Die Apotheke 60plus |
26.11.2009 20:50 Uhr |
Die Apotheke 60plus
von Birgit Saalmüller
In Deutschland leben immer weniger junge Erwerbstätige und immer mehr ältere Mitbürger. Diese Entwicklungbeobachten Demografen seit Jahren. Damit gewinnen Menschen im Rentenalter als Apothekenkunden zunehmend an Bedeutung. Mitgezielten Marketingmaßnahmen lässt sich diese Zielgruppe, auch 60plus genannt, langfristig an die Apotheke binden.
Manche Menschen setzen Marketing mit Werbung oder Reklame gleich, doch Werbung ist nur ein kleiner Bereich des Marketings. Wie umfangreich dieses Fachgebiet tatsächlich ist, zeigt sich bereits in der Vielzahl der Definitionen für diesen Begriff. Die einfachste und verständlichste Definition lautet: »Marketing bezeichnet das Führen eines Unternehmens nach den Bedürfnissen des Marktes.« Das bedeutet, dass die Apothekenmitarbeiter, die die Gruppe 60plus an sich binden möchten, ihre Produkte und Dienstleistungen nach den Wünschen und Bedürfnissen dieser Zielgruppe auswählen.
Der klassische Marketing-Mix basiert auf vier Bereichen. Die Produktpolitik umfasst die Auswahl an Produkten und Serviceleistungen. Hierzu bestimmt die PTA in Absprache mit dem Apothekenleiter einerseits, was die Apotheke anbieten soll, und andererseits, wie die Artikel angeboten werden. Denn die Präsentation der OTC- und Freiwahlartikel sowie das Kundtun der Dienstleistungen trägt entscheidend zum Image der Apotheke bei. Außerdem sorgt die Art der Warenpräsentation für die zielgruppenspezifische Atmosphäre.
Entscheidet sich das Apothekenteam beispielsweise dafür, das Thema Diabetes in den Mittelpunkt zu stellen, muss es die Arzneimittel, spezielle Hilfsmittel, Nahrungsergänzungsmittel und Dienstleistungen auf die Bedürfnisse von Diabetikern ausrichten. Darüber hinaus sollten Diabetiker schon durch die Art und Weise, wie die Waren präsentiert werden, erkennen: Hier bin ich richtig. Für die Auswahl des Angebots entscheidend ist deshalb der konkrete persönliche Nutzen, den Diabetiker in der Apotheke 60plus für sich entdecken.
Beispiele für Produktpolitik:
Zur Preispolitik gehören sämtliche Maßnahmen der Preisfindung für Diabetikerprodukte und -dienstleistungen. Die Preise müssen zwei Kriterien erfüllen: einerseits Kaufanreize schaffen, und andererseits müssen die Kunden die Preise auch akzeptieren. Selbstverständlich gilt es dabei, sämtliche Kosten wie Wareneinsatz, Lagerkosten, aber auch anteilige Personal-, Strom-, Miet- und Zinskosten gedeckt sind. Gewinn wird jedoch erst durch einen entsprechenden Aufschlag erzielt. Dessen Höhe hängt zum einen davon ab, welchen Wert der Kunde dem Diabetesartikel beimisst und zum anderen von der Preispolitik der Hauptkonkurrenten, die die gleichen oder ähnliche Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Beispiele für Preispolitik:
Die Distributionspolitik bezieht sich auf die Frage, auf welche Art und Weise die Apotheke 60plus ihre Kunden mit den Produkten und Dienstleistungen beliefert. Denn das Team der Apotheke 60plus will nicht nur innerhalb der Offizin beraten und Arzneimittel verkaufen, sondern auch die Öffentlichkeit, vor allem Bewohner von Seniorenheimen, über ihr Serviceangebot für die Zielgruppe 60plus informieren. Anlässe hierfür können Stadtfeste, ein Tag der offenen Tür oder auch Gesundheitsmessen sein. Zu diesen Gelegenheiten kann sich die Apotheke 60plus mit einem spezifischen Image profilieren und potenziellen Kunden erklären, wie wichtig bei vielen chronischen Erkrankungen wie Diabetes die umfassende Betreuung aus einer Hand ist. Bei solchen Veranstaltungen können die Apothekenmitarbeiter Interessierte auch über den apothekeneigenen Lieferdienst sowie ihren Versand informieren.
Beispiele für Distributionspolitik:
Zur Kommunikationspolitik zählen alle Fragen, wie die Apotheke 60plus ihre Kunden auf die Produkte und Dienstleistungen aufmerksam macht. Beispielsweis kann die PTA eine Liste mit Erfolg versprechenden Werbemaßnahmen zusammenstellen. In einer Mitarbeiterbesprechung wird dann gemeinsam beschlossen, ob neben Schaufensterdekorationen und Anzeigen in der regionalen Tagespresse auch Mailings verschickt und Faltblätter bei den Ärzten in der direkten Nachbarschaft ausgelegt werden sollen.
Beispiele für Kommunikationspolitik:
Außergewöhnlicher Service
Um die Gruppe der 60plus Kunden langfristig zu binden, sollte das Apothekenteam festlegen, welche besonderen Service-Angebote es über das Jahr verteilt anbieten möchte. Für die Zielgruppe 60plus bieten sich eine Reihe von Beratungsleistungen und Check-ups an. Da die Funktionsfähigkeit verschiedener Organe im Alter meist eingeschränkt ist, vertragen ältere Menschen und Senioren häufig bestimmte Nahrungsmittel und auch Arzneimittel nicht mehr so gut. Außerdem essen viele ältere Menschen zu wenig abwechslungsreich und sind dadurch oft fehl- oder sogar mangelernährt.
Gemeinsam mit einer Ernährungsberaterin können PTA, vor allem wenn sie eine Weiterbildung zur Fach-PTA Ernährung absolviert haben, Informationsabende oder spezielle Kochkurse zum Thema »Altersgerechte Ernährung« anbieten. Als Kooperationspartner, die die Aktionen in ihrer Werbung mit unterstützen könnten, bieten sich an: der örtliche Bioladen, Metzger, Bäcker, aber auch das kleine Einkaufszentrum in der Nähe der Apotheke. In einer örtlichen »Seniorenwoche« könnten alle Kooperationspartner Produkte für die Zielgruppe 60plus anbieten. Werbebroschüren und Faltblätter, die auf die Veranstaltungen in der Apotheke hinweisen, sollten alle Partner rechtzeitig gut sichtbar auslegen.
Für die Gruppe der älteren Diabetiker kann das Apothekenteam besondere Schulungen durchführen. Viele Diabetiker messen ihren Blutzuckerspiegel zu Hause. Doch bei diesen Messungen können leicht Fehler auftreten. So kann das Team der Apotheke 60plus in speziellen Schulungen oder in individuellen Beratungsterminen die korrekte Durchführung von Blutzuckermessungen mit den Betroffenen üben und ihnen entsprechende Tipps geben. Und noch ein besonderer Service: ein Informationsblatt oder Tagebuch für Diabetiker über regelmäßige Untersuchungen wie die Kontrolle der Füße, der Augen, der Nierenwerte (Kreatinin, Albumin), des Harnzuckers, des HbA1c-Werts, des Blutdrucks und der Blutfettwerte.
Positionierung als Apotheke 60plus
Hat sich erst einmal herumgesprochen, dass die Apotheke die Zielgruppe 60plus mit besonderen Dienstleistungen anspricht, werden auch bald alle Serviceangebote genutzt, zum Beispiel zu den Themen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Augengesundheit, Kontinenz, Haut- und Haargesundheit oder Rückengesundheit. Für ältere Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen kann die Apotheke unter anderem Beratungen zu den Themen herzgesunde Ernährung, Raucherentwöhnung, Blutdruckmessung, Gewichtsreduktion und Bewegungstherapie anbieten. So müssen beispielsweise Menschen mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko bei sportlicher Betätigung auf ihren Puls achten. Ein speziell gestaltetes Faltblatt mit Informationen über die richtige Pulsfrequenz beim Sporttreiben ist ein besonderer Service.
Die altersgerechte Offizin
Wer sich zur Profilierung seiner Apotheke für die Zielgruppe 60plus entschlossen hat, muss die Einrichtung der Offizin kritisch prüfen. So gilt es beispielsweise, sich in die Situation eines Gehbehinderten hineinzuversetzen. Zu einer zielgruppenspezifischen Offizineinrichtung gehören unter anderem:
Die Kundenbindung der Apotheke 60plus gelingt um so besser, je mehr sich das Team in seinem Angebot an den Wünschen und Bedürfnissen der Zielgruppe orientiert und dies in regelmäßigen Aktionen deutlich macht.
Das Buch »Ältere Patienten in der Apotheke« informiert über die physiologischen Besonderheiten im Alter und geht dabei auf typische Erkrankungen und Beschwerden sowie deren Therapie ein. Arzneimittelgruppen, die bei Senioren häufig nicht unproblematisch sind, werden vorgestellt. In jedem Kapitel helfen Tipps bei der Vorbereitung auf Beratungsgespräche.
Das Buch kostet 21,80 Euro, umfasst 160 Seiten und ist unter der ISBN 978-3-7741-1030-4 erschienen im Govi-Verlag, Postfach 5360, 65728 Eschborn, Telefon 06196 928250.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
dialog(at)apothekenzukunft.de