Von kalten Füßen und heißen Sohlen |
19.11.2010 18:22 Uhr |
Von kalten Füßen und heißen Sohlen
Von Maria Pues, Mainz / »Schöne Schuhe sind wichtiger als schöne Kleider«, sagte Marlene Dietrich. Eine Ausstellung im Landesmuseum Mainz zeigt ein Paar ihrer Schuhe und viele berühmte Exemplare.
Die meiste Zeit seines Lebens verbringt der Mensch nicht im Bett, sondern vermutlich in seinen Schuhen. Durchschnittlich kaufen die Deutschen drei bis fünf Paar Schuhe pro Jahr. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Manch einer ersetzt seine Lieblingstreter nur widerwillig.
Die italienische Regenbogen-Sandalette entwarf 1938 Salvatore Ferragamo für die Schauspielerin Judy Garland.
Foto: Archiv Salvatore Ferragamo
Andere, beispielsweise Udo Lindenberg kaufen, wenn sie die Passenden gefunden haben, gleich mehrere Paare – für den Fall, dass die geliebten Stücke einmal ersetzt werden müssen. »Schuhe kaufen macht glücklich«, meinen sogar einige Zeitgenossen und gönnen sich das Vergnügen, so oft es der Geldbeutel möglich macht, manchmal auch etwas öfter.
Geschichten von Glücksschuhen
Schuhe bewahren ihren Träger in erster Linie vor nassen und kalten Füßen. Dass sie auch Glück bringen können, glauben diejenigen, die mit einem Paar kleiner Kinderschuhe am Rückspiegel ihres Autos herumfahren. Dieses Ritual gibt es übrigens nicht erst seit Erfindung der Autos. Im 19. Jahrhundert haben Eltern die ersten Schuhe ihrer Sprösslinge galvanisieren lassen, wodurch die Schuhe metallisch fest und glänzend wurden. Danach verwendeten sie diese als Talisman und Glücksbringer. Dies ist nur ein Beispiel von vielen ausgefallen Exemplaren, die man bis zum 9. Januar 2011 in der Ausstellung »Schuhtick« im Mainzer Landesmuseum bestaunen kann. Dort finden sich außer den Glücksschuhen, sexy Schuhe, Designerkunstschuhe, Hatte-ich früher-auch-mal-Schuhe und solche, die man garantiert noch nie gesehen hat.
Übrigens können die Besucher der Ausstellung auch »berühmte« Schuhe bewundern, die ihrem Träger Glück gebracht haben. So zeigt das Museum auch die Glücksschuhe des ehemaligen Supermodels Waris Dirie. Das sind keine extravaganten High-Heels, wie man vielleicht erwarten würde, sondern strapazierte Treter, die aussehen, als hätten sie eine Weltumwanderung hinter sich. Dieses eigene Paar Schuhe waren ein lang gehegter Wunsch des ehemaligen Nomadenmädchens, das in der Wüste Somalias aufwuchs. Dass das spätere Topmodel sie lange Zeit nicht hergab, selbst als ihre Traumkarriere Wirklichkeit geworden war, kann man sich leicht vorstellen. Waris Dirie soll mit ihnen auf Castings und Konferenzen erschienen sein.
Ein Bananenschuh
Foto: Übersee-Museum, Bremen
Nicht nur Geschichten über berühmte Schuhe, auch die Geschichte der Schuhe selbst präsentiert die Ausstellung. So gibt es Schuhe mit Absatz hierzulande »erst« seit rund 400 Jahren. Die Idee des Absatzes stammt aus dem Orient. Das erhöhende Schuhwerk faszinierte die Fürsten der Barockzeit und ergänzte perfekt ihr würdevolles Auftreten. Später klebten sich die Reiter aus rein praktischen Gründen Absätze unter ihre festen Stiefel. Derart gestiefelte Füße fanden in den Steigbügeln sicheren Halt.
Autoreifen als Schuhsohlen
Zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten der Erde wurden Schuhe nicht nur aus Leder, Fell oder Stoff gefertigt. Hierzulande sind Schlappen aus Bast, geflochtener Rinde oder Holz eher Exoten. Viele Holzschuhe waren extrabreit gearbeitet, damit ihre Träger nicht im Moor versanken. Doch meistens bestimmte nicht der Zweck, welches Material verwendete wurde, sondern man verarbeitete, was man kriegte. Unter Umständen wurde sogar eingesetzt, was anderweitig übrig war: Autoreifen zum Beispiel.
Ein Modell für zwei Füße
Ob römische Legionärssandale, Designerschuh oder Gummistiefel, alle Schuhe gehen auf nur fünf Grundformen zurück: Sandale, Mokassin, Schuh, Pantoffel und Stiefel. Um einen Schuh herzustellen, benötigt der Schuster den sogenannten Leisten, einen Fuß aus Holz, über den er das Leder aufzieht. Dass es Leisten für den rechten und linken Fuß gibt, war nicht immer selbstverständlich. Zwar hatten die Römer bereits rechte und linke Schuhe, und auch hierzulande fertigten die Schuster bis vor etwa 300 Jahren zweierlei Seiten. Doch plötzlich verdrängte nur noch der Einheitsschuh für beide Füße das Paar. Ihre Träger mussten die Schuhe zunächst »einlaufen«, also nur lange genug immer am selben Fuß tragen, bis sie halbwegs passten. Erst um 1900 besann man sich wieder früherer Errungenschaften.
Diesen Schuh trug Jürgen Klinsmann bei der Fußball-WM 1998 in Frankreich.
Foto: Deutsches Olympia- und Sportmuseum, Köln
Seit dieser Zeit gibt es auch Kinderschuhe. Selbstverständlich trugen Kinder bereits zuvor Schuhe – allerdings kleine Erwachsenenschuhe. Die Erkenntnis, dass sich weiche Materialien für Kinderfüße besser eignen, musste sich erst mühevoll durchsetzen. Übrigens: Einheitsschuhe gibt es auch noch heute. Bei Moon Boots lassen sich rechts und links nicht auseinander halten.
Folge mir!
Schuhsohlen so zu gestalten, dass man beim Gehen auf weichem Untergrund eine unverwechselbare Spur hinterlässt, ist keine neue Idee der Schuhhersteller. Darauf sind bereits vor 1800 Jahren »leichte Mädchen« im antiken Alexandrien gekommen. Beim Gehen signalisierten sie Interessenten mit ihrem Sohlenabdruck im Sand: »Folge mir!«
So direkt muss man heutzutage nicht mehr werden, wenn man das Interesse des anderen Geschlechts wecken will. Schuhe spielen aber immer noch eine wichtige Rolle, weil sie den Menschen verwandeln. Sie machen nicht nur im Märchen aus Aschenbrödel eine Prinzessin, sondern verändern ihre Trägerin auch »im richtigen Leben«. »Gib einem Mädchen die richtigen Schuhe, und sie wird die Welt erobern«, sagte die US-amerikanische Sängerin und Schauspielerin Bette Middler. Jede Frau verschafft sich durch die Auswahl der Schuhe ihren ganz persönlichen Auftritt, ob sie sich für elbkahnförmigen Gesundheitslatschen entscheidet oder für aufregende 11-Zentimeter-High-Heels à la Marilyn Monroe. Das kann jede Dame selbst einmal testen – vor dem Spiegel oder auf dem Catwalk wie in der Mainzer Ausstellung. Das Museum hält dazu eine Menge Schuhe zum Ausprobieren und Präsentieren bereit. /
Die Ausstellung »Schuhtick« läuft bis zum 9. Januar 2011 im Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49-51, 55116 Mainz, Telefon 06131 2857-0, www.landesmuseum-mainz.de, E-Mail: kontakt(at)landesmuseum-mainz.rlp.de
Öffnungszeiten:
Dienstag 10 bis 20 Uhr,
Mittwoch bis Sonntag 10 bis 17 Uhr,
Montag geschlossen
Eintrittspreise: 8 Euro, ermäßigt 5,50 Euro