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Fructose und Ballaststoffe

Richtig ernährt bei Diabetes

18.05.2018  16:12 Uhr

Von Caroline Wendt, Berlin / Eine gesunde Ernährung ist für Patienten mit Diabetes mellitus essenziell. Sie müssen vor allem darauf achten, die richtige Menge an Glucose zu sich zu nehmen. Doch auch Fructose habe einen entscheidenden Einfluss auf den Stoffwechsel, berichtete Dr. Silke Bauer beim Fortbildungs­kongress Interpharm in Berlin. Ballaststoffe hätten hingegen einen protektiven Effekt, so die Ökotrophologin.

»Es gibt keine allgemeingültige Dia­betes-Diät, die alle Patienten einhalten sollten«, stellte Bauer klar. Um die indivi­duellen Therapieziele, wie den HbA1c-Wert zu senken oder ein ge­wünschtes Körpergewicht zu er­reichen, sollten alle Patienten lernen, was es bedeutet, sich gesund und aus­ge­wogen zu ernähren. Aber auch die per­sön­lichen Vorlieben und Lebensgewohnheiten der Patienten seien von Be­deutung. 

Anhand von Ernährungs­tagebüchern gelte es herauszufinden, wie eine gesunde Ernährung in den Alltag­ der Patienten integriert werden kann. »Außerdem müssen Diabetiker lernen, Art und Menge von Kohlen­hydraten richtig einzu­schätzen. Ein generelles­ Zuckerverbot besteht jedoch­ nicht«, erklärte die Referentin. Lediglich große Mengen an schnell verdau­lichen Zuckern sollten ver­mieden werden. Aber auch zu viel Fruchtzucker ist schlecht für die Patienten.

Nach dem Verzehr von geringen Mengen Fructose steigt der Blutzucker kaum an. Weil Fruchtzucker weitest­gehend ohne Insulin verwertet wird, galt Fructose lange Zeit als gesunder Zucker. Doch ist Fructose bei Weitem nicht nur in Obst oder Honig zu finden, sondern auch in vielen Nahrungs­mitteln und Getränken als Zucker­austauschstoff enthalten. »Frucht­zucker hat bei gleicher Kalo­rienzufuhr eine höhere Süßkraft«, erklärte Bauer.

Störfaktor Fructose

Ein Zuviel an fructosehaltigen Lebensmitteln kann unter Umständen ne­gative Folgen haben. Während Glucose in Form von Glykogen in der Leber gespeichert­ werden kann, gibt es für Fructose keine Speicherform. Der Fruchtzucker werde stattdessen in Triglyceride umgewandelt. »Im Vergleich zu Glucose kann Fructose die De-­novo-Lipogenese um das 15-Fache erhöhen«, betonte Bauer. So könne zu viel Fruchtzucker – mehr als 50 g pro Tag – Adi­positas, erhöhte Blutfettwerte und die Entstehung einer Fettleber fördern. Dies sei besonders für Diabetiker von Bedeutung, da neben dem Zucker­haushalt auch der Protein- und Fettstoffwechsel gestört sei. Außerdem fördere zu viel Fructose eine Insulin­resistenz der Körperzellen, erhöhe das Risiko, an Gicht zu erkranken, und verrin­gere die Ausschüttung des Sättigungs­hormons Leptin. »Dadurch macht Fructose weniger satt als Glucose, und man hat schneller wieder Lust auf etwas Süßes«, so Bauer.

Deswegen sei es wichtig, die Zu­taten­liste von Fruchtgetränken, Limonaden, Müslis und Fertiggerichten genau zu studieren. Neben den Angaben Fruchtzucker und Fructose-Sirup stehen unter anderem auch Isoglucose-Maissirup, Apfel- und Birnensaft, Agaven­dicksaft, Fruchtsüße, Honig oder Saftkonzentrat für eine Fructose-Beimischung.

Zwei pro Tag

Auf frisches Obst sollte hingegen niemand verzichten. Zwei Portionen Obst am Tag sind auch für Diabetiker ratsam. »Doch ist hier die Auswahl der richtigen Sorte entscheidend«, betonte die Referentin. Während Weintrauben und Melonen beispielsweise viel Zucker und wenig Ballaststoffe enthalten, weisen Äpfel oder Beerenfrüchte ein günstigeres Verhältnis auf. Neben dem Zuckergehalt komme vor allem dem Ballaststoff­anteil eine entscheidende Rolle zu. Eine im Fachmagazin »Er­nährungs-Umschau« veröffentlichte Metaanalyse konnte zeigen, dass sich eine tägliche Zufuhr von 4 g β-Glucan günstig auf die Diabetes-Erkrankung auswirkt. Bei β-Glucan handelt es sich um lös­liche Ballaststoffe, welche vor allem in Hafer und Gerste enthalten sind. »Durch die Ballaststoffe nimmt die Visko­sität des Nahrungsbreis im Magen­ und im Darm zu«, berichtete Bauer. Dadurch steigert sich die Sättigung, und die Resorption der Kohlenhydrate wird verzögert. »Viele Diabetiker haben gar kein richtiges Sättigungsgefühl mehr, der Verzehr von Ballaststoffen kann das wieder regulieren.«

Einfluss von Lebensmitteln

Senkt das Typ-2-Diabetes- Risiko:

  • Vollkorngetreide, -produkte (~50 g/Tag)
  • Gemüse (~300 g/Tag)
  • Obst (~200 bis 300 g/Tag)
  • Milch, -produkte (~400 bis 600 g/Tag)

Erhöht das Typ-2-Diabetes- Risiko:

  • raffinierte Getreideprodukte wie Weißmehl, Kuchen oder Kekse (~200 bis 400 g/Tag)
  • rotes Fleisch (> 170 g/Tag)
  • verarbeitetes Fleisch (> 105 g/Tag)
  • zuckergesüßte Getränke (> 750 ml/Tag)

Quelle: modifiziert nach dem Vortrag von Dr. Silke Bauer, Interpharm 2018

Blutzuckerglättung

Im Dickdarm wird β-Glucan in kurz­kettige Fettsäuren umgewandelt, welche­ wiederum die Ausschüttung der Darmhormone Glucagon-like peptide 1 (GLP-1) und Peptid YY (PYY) fördern. »GLP-1 stimuliert die Insulinfreisetzung und hemmt gleichzeitig die Glucagonfreisetzung, dadurch sinkt der Blutzucker«, führte die Referentin aus. Zudem steigere GLP-1 die Insulinempfindlichkeit der Betazellen in der Bauchspeicheldrüse. Das Darmhormon PYY hemmt die Magenentleerung, vor allem von fettiger Nahrung. »Zu­sätzlich beeinflusst PYY das Hungergefühl und reduziert so die Nahrungsaufnahme«, erläuterte Bauer. Insgesamt sei dadurch eine Verringerung des Blutzuckerspiegels um 7 bis 8 mg/dl möglich. Die Ökotrophologin empfiehlt den täglichen Verzehr von etwa 30 g Ballast­stoffen (10 bis 12,5 g pro 1000 kcal).

Ballaststoffe und Probiotika

Zudem betonte die Referentin den positiven Effekt der Ballaststoffe auf die Darmflora. Eine ballaststoffreiche Ernährung fördere das Wachstum und die Aktivität von gesundheitsfördernden Darmbakterien. Bisher gebe es zwar noch keine Empfehlung zur Einnah­me von speziellen Probiotika zur Vorbeugung von Übergewicht und Diabetes­. Die Kombination von Pro­biotika und Ballaststoffen, wie sie in einigen Synbiotika enthalten ist, sieht Bauer jedoch als sinnvoll an.

Doch lasse sich das Diabetesrisiko auch mit einer gesunden Ernährung um bis zu 42 Prozent reduzieren, so die Ernährungswissenschaftlerin. Dies habe eine im Fachjournal »Epidemiology« veröffentlichte Metaanalyse ergeben (siehe Kasten). Die Wissenschaftler untersuchten 88 Studien, welche die Dosis-Wirkungs-Beziehung verschiedener Kostformen verglichen. »Eine gesunde Ernährung kann die Blutzuckerwerte um 15 bis 29 mg/dl senken«, so Bauer. /