Den Magen beruhigen |
26.11.2009 21:04 Uhr |
Den Magen beruhigen
von Oliver Ploss
Erfahrene Therapeuten erkennen Menschen mit chronischer Gastritis bereits an den Gesichtszügen: Typischerweise führen tiefe Falten rechts und links der Nase, die Nasolabialfalten, bis um den Mundherum. Relativ häufig sind die Lippen der Betroffenen extrem trocken und rissig. Die Therapeuten behandeln Patienten mit Magenproblemen, indem sie den Säure-Basen-Haushalt wieder ins Gleichgewicht bringen.
Der Magen eines gesunden Menschen produziert jeden Tag zwischen zwei und drei Liter Magensaft. Seine Menge und Zusammensetzung werden über Nerven und durch Hormone gesteuert. Emotionen beeinflussen die Magensaftproduktion: So können Schmerz, Angst und Trauer die Sekretion hemmen, Aggressionen und Stress sie hingegen steigern.
Die Magensäure wird in den Belegzellen der Magenschleimhaut produziert. Damit weder die Salzsäure, noch mechanische oder andere chemische Einflüsse die Epithelzellen des Mageninneren angreifen, überzieht eine 0,6 mm dicke Schicht eines viskosen Gels den gesamten Magen von innen. Diese Schleimschicht aus Mucin ist fortwährend mechanischen und enzymatischen Angriffen ausgesetzt und bildet sich ständig neu. Hauptbestandteile des Schleims sind unterschiedliche Glykoproteine.
Wenn die Belegzellen Salzsäure bilden, fällt als weiteres Produkt Natriumhydrogencarbonat, auch Natriumbicarbonat genannt, an (siehe Formel):
NaCl + CO2 +H2O → NaHCO3 + HCl
Zusammen mit dem Magenschleim hat Hydrogencarbonat eine wichtige Schutzfunktion. In der dem Magenepithel aufliegenden Schleimschicht reichert sich das gebildete HCO3- an und sorgt dort für einen pH-Wert von etwa 7, während der pH-Wert im Magenlumen etwa 2 beträgt.
Zusätzlich bilden die Schleimhautzellen und Zellen der glatten Muskulatur des Magens Prostaglandin E2 (PGE2), das ebenfalls die Magenschleimhaut schützt. Es fördert die Freisetzung von Schleim sowie Bicarbonat und regt die Durchblutung der Schleimhaut an, so dass sich das Hydrogencarbonat darin gut verteilt.
Diesen komplexen Schutzmechanismus können aggressive Faktoren beeinträchtigen, zum Beispiel Arzneimittel wie Glucocorticoide, die NSAR, aber auch Ethanol sowie bakterielle Infektionen wie durch Helicobacter pylori.
Entzündete Magenschleimhaut
Die Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis) kann viele Ursachen haben. Akute Entzündungen entstehen, wenn sich die Durchblutung der Schleimhaut verschlechtert oder die Mucosabarriere geschädigt ist. Typische Symptome einer akuten Magenschleimhautentzündung sind ein schlechter Allgemeinzustand, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Oberbauch. Die akute Gastritis heilt gewöhnlich spontan aus, sobald die Ursachen beseitigt sind.
Bei den chronischen Magenschleimhautentzündungen unterscheiden Mediziner zwischen dem Typ A, B und C. Etwa 5 Prozent der Patienten erkranken an Typ-A-Gastritis, einer Autoimmungastritis, bei der der Patient Antikörper gegen die Belegzellen und den Intrinsic-Faktor bildet. Etwa 80 Prozent der Patienten haben eine Typ-B-Gastritis. Bereits der Buchstabe im Namen weist auf die bakterielle Infektion durch Helicobacter pylori hin.
Typische Beschwerden verursacht die Typ-B-Gastritis nicht, zum Teil klagen die Patienten über Blähungen und andere Verdauungsstörungen. Leiden Patienten mehrere Jahre an Typ-B- oder auch an Typ-A-Gastritis, ist ihr Risiko für ein Magenkarzinom erhöht. Die Typ-C-Gastritis macht circa 15 Prozent der Fälle aus. Sie wird durch chemische Noxen verursacht, beispielsweise durch übermäßigen chronischen Alkoholkonsum, eine Dauertherapie mit NSAR sowie inhalatives Zigarettenrauchen.
Als Reizmagen (Non-Ulcer-Dyspepsia) bezeichnen Therapeuten subjektive Beschwerden im mittleren Oberbauch ohne nachweisbare organische Defekte. 30 bis 50 Prozent aller »Magenkranken« leiden an solchen funktionellen Beschwerden. Die Patienten berichten über Druck- und Völlegefühl im Oberbauch, Aufstoßen, Appetitlosigkeit sowie Unverträglichkeiten von bestimmten Speisen und Genussmitteln. Häufig sind die Betroffenen psychisch stark belastet.
Hat sich die Gastritis zu einer chronischen Erkrankung entwickelt, besteht die Gefahr, dass sich ein Magengeschwür (Ulcus ventriculi) oder ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus duodeni) bildet. Die Infektion mit Helicobacter pylori gilt beim Ulcus duodeni als eine der Hauptursachen und beim Magengeschwür sehr wahrscheinlich als die wichtigste exogene Ursache. Es ist jedoch auffällig, dass nur ein relativ kleiner Teil von Helicobacter-pylori-Trägern ein peptisches Ulcus entwickelt, und der »Magenkeim« auch selten in einer gesunden Schleimhaut zu finden ist. Daher müssen anscheinend weitere pathogenetische Faktoren hinzukommen, damit ein Ulcus entsteht.
Gestörter Säure-Basen-Haushalt
Naturheilkundlich orientierte Therapeuten führen die Entzündung der Magenschleimhaut auf eine Störung des Säure-Basen-Haushalts zurück. Sie messen der Basenproduktion in den Belegzellen eine große Bedeutung bei. So lässt sich bei Gesunden ein periodischer Wechsel der pH-Werte des Urins nachweisen, der von den Mahlzeiten abhängt. Der Morgenurin ist sauer, da er die über Nacht angesammelten sauren Stoffwechselprodukte enthält. Etwa ein bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit treten im menschlichen Organismus physiologische Basenfluten auf, meist morgens zwischen 8 und 10 Uhr und eine weitere nach der Hauptmahlzeit zwischen 14 und 16 Uhr.
Bei Patienten mit Magenerkrankungen fehlt sehr häufig dieser Wechsel zwischen Säure- und Basenflut: Entweder verharren sie in einer Säurestarre (die pH-Werte des Urins steigen nie über 6,7) oder einer Basenstarre (die pH-Werte sinken nie unter 7). Eine Flut von Natriumbicarbonat würde eigentlich zu einer sofortigen schwerwiegenden Blutalkalose führen, wenn es nicht wieder rasch zur Herstellung der basischen Verdauungssäfte in der Leber beziehungsweise der Galle, dem Dünndarm und dem Pankreas verbraucht würde.
Andere Naturheilkundler betrachten die Magenschleimhaut als Bicarbonat-Speicher. Unterbrechen zum Beispiel Protonenpumpenhemmer und H2-Blocker dauerhaft die Doppelaufgabe der Belegzellen, kann das dazu führen, dass die wichtige Basenproduktion versiegt. In der Folge kann der Säure-Basen-Haushalt vollständig entgleisen, die Belegzellen können ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, und die Verdauungsleistung ist gestört.
Mehrere Mittel kombinieren
Da naturheilkundliche Therapeuten die chronische Gastritis als Folge eines entgleisten Säure-Basen-Haushalts verstehen, sind sie davon überzeugt, dass die Belegzellen zuerst aktiviert und später insuffizient werden. Daraus folgt als therapeutische Maßnahme, die Belegzellen durch die Gabe von Amara-Drogen (zum Beispiel Abdomilon N Lsg.) anzuregen. Neben Bitterstoffdrogen enthält Abdomilon N auch Melissenextrakt, weshalb das Präparat ebenso bei Patienten mit Reizmagen- und Reizdarmproblemen angezeigt ist. Gleichzeitig sollen Betroffene ein natriumhaltiges Basenmittel (wie Basica vital Pulver oder Bullrich Salz) einnehmen, um das Natriumhydrogencarbonat aus den Belegzellen zu ersetzen. Optimal ist die Kombination mit drei Schüssler-Salzen (siehe Kasten).
Die Therapie wird so lange fortgesetzt, bis die Symptome sich gebessert haben oder ganz verschwunden sind. Durch die Kombination der Präparate baut sich wieder ein basischer Schleimhautschutz im Magen auf, und die Basizität der Verdauungssäfte bleibt sichergestellt.
Nehmen Patienten Omeprazol ein, wird der Therapeut empfehlen, das Arzneimittel auszuschleichen. In den ersten beiden Tagen klagen manche Patienten über verstärktes Sodbrennen, eine völlig normale Folgereaktion der naturheilkundlichen Therapie. Sollten die Beschwerden den Patienten jedoch stark einschränken, kann er durchaus einige Minuten später zusätzlich noch einmal das Basenmittel oder die Schüssler-Salze einnehmen und damit das Sodbrennen lindern. Zu den Heilreaktionen zählen auch kurzfristige Durchfälle.
Bei einem Befall mit nachgewiesenen Helicobacter pylori setzen naturheilkundlich orientierte Therapeuten Wismutverbindungen ein, zum Beispiel Gastritis-Hevert Complex Tabletten.
Das Buch richtet sich an ganzheitlich arbeitende Therapeuten wie Heilpraktiker und Ärzte und auch an Apotheker und PTA, die immer häufiger Regulationstherapien in ihre tägliche Apothekenpraxis einbringen. Der Autor Dr. Oliver Ploss, Apotheker und Heilpraktiker, geht auf die aktuellen therapeutischen, auch medikamentösen Möglichkeiten ein, die es erlauben, gute »alte« Regulationstherapien wie Entgiftung und Ausleitung, Säure-Basen-Haushalt und Darmsanierung zeitgemäß und effektiv umzusetzen. Diese Basisregulationstherapien haben sich vor allem in der Therapie chronischer Erkrankungen bewährt. An den theoretischen Teil schließt sich ein großer praktischer Teil mit Beispielen an.
»Moderne Praxis bewährter Regulationstherapien« von Dr. rer. nat. Oliver Ploss, Heilpraktiker und Apotheker für Homöopathie und Naturheilverfahren, Haug Verlag, 1. Auflage 2007, 139 Seiten, ISBN 978-3-830472-66-8, 29,95 Euro. Zu bestellen beim Govi-Verlag unter Tel. 06196 928257, per E-Mail service(at)govi.de oder unter www.govi.de.
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