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Selbstmedikation

Hilfe für den trägen Darm

23.11.2009  11:05 Uhr

Selbstmedikation

Hilfe für den trägen Darm

von Christiane Eickhoff

Vielen Betroffenen ist es peinlich, ihr Verdauungsproblem anzusprechen. Daher sind sie verunsichert, was sie als »normalen« Stuhlgang ansehen sollen. Welche Ursachen liegen einer Verstopfung zugrunde und was hilft, wenn die Verdauung nicht funktioniert?

Nach einer Umfrage des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte leiden etwa jeder zehnte Mann und sogar ein Viertel aller Frauen unter Obstipation. Eine Stuhlfrequenz unter zwei- bis dreimal pro Woche gilt in Fachkreisen als Obstipation. Da so viele Menschen betroffen und die meisten Abführmittel rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind, ist Verstopfung eine der wichtigsten Indikationen in der Selbstmedikation.

Laxanzien sind in der Regel nicht mehr erstattungsfähig, daher müssen die Betroffenen die Kosten selbst übernehmen. Doch es gibt eine Reihe von Ausnahmen. So hat der Gemeinsame Bundesausschuss festgelegt, dass die Gesetzlichen Krankenkassen nach wie vor die Kosten für Abführmittel übernehmen müssen, wenn der Arzt die Arzneimittel im Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen oder Therapien verordnet, beispielsweise bei Tumoren, Megakolon, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, vor diagnostischen Eingriffen sowie bei Opiattherapie.

Die Ursachen einer Obstipation sind vielfältig. Deshalb müssen PTA oder Apotheker in der Beratung zunächst klären, ob sie den Patienten an den Arzt verweisen müssen. Hierbei helfen gezielte Fragen: Seit wann haben Sie Beschwerden? Wann war der letzte Stuhlgang? Wie war der Stuhlgang beschaffen? Haben Sie bereits etwas unternommen, eventuell ein Arzneimittel probiert? Nehmen Sie regelmäßig andere Arzneimittel? Wichtige Punkte bei der Ursachenforschung sind auch die Ernährung und sportliche Aktivitäten. Das Gespräch erfordert neben fachlichem Wissen vor allem Einfühlungsvermögen und Feingefühl, damit die Betroffenen über dieses tabuisierte Thema sprechen. In jedem Fall müssen PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch die Grenzen der Selbstmedikation sorgfältig prüfen (siehe Kasten).

Grenzen der Selbstmedikation (Beispiele)

  • Kinder unter sechs Jahren
  • Schwangere und Stillende
  • chronische Verstopfung
  • Verdacht auf Laxanzienmissbrauch
  • unklare, akute Schmerzen
  • Einnahme obstipierenderArzneimittel
  • gastrointestinale Symptome wie Übelkeit oder Erbrechen
  • Schleim oder Blut im Stuhl
  • Magen-Darm-Entzündungen
  • Darmverschluss
  • Teerstuhl

Manchmal ist eine Verstopfung Folge einer behandlungsbedürftigen Erkrankung, zum Beispiel einer Schilddrüsenunterfunktion oder einer Dickdarmentzündung. Es besteht häufig auch ein Zusammenhang zwischen Obstipation und dem seelischen Befinden, beispielsweise einer Depression. Ebenfalls können die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft, Bettlägerigkeit oder Arzneimittel zu Verstopfung führen. Der Fehlgebrauch von Abführmitteln kann eine Obstipation verstärken. Über diese unterschiedlichen Aspekte sollten PTA und Apotheker die Patienten informieren. Grundsätzlich sollten sie den Patienten Zusammenhänge erläutern und gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Trotz der oft harmlosen Verstopfung ist der physische und psychische Leidensdruck der Betroffenen groß, zum Beispiel wegen der Schmerzen bei der Defäkation. Deshalb sollten PTA oder Apotheker die Patienten immer ernst nehmen und versuchen, Vorurteile zu entkräften. Relativ weit verbreitet ist der Irrglaube, man könne sich durch die verzögerte Entleerung innerlich vergiften.

Lebensgewohnheiten ändern

Oftmals liegt die Ursache für eine Verstopfung in den Lebensgewohnheiten: Stress, mangelnde körperliche Bewegung, Fehler in der Lebensführung oder Ernährung, ungewohntes Essen auf Reisen, aber auch ein Krankenhausaufenthalt. Ist Stress der Auslöser, können Entspannungsmaßnahmen helfen. Gerade solchen Patienten sollten PTA oder Apotheker dazu raten, dass sie sich ausreichend Zeit für den Toilettenbesuch nehmen. Da der Darm vor allem morgens sehr aktiv ist, sollte jeder den Tag möglichst ohne Hetze beginnen. Bei vielen Menschen bringt eine Tasse Kaffee oder ein Glas Wasser früh morgens bereits den Darm auf Trab. PTA oder Apotheker müssen die Patienten auf die Notwendigkeit hinweisen, mindestens zwei Liter pro Tag zu trinken, bevorzugt Wasser oder ungesüßte Getränke wie Kräutertees. Dieser Hinweis ist vor allem für ältere Patienten wichtig, da mit dem Alter das Durstempfinden nachlässt.

Bei leichter Obstipation reicht oft die Umstellung der Ernährung auf sehr ballaststoffhaltige Nahrungsmittel aus. Besonders ballaststoffreich sind Vollkornprodukte, Blattsalate, Obst und Gemüse. Trockenobst enthält ebenfalls viele Ballaststoffe und eignet sich gut als Zwischenmahlzeit. Ballaststoffe erhöhen durch ihr Wasserbindungsvermögen das Volumen des Darminhaltes und lösen so den Defäkationsreflex aus. Zusätzlich wirken sie sich günstig auf die Darmflora aus. Vergorene Milchprodukte wie Joghurt oder Buttermilch können die Verdauung zusätzlich unterstützen. Die enthaltene Milchsäure regt die Darmperistaltik an und fördert so die Verdauung. Eine Ernährungsumstellung ist jedoch kein »Allheilmittel«, das die Probleme aller Patienten löst.

Ballaststoffreich essen 

Präparate mit Ballaststoffen aus der Apotheke enthalten beispielsweise Indischen Flohsamen, Leinsamen oder Weizenkleie. Bis zum Wirkungseintritt müssen sich die Patienten gedulden. Erst nach sechs bis zwölf Stunden können sie mit einem Effekt rechnen. Die Dosierungsempfehlung für Indische Flohsamen lautet: pro Tag 10 bis 40 Gramm (ein bis vier Esslöffel). Von Vorteil ist ihr geringer Fettanteil von nur 10 Prozent. Leinsamen dagegen ist mit einem 40-prozentigen Fettanteil deutlich kalorienreicher. Patienten mit Verdauungsproblemen sollen zwei- bis dreimal täglich einen Esslöffel (30 bis 75 Gramm) Leinsamen nehmen. Bei Weizenkleie sollten die Patienten innerhalb von ein bis zwei Wochen die tägliche Dosis von 10 Gramm auf 20 bis 30 Gramm erhöhen.

Wichtigster Hinweis: unbedingt zur Einnahme der Ballaststoffpräparate viel trinken! Die Ballaststoffe quellen sonst nicht ausreichend und wirken dann auch nicht. Eine zu geringe Flüssigkeitsmenge erhöht außerdem das Risiko, dass die Ballaststoffe den Darm verkleben oder sogar zum Darmverschluss führen.

Beheben Ernährungsumstellung und mehr Bewegung die Obstipation nicht, können PTA oder Apotheker ein Laxans empfehlen. Vorab müssen sie sicher stellen, dass keine Kontraindikation vorliegt (siehe Kasten). Ist dies nicht der Fall, spricht nichts gegen die kurzfristige Anwendung eines Abführmittels. Kurzfristig bedeutet: für die Dauer von einer bis zwei Wochen.

Osmotische Laxanzien

Osmotisch wirkende Abführmittel halten Wasser im Darm zurück, sodass der Stuhl erweicht wird. Zu dieser Gruppe gehören Lactulose, Mannitol und Sorbitol, Polyethylenglykole (Macrogol) und die salinischen Abführmittel Glaubersalz und Bittersalz. Auch hier gilt der Hinweis: bitte ausreichend trinken. Manche Patienten reagieren auf diese Laxanzien mit Magen-Darm-Beschwerden.

Bittersalz (Magnesiumsulfat) und Glaubersalz (Natriumsulfat) sind nicht für die wiederholte Einnahme geeignet, sondern sollten nur einmalig im Rahmen einer Fastenkur angewandt werden. Zucker und Zuckeralkohole werden durch Darmbakterien unter anderem zu Essig- und Milchsäure abgebaut. Hierdurch wird die Darmtätigkeit zusätzlich angeregt. Die Wirkung tritt erst nach acht bis zehn Stunden ein. Schwangeren, Stillenden und Kindern wird die Einnahme von lactulosehaltigen Präparaten empfohlen, da Lactulose nicht resorbiert wird.

Bei Macrogol (wie in Movicol®, Macrogol Stada und Laxatan®) treten seltener Magen-Darm-Beschwerden auf als nach Lactulose- oder Ballaststoffeinnahme. Polyethylenglykol bindet eine definierte Menge Wasser und erweicht so den Stuhl. Im Gegensatz zu den anderen osmotisch wirksamen Laxanzien entzieht Macrogol dem Körper keine Flüssigkeit Auch diese Substanz wird aufgrund des hohen Molekulargewichtes nicht resorbiert. Ein weiterer Vorteil ist die gute Wirksamkeit auch in hartnäckigen Fällen.

Pflanzliche Laxanzien 

Pflanzliche Anthranoide, Rizinusöl und Diphenole wirken stark abführend. Sie blockieren das Enzym ATPase und hemmen insbesondere auf diesem Weg die Resorption von Wasser und Natriumionen aus dem Darm. Anthranoide sind in Aloe, Faulbaumrinde, Sennesblättern und -früchten, Rhabarberwurzel und Kreuzdornbeeren enthalten. Viele Patienten nehmen an, pflanzliche Arzneimittel seien besonders nebenwirkungsarm. Dies begünstigt die unkritische Anwendung der Präparate und damit den Arzneimittelmissbrauch, bei Laxanzien ein weit verbreitetes Problem.

In den vergangenen Jahren berichteten die Medien immer wieder über ein mögliches Krebsrisiko durch Anthranoide, da epidemiologische Studien ergaben, dass Obstipation und der Langzeitgebrauch von Laxanzien das Risiko für Kolonkarzinome erhöhen. Inzwischen gilt dieser Zusammenhang als unsicher; vermutlich ist das Krebsrisiko nicht auf die Anthranoide, sondern auf falsche Ernährungsgewohnheiten, das heißt zu fleisch- und fetthaltige sowie zu ballaststoffarme Kost zurückzuführen.

Synthetische Diphenole

Bei den synthetischen Substanzen Bisacodyl (wie in Dulcolax®) und Natriumpicosulfat (wie in Laxoberal®) ist die kurzfristige Anwendung in der Regel unproblematisch. Gelegentlich reagieren Patienten mit Magenunverträglichkeiten. Nach oraler Einnahme wirkt Bisacodyl innerhalb von sechs bis zehn Stunden. Daher lautet die Empfehlung: das Präparat vor dem Schlafengehen einnehmen, sodass die Wirkung am nächsten Morgen eintritt. Bisacodylzäpfchen wirken innerhalb von 30 bis 60 Minuten.

Natriumpicosulfat wirkt nach drei bis sechs Stunden. Die Tropfenform ermöglicht eine individuelle Dosierung und eignet sich auch für Patienten, die nach und nach ohne Abführmittel auskommen wollen. In einem solchen Fall verringern die Betroffenen zunächst die tägliche Tropfenzahl um jeweils einen Tropfen pro Dosis. Danach setzen sie die Einnahme tageweise aus.

Laxanzienfehlgebrauch

Beim Dauergebrauch von Laxanzien besteht grundsätzlich die Gefahr einer Gewöhnung; nur Quellstoffe bilden eine Ausnahme. Ursache ist der Wasser- und Salzverlust durch die längere Anwendung. Insbesondere der Kaliummangel macht den Darm träge und verstärkt wiederum die Obstipation. Ein Teufelskreis entsteht: Der Patient braucht erneut Abführmittel, und das Problem nimmt zu. Deshalb werden beispielsweise den Macrogol-Präparaten Elektrolyte zugesetzt.

Dennoch ist es falsch, bei jedem Dauergebrauch von einem Missbrauch auszugehen. Der Dauergebrauch kann medizinisch durchaus indiziert sein. Missbrauch liegt nur dann vor, wenn der Patient Abführmittel ohne gesicherte Indikation oder in zu hoher Dosierung einnimmt. Viele Patienten wissen zu wenig über die Darmfunktion und nehmen daher unnötig Laxanzien ein. In diesen Fällen ist Aufklärung erforderlich.

Auf ältere Patienten achten 

Ältere Menschen leiden im Vergleich zu jüngeren deutlich häufiger unter Obstipation. Mit zunehmendem Alter steigt oft auch der Arzneimittelverbrauch. Dazu kommen physiologische Veränderungen im Alter: Das Gesamtkörperwasser und der Kaliumspiegel nehmen ab.

Der längere Gebrauch von Abführmitteln kann die Natrium- und Kaliumspiegel noch zusätzlich erniedrigen. Zu den Symptomen gehören Muskelschwäche, Gangunsicherheiten, Appetitverlust und Verwirrtheit. Den möglichen Zusammenhang mit Abführmitteln übersehen die meisten Ärzte und führen die Symptome auf das Alter zurück. PTA und Apotheker sind hier gefordert, den Abführmittelgebrauch kritisch zu hinterfragen. Häufig sind sie als einzige darüber informiert, weil der ältere Patient das Laxans regelmäßig in der Apotheke kauft. Die Beratung dieser Patienten erfordert viel Fingerspitzengefühl, Diskretion und ausreichend Zeit. 

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
c.eickhoff(at)abda.aponet.de