therapieregimen vertreten. Bei voraussehbaren erheblichen Nebenwirkungen sollte bei gleicher Wirksamkeit eine Ribavirin-freie Therapie bevorzugt werden, heißt es in der Leitlinie. Interferone werden dagegen zur Ersttherapie gar nicht mehr empfohlen, auch nicht, wenn bereits eine Leberzirrhose vorhanden ist. Die neuen Behandlungsmöglichkeiten haben die HCV-Therapie erfolgreicher und deutlich nebenwirkungsärmer gemacht. Das hat aber auch seinen Preis, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Zulassung des ersten DAA Sofosbuvir (Sovaldi®) war 2014 als Sensation gefeiert, aber wegen der hohen Therapiekosten auch kritisiert worden. Sovaldi war als die »1000-Dollar-Pille« bekannt geworden, da die Kosten zum damaligen Zeitpunkt bei rund 1000 US-Dollar (damals rund 700 Euro) pro Tablette lagen. 19 999 Euro verlangte Hersteller Gilead für eine Dose mit 28 Tabletten, eine 12-wöchige Behandlung kostete pro Patient also rund 60 000 Euro. Dazu kommen noch die Kosten für die Kombinationspartner, denn Sovaldi ist keine Monotherapie, es muss mit anderen Wirkstoffen kombiniert werden. Dadurch konnten sich die Kosten pro Therapie auf bis zu 100 000 Euro erhöhen.
Als später weitere DAA und damit viele Alternativen auf den Markt kamen, wurde die Sovaldi-Therapie etwas günstiger. Inzwischen werden meist Kombinationspräparate eingesetzt, die allerdings auch nicht gerade günstig sind. Eine Packung Harvoni mit 28 Tabletten kostet beispielsweise knapp 18 000 Euro, das macht rund 52 000 Euro für eine zwölfwöchige Therapie. /