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Nikotinverzicht

Alles reine Kopfsache

26.11.2009  21:28 Uhr

Nikotinverzicht

Alles reine Kopfsache

von Gerd Leidig

Pharmazeutische Betreuung beinhaltet weit mehr als die Information über Arzneimittel. In manchen Fällen soll die Beratung in der Apotheke bewirken, dass Patienten ihr Verhalten ändern. PTA und Apotheker können viel erreichen, wenn sie sich auf den Gesprächspartner richtig einstellen. Ein Beispiel ist die Raucherentwöhnung.

Apotheken werden in Zukunft ihre Angebote immer mehr ausbauen. Dabei werden sie auch nicht haltmachen vor medizinischen, psychologischen und pädagogischen Themen. Eine wichtige Rolle wird die sogenannte Veränderungsberatung spielen. Dabei fördern PTA und Apotheker die Änderungsbereitschaft ihrer Patienten oder Kunden und unterstützen diese bei der Umsetzung ihrer guten Vorsätze. Bisher übernehmen diese Aufgabe hauptsächlich im sozialen Bereich Tätige. Die Apotheke von morgen ist als Gesundheits- und Kommunikationszentrum eine ausgezeichnete Plattform, um Menschen bei ihren individuellen Gesundheitszielen wirksam zu unterstützen. Voraussetzung: Das Apothekenteam entwickelt sich in diese Richtung und verfügt über das kommunikative Know-how.

Derzeit dominiert die reine Information über Arzneimittel das Alltagsgeschäft in der Apotheke. Hierbei klären PTA oder Apotheker Patienten oder Kunden eher unverbindlich über allgemeine Aspekte eines bestimmten Arzneimittels oder einer konkreten Erkrankung auf. Im Unterschied dazu orientiert sich die Veränderungsberatung am individuellen Kunden oder speziellen Thema und erfordert meist mehr Zeit. Eine besondere Herausforderung ist die Beratung, die darauf abzielt, das Rauchverhalten des Apothekenkunden zu verändern.

Die Welt des Kunden

Viele Kommunikationstrainer betonen immer wieder, man solle den Kunden »in seiner Welt abholen«. Damit sie diese Empfehlung auch konkret umsetzen können, müssen PTA oder Apotheker mehr über die aktuelle Situation des Kunden wissen, inwieweit er überhaupt motiviert ist, beim Rauchen etwas zu verändern. Ohne diese Information kann es leicht passieren, dass sie mitten in ein Fettnäpfchen treten, beispielsweise wenn sie ihn auf eine Nichtraucheraktion ansprechen. Möglicherweise reagiert der Kunde aggressiv und abwehrend. Diese Gefahr besteht besonders dann, wenn seine Einstellung zum Rauchen aktuell ambivalent ist, er also genau weiß, wie schädlich Rauchen ist und trotzdem nicht damit aufhören kann. Wer ein paar Mal heftige Abwehrreaktionen von Kunden erlebt hat, wird sich eher schwer tun, wenn die Apotheke zum nächsten Weltnichtrauchertag eine neue Aktion starten will.

Eine große Hilfe bei dem Vorhaben, potenzielle Nichtraucher effektiv zu unterstützen, ist das von amerikanischen Verhaltensforschern und Ärzten entwickelte Modell der Verhaltensänderung. Dieses Modell beschreibt gut nachvollziehbar insgesamt sechs einzelne Phasen der Veränderung.

1. Phase: Der glückliche, sorgenfreie und der absichtslose Raucher

In dieser Phase befinden sich zwei sehr unterschiedliche Gruppen. Zum einen die glücklichen Raucher, die jedes Apothekenangebot zur Entwöhnung freundlich lächelnd ablehnen und erklären, dies sei für sie aktuell kein Thema. Oft behaupten diese Raucher auch, wenn sie es wirklich wollten, könnten sie das Rauchen sofort beenden. Die andere Gruppe macht dagegen im Allgemeinen einen nicht ganz so glücklichen Eindruck. Zu dieser Gruppe gehören die sogenannten absichtslosen Raucher, die derzeit nichts ändern wollen, weil sie eher resignieren. Typischerweise haben diese bereits etliche Versuche unternommen, ihre Sucht zu beenden, sind letztlich aber gescheitert. 

2. Phase: Der ambivalente Raucher

Wenn Kunden auf das Thema Rauchen ambivalent reagieren, schwanken sie zwischen zwei sich widersprechenden Antrieben: Zum einen wissen sie ganz genau, dass Rauchen schädlich ist, und ab und zu denken sie darüber nach, ob der Warnhinweis auf der Packungsbeilage auch sie selbst betrifft. Zum anderen drängt sie ein »innerer Anwalt«, am Rauchverhalten festzuhalten. Dieser Anwalt nennt gute, aber eher psychologische Gründe, warum der Raucher in seiner aktuellen Situation unbedingt noch rauchen »muss«.

3. Phase: Der Raucher will etwas ändern

Im Übergang zu dieser Phase ist etwas ganz Interessantes passiert: Der vormals noch ambivalente Raucher hat einen »Ruck« erlebt. Ein verwandtes Phänomen kennen einige sicher aus eigener Erfahrung. Manche Menschen schieben das morgendliche Aufstehen etliche Male hinaus, aber wissen schlagartig irgendwann ganz genau, dass es heißt: Jetzt sofort aufstehen! Diese Erkenntnis unterscheidet sich grundlegend von dem rationalen Wissen, dass zweimal zwei gleich vier ist. Vielmehr als der Kopf, weiß es hier der Körper, der sein Wissen ruckartig bemerkbar macht. In dieser Phase werden erste Schritte zur Veränderung eingeleitet. Vielleicht trägt der Raucher in seinen Terminkalender für den nächsten Monat sogar den Tag seiner letzten Zigarette ein.

4. Phase: Der Raucher als Exraucher 

In den ersten sechs Monaten des Rauchverzichts geht es vor allem darum, dass PTA oder Apotheker den Exraucher fit machen, damit er keinen Rückfall erleidet. Manchmal hilft es, den einmaligen Rückfall besser als Ausrutscher zu bezeichnen, um zu verhindern, dass der Raucher mit der ersten Zigarette gleich sein ganzes Vorhaben aufgibt.

5. Phase: Der bleibende Exraucher

Je länger es dem Raucher gelingt, seinen Entschluss umzusetzen, umso geringer wird die Gefahr des Rückfalls. Schon unmittelbar in den ersten Wochen spürt er die  körperlichen Vorteile, die das Nichtrauchen für ihn hat.

6. Phase: Der stabile Exraucher

Irgendwann wundert sich der Exraucher typischerweise darüber, dass er überhaupt jemals geraucht hat. Manche können den Rauch ihrer »noch« rauchenden Freunde und Bekannten kaum mehr ertragen. Einige mutieren gar zu kämpferischen Nichtrauchern, die auch andere vom blauen Dunst befreien wollen. 

Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Serie. Der nächste Beitrag beschäftigt sich mit den Grundlagen der motivierenden Gesprächsführung.

E-Mail-Adresse des Verfassers:
gerd.leidig(at)online.de