Nichts Genaues weiß man nicht |
04.12.2007 08:48 Uhr |
Nichts Genaues weiß man nicht
Daniel Rücker, Eschborn
Kommen sie oder kommen sie nicht? Bei den AOK-Rabattverträgen wendet sich fast täglich das Blatt. Nachdem zwei Vergabekammern die Verträge gestoppt hatten, hält nun das Oberlandesgericht in Karlsruhe diese Stellen für nicht zuständig. Die AOK freut sich schon, doch womöglich zu früh.
Zur Erinnerung: Die AOK hat im August für 83 Wirkstoffe neue Rabattverträge ausgeschrieben. Pharmafirmen konnten Angebote abgeben, zu welchen Konditionen sie die rund 25 Millionen AOK-Versicherten in den Jahren 2008 und 2009 mit den ausgeschriebenen Medikamenten versorgen würden. Ende September wollte die AOK die Verträge abschließen. Doch einige Pharmaunternehmen, die von der AOK nicht berücksichtigt werden sollten, klagten gegen die Rabattverträge. Die Ausschreibung entspreche nicht dem geltenden Recht und die Kriterien bei der Vergabe der Aufträge seien für die Unternehmen nicht transparent, lauteten die wesentlichen Vorwürfe. Die Unternehmen erwirkten beim Bundeskartellamt ein Zuschlagsverbot. Also wurde der AOK untersagt, die Angebote anzunehmen.
Zwei Monate später gestaltet sich die Situation höchst unübersichtlich. In der ersten Novemberhälfte haben die Vergabekammern der Bezirksregierung Düsseldorf und des Bundeskartellamts das Zuschlagsverbot der AOK für 66 der ausgeschriebenen Wirkstoffe bestätigt. Nach ihrer Überzeugung hätten die Ortskrankenkassen die Substanzen europaweit ausschreiben müssen. Außerdem würden die Pharmahersteller nicht die ungefähre Packungsmenge kennen, die sie liefern sollen. Dass die Krankenkasse dennoch für 17 Wirkstoffe abschließen konnte, lag daran, dass zu diesen Substanzen keine Klagen eingegangen waren.
Ganz wichtig für den Rechtsstreit ist auch die Zuständigkeit der Gerichte. Während die Pharmaunternehmen sich an Vergabekammern wendeten, sieht die AOK die Sozialgerichte als korrekte Adresse an, weil die AOK sich dort wesentlich bessere Chancen ausrechnet. Die beiden Vergabekammern teilen diese Einschätzung der AOK nicht und erklärten sich für zuständig.
Eine Woche später hat sich die Situation schon wieder ein wenig geändert. Eines der bei der Vergabe nicht berücksichtigten Unternehmen hatte in Karlsruhe gegen die AOK geklagt. Das dortige Oberlandesgericht (OLG) muss entscheiden, ob die Vergabekammer oder ein Sozialgericht für den Fall zuständig ist. Am 19. November gab der zuständige Richter den beiden Prozessparteien den Hinweis, er tendiere zu einer Zuständigkeit der Sozialgerichte. Die mündliche Verhandlung findet allerdings erst am 4. Dezember statt.
Durch diese Verzögerung schöpfte die AOK neue Hoffnung und stellte die neue Facette des Rechtsstreits sogleich als grundsätzliche Wendung dar: »Das OLG hat in einem Hinweisbeschluss klargestellt, dass Vergabekammern grundsätzlich nicht zuständig sind, sondern Rechtsfragen zu Arzneimittelrabatten ausschließlich vor den Sozialgerichten zu klären sind«, kommentierte der AOK-Verhandlungsführer Dr. Christopher Hermann den Hinweis. Die AOK habe bereits beim Sozialgericht in Stuttgart einen Eilantrag gestellt, damit alle Rabattverträge termingerecht zum 1. Januar in Kraft treten könnten.
Die Sprecherin des OLG Karlsruhe, Dr. Christiane Oehler, relativierte gegenüber dem PTA-Forum Hermanns Sicht der Dinge. Zum einen habe das OLG noch gar nicht entschieden, sondern nur einen Hinweis abgegeben. Zum anderen gelte die Entscheidung des OLG nur für das Verfahren zwischen der AOK und dem einen Pharmahersteller, der in Karlsruhe geklagt hatte. Da die Entscheidungen der beiden Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen nur das für sie zuständige OLG aufheben könnte, seien sie weiter für die AOK bindend. Wie es nun weitergeht, ist offener denn je.
Vor diesem Hintergrund erscheint Hermanns Ankündigung, alle Rabattverträge würden pünktlich starten, sehr optimistisch. Andererseits sollte die Industrie nicht zu früh frohlocken. Noch ist nicht ausgemacht, dass nicht doch die Sozialgerichte zuständig sind.
Sicher sind bei den AOK-Rabattverträgen also nur zwei Dinge: Die alten laufen zum 31. Dezember aus; für 17 Wirkstoffe gibt es neue, die bis Ende 2009 gelten.
Klar ist, dass auf die Apotheken viel Arbeit zukommt. Die Medikation vieler AOK-Versicherter muss wieder umgestellt werden. Die notwendige Beratung wird wieder einmal an PTAs und Apothekern hängen bleiben.
E-Mail-Adresse der Verfassers:
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