Was auf Reisen mit muss |
03.12.2007 10:42 Uhr |
Was auf Reisen mit muss
Brigitte M. Gensthaler, München
»Ich mache eine Reise und packe ein...« Bei diesem Gedächtnisspiel für Kinder geht es darum, sich möglichst viele Dinge zu merken, die der Verreisende gerne mitnehmen möchte, und diese dann aufzuzählen. In der Realität ist der Platz im Koffer meist eng begrenzt. Dies gilt auch für die Reiseapotheke. Welche Arzneimittel sind das absolute Minimum und welchen Tipp kann die PTA Urlaubern noch mit auf den Weg geben?
Um reiselustige Kunden gut beraten zu können, muss die PTA zunächst einiges erfragen. »Das Wichtigste sind das Ziel und die Art der Reise«, sagte Dr. Hermann Liekfeld bei einem Seminar der Arbeitsgemeinschaft für Pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV). Liekfeld ist Arzt und Apotheker und leitet die Hirsch-Apotheke in Mülheim an der Ruhr.
Wie stellt man eine möglichst kleine Reiseapotheke zusammen? »Sinnvoll sind Arzneistoffe, die der Kunde im Notfall bei verschiedenen Beschwerden einsetzen kann«, sagte Liekfeld. So hilft Ibuprofen gegen Schmerzen jeder Art, zum Beispiel bei Kopf-, Rücken-, Gelenk-, Muskel-, Ohren-, Zahn- und Menstruationsschmerzen. Auch Fieber und Beschwerden bei Sonnenbrand lindert das Mittel. Jugendliche und Erwachsene können bis zu viermal täglich 400 mg einnehmen. Für Kinder ab drei Monaten ist Ibuprofen in Saftform zugelassen. Der Arzneistoff Paracetamol hilft bei Fieber und Schmerzen ohne Altersbeschränkung.
Auch die Arzneisubstanzen Diphenhydramin und Dimenhydrinat eignen sich bei verschiedenen Gesundheitsproblemen: Die H1-Antihistaminika helfen gegen Übelkeit und Reisekrankheit, lindern aber auch Juckreiz und Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut. Eine häufige Nebenwirkung der Präparate ist Müdigkeit; daher werden beide Arzneistoffe auch als milde Schlafmittel eingesetzt.
Mini-Reiseapotheke als Basis
Ein Medikament gegen Durchfall sollte in keiner Reiseapotheke fehlen, denn diese unangenehme Erscheinung plagt sehr viele Reisende. Loperamid stoppt den flotten Darm und ist für Patienten ab zwei Jahren zugelassen (Rezeptpflicht beachten). Wer eher zu Verstopfung neigt, sollte beispielsweise ein Bisacodyl-Präparat einpacken. Gegen Sodbrennen und Magen-Darm-Verstimmungen empfahl Liekfeld ein Schichtgitter-Antazidum und möglichst noch zusätzlich Metoclopramid. Achtung: Der Arzneistoff MCP ist verschreibungspflichtig.
Diese wenigen Arzneistoffe kann die PTA für eine Basis-Reiseapotheke empfehlen, die in jeden Rucksack und jede kleine Reisetasche passt und dennoch bei den meisten Notfällen hilfreich ist. Das Mini-Set sollte die PTA unbedingt durch ein Wunddesinfektionsmittel, zum Beispiel mit Octenidin, Wundschnellverband, Schere, Pinzette, Fieberthermometer und Wundsalbe ergänzen. Eine Wundsalbe für kleine Verletzungen hilft auch bei schmerzhaften Hauteinrissen an Ferse, Ellbogen oder Finger.
Hilfreiches ins Handgepäck
Erst nach diesen »Pflicht«-Bestandteilen der Reiseapotheke folgt die »Kür«. Die PTA sollte den Kunden unbedingt daran erinnern, seine Dauermedikamente in ausreichender Menge mitzunehmen. Ein bewährter Rat: Lieber etwas zu großzügig als zu knapp kalkulieren.
Wer mit dem Flugzeug verreist, sollte einen Teil des Vorrats im Handgepäck transportieren. Dies ist für Menschen mit Diabetes besonders wichtig. Blutzuckermessgerät, Teststreifen und Insulinvorräte sowie die Reiseapotheke gehören in Handtasche oder Rucksack. Hier sind sie sicher, denn so mancher Koffer hat schon eine andere Reiseroute eingeschlagen. Wer mit verschiedenen Gepäckstücken verreist, sollte seine Arzneimittelvorräte darauf verteilen.
Noch ein Tipp für Diabetiker: Insuline und das Glukagon-Notfallset müssen kühl gelagert werden, am besten bei 2 bis 8 °C. Keinesfalls dürfen die beiden Hormone gefroren werden, was vor allem im Frachtraum des Flugzeug passieren kann. Riskant ist auch der direkte Kontakt zu Kühlelementen aus der Gefriertruhe. Bei Ausflockungen, Schlierenbildung oder Farbveränderung sind die Insuline zu vernichten. Kurzzeitig höhere Temperaturen sind aber kein Problem. Insulin, das während des Urlaubs nicht ideal gelagert wird (bis 25 °C), erfährt dadurch nur eine geringe Wirkungsabschwächung.
Wüstenklima im Flugzeug
Mit 6,5 bis 10 Prozent herrscht im Flugzeug »eine Luftfeuchte wie in der Sahara«, sagte Liekfeld. Viele Passagiere klagen über trockene Schleimhäute und trockene Augen. Befeuchtende Augen- oder Nasentropfen seien besonders für ältere Menschen wichtig.
»Viel zu selten wird in der Reiseberatung auf Kompressionsstrümpfe hingewiesen«, rügte Liekfeld. Langes beengtes Sitzen im Flugzeug, in der Bahn oder dem Auto und zu geringe Flüssigkeitsaufnahme behindern die Blutzirkulation in den Beinen und erhöhen die Thrombosegefahr. Patienten mit Venenleiden oder Krampfadern sollten unbedingt Stützstrümpfe tragen und eventuell auf langen Flügen ein niedermolekulares Heparin spritzen – das müssen sie vorab natürlich immer mit ihrem Arzt besprechen, der das Heparin-Präparat gegebenenfalls auf Rezept verschreibt.
»Fragen Sie Ihren Kunden, ob er für bestimmte Erkrankungen anfällig ist«, riet der Apotheker. Beispielsweise wissen viele Frauen, dass sie auf stärkere Sonneneinstrahlung mit Lippenherpes reagieren. Dann kann die PTA schon vorbeugend eine Lippencreme gegen die unangenehmen Bläschen empfehlen. Wenn Frauen berichten, dass sie nach dem Baden im Hotel-Swimmingpool häufig Harnwegsinfektionen bekommen, kann die Mitnahme eines Antibiotikums angebracht sein. Die Frau sollte mit ihrem Arzt besprechen, ob er ihr prophylaktisch beispielsweise ein Fluorochinolon wie Ciprofloxacin verordnet.
Durchfall mit oder ohne Blut
Zu den Arzneimitteln aus der »Basis-Reiseapotheke« sollte die PTA dem Kunden wichtige Hinweise geben. So darf er Loperamid nur bei dünnen wässrigen Diarrhöen ohne Blut- oder Schleimbeimengungen einnehmen, auch darf er kein Fieber haben. Die meisten leichteren Durchfälle werden durch E.-coli-Bakterien ausgelöst und lassen nach einem bis fünf Tagen von selbst wieder nach. Daher darf der Erkrankte Loperamid nur zwei bis maximal drei Tage lang einnehmen. Außerdem sollte die PTA erwähnen, wie wichtig es ist, dass der Durchfallpatient viel trinkt, am besten Tee, dünne Saftschorle oder Wasser. »Spezielle Rehydratationslösungen sind nur bei sehr alten Menschen und Kindern ein Muss«, erklärte Liekfeld.
Vor allem in tropischen Ländern kommen Reisende auch mit anderen aggressiven Durchfallerregern in Kontakt, zum Beispiel mit enteroinvasiven oder enterohämorrhagischen E. coli, Shigellen, Salmonellen oder Campylobacter-Arten. Diese verursachen oft schwere Durchfälle mit Blut- und/oder Schleimbeimengungen sowie Fieber. Eine Infektion mit Amöben kann ohne Beschwerden ablaufen, aber auch eine schwere Kolitis mit krampfartigen Bauchschmerzen, Fieber und blutig-schleimigen Durchfällen auslösen. Fast immer kürzen Antibiotika wie Ciprofloxacin den Verlauf ab.
Vorsicht bei Trinkwasser
Auslöser heftiger Durchfälle sind meist verunreinigtes Wasser oder kontaminierte Speisen. Daher sollte die PTA Tropenreisende an die alte Verhaltensregel erinnern: Peel it, boil it, cook it oder forget it. Will heißen: Alles was man nicht schälen, kochen oder braten kann, sollte man vorsichtshalber nicht essen.
Ideales Obst sind in dieser Hinsicht Bananen, Orangen, Ananas oder Kokosnuss. Grüne Kokosnüsse enthalten zudem noch wertvolle und hygienisch saubere Kokosmilch. In vielen afrikanischen Ländern verkaufen Frauen und Männer grüne Kokosnüsse, die sie nach dem Kauf mit der Machete öffnen und den Touristen zum Trinken anbieten. Dann ist jede Sorge fehl am Platz: Man kann direkt aus der Kokosnuss trinken – hygienisch ist das am besten – oder einen Strohhalm verwenden. Gegartes Gemüse ist viel ungefährlicher als Salat oder Rohkost, kräftig durchgebratenes Fleisch vielleicht zäh, aber unbedenklicher als ein rosa Steak.
Leitungswasser und auch Eiswürfel sind tabu. Mineralwasser sollte man nur in original verschlossenen Flaschen akzeptieren.
Vor vielen schweren Krankheiten schützen heute erfreulicherweise gut verträgliche Impfungen. Gegen Tetanus, Diphtherie und Polio sollte jeder geimpft sein. Ansonsten beinhaltet das Impfschema der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts genaue Empfehlungen. Dabei gilt nur, was im Impfpass dokumentiert ist. Da die wenigsten Menschen zuverlässig sagen können, wogegen sie einen gültigen Impfschutz haben, lohne sich der Blick in den Impfausweis immer, betonte Liekfeld. »Der Impfausweis ist so wichtig wie der Führerschein.«
Schwangere sollten nur Impfungen bekommen, die unbedingt nötig sind, und keinesfalls einen Lebendimpfstoff. Im ersten Schwangerschaftsdrittel sind Impfungen möglichst zu vermeiden, betonte Liekfeld. Stillende können jedoch alle Impfungen erhalten.
Noch ein Tipp für muslimische Kunden, die eine Pilgerfahrt nach Mekka antreten wollen: Um vor einer Hirnhautentzündung durch Meningokokken sicher zu sein, müssen sie den tetravalenten Polysaccharid-Impfstoff bekommen. Dieser schützt vor den Serogruppen A, C, W-135 und Y der Bakterien. Jedoch entwickeln Kleinkinder unter zwei Jahren keinen ausreichenden Impfschutz, da ihr Immunsystem noch unzureichend auf die Polysaccharid-Vakzine reagiert. Besser verträglich und auch für Babys zugelassen ist der Konjugat-Impfstoff, der aber nur vor C-Meningokokken schützt.
PTA-Forum / Reisende nach Südafrika sollten sich über das Risiko einer Tollwutinfektion informieren, rät das Centrum für Reisemedizin (CRM), Düsseldorf. Unter Füchsen, Schakalen und Mungos aber auch unter streunenden Hunden ist das Virus landesweit verbreitet.
In diesem Jahr wurden bereits neun Todesfälle gemeldet, im vergangenen Jahr starben insgesamt 31 Menschen nach Kontakten mit infizierten Tieren. »Viele Menschen gehen davon aus, dass Tollwut nur durch den Biss eines erkennbar kranken Tier übertragen werden kann«, warnt Privatdozent Dr. Tomas Jelinek, wissenschaftlicher Leiter des CRM. Doch auch harmlos und freundlich wirkende Hunde am Straßenrand können infiziert sein. Wer beispielsweise eine leichte Hautverletzung hat, kann sich schon durch den Kontakt mit dem Speichel des Tieres anstecken. Die Inkubationszeit ist relativ lang: Zwischen der Virusübertragung und dem Ausbruch der Erkrankung vergehen meist mehrere Monate. Die Erkrankung äußert sich durch Krämpfe, Erregungszustände und Lähmungen und führt innerhalb weniger Tage zum Tod. Die vorsorgliche Impfung gegen Tollwut wirkt zuverlässig. Allerdings sind für den vollständigen Impfschutz mindestens drei Impfungen innerhalb von mindestens drei Wochen notwendig. Die Kosten für Reiseimpfungen, zu denen auch die gegen Tollwut gehört, werden seit kurzem von einigen gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Quelle: Centrum für Reisemedizin
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
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