Der Zauber der Düfte |
26.07.2013 09:04 Uhr |
Von Ernst-Albert Meyer / Das Bestreben der Menschen, durch besondere Wohlgerüche ihre Attraktivität zu steigern, vor allem das sexuelle Begehren des Geschlechtspartners zu wecken, hat eine lange Tradition. Im alten Rom war kein Fest denkbar ohne den betörenden Duft zahlreicher Blüten und des sehr beliebten Weihrauchs.
Um ihre erotische Anziehungskraft zu erhöhen, salbten und parfümierten sich in der Antike Frauen und Männer mit wohlriechenden Ölen und Essenzen, besonders vor Festen und Gastmählern. Dies trieben sie so weit, dass sie für jedes Körperteil eine spezielle Salbe gebrauchten und in Körperhöhlungen Parfümkugeln versteckten. Damit wollten sie die Liebe und das Verlangen des Partners beziehungsweise der Partnerin wecken, steigern oder erhalten. Die Parfümkugeln der Antike kamen im Frankreich des 18. Jahrhunderts durch Madame de Pompadour (1721 bis 1764), die Mätresse von Ludwig XV., erneut groß in Mode.
Die alten Ägypter verwendeten Duftstoffe nicht nur im Privatleben in großen Mengen, sondern auch zum Einbalsamieren ihrer Toten und als Opfergaben für die Götter. Damals ein sehr teures Vergnügen! Dabei verbrauchten sie die größten Mengen zweifellos für die Körperpflege.
Kaiserin Kleopatra nutzte die Wirkung wohlriechender Öle mit Erfolg: Marc Antonius konnte ihren Reizen nicht widerstehen.
Illustration: Steffen Köpf
Schiffe ins Weihrauchland
Nach einem ausgiebigen Bad rieben sich die Ägypter am ganzen Körper mit duftenden Salben und Ölen ein. Diese enthielten außer den in Ägypten beheimateten Pflanzen wie Origanum (Echter Dost) und bittere Mandeln auch teure Importe wie Weihrauch, Myrrhe und Zimt. So schickte beispielsweise die berühmte Pharaonin Hatschepsut im Jahr 1482 v. Chr. Schiffe in das Weihrauchland Punt an der Küste von Somalia, die mit Weihrauchbäumen, Myrrhe, Zimt und anderen aromatischen Pflanzen nach Ägypten zurückkehrten.
Als Salbengrundlagen verwendeten die Ägypter zur Zeit der Pharaonen tierische Fette, Bienenwachs und die aus Behennüssen (Salbeneicheln) oder Sesamsamen gewonnenen Öle, später auch Olivenöl. Arme Ägypter konnten sich nur Salben und Öle leisten, die mit dem billigen Kastoröl (Rizinusöl) hergestellt wurden. Bei der Salbenherstellung reinigte man zuerst die Duftstoff-haltigen Pflanzenteile und erhitzte sie dann zusammen mit Wasser und der Salbengrundlage. Bei dieser Prozedur gingen die Duftstoffe in das Fett über. Nach dem Abtrennen des Wassers war die Duftsalbe fertig.
Das Verbrennen von Weihrauch und anderen Kräutern in goldenen Schalen erfüllte bei Festen die Luft mit Wohlgerüchen.
Foto: Fotolia/LoSa
Beliebt war bei den Ägyptern eine ganze Vielzahl duftender Zusätze zu Kosmetika: Neben Weihrauch, Myrrhe und Zimt favorisierten sie Lilien und Lotosblüten, Kalmus, Rosinen, Wacholderbeeren, Kardamom, Zypergras, Erdpech aus Judäa sowie duftende Rinden und Hölzer wie Ebenholzrinde, Zedern-, Zypressen- und Sandelholz. Diese Duftstoffe wurden einzeln oder in den verschiedensten Kombinationen in Salben und Öle eingearbeitet.
Gesalbte Perücken
Bei allen Festen gehörte es zu den ersten Aufgaben der Sklaven, die kahlen Häupter der eintreffenden Gäste oder deren Perücken mit Duftsalben einzureiben. Viele kahlköpfige Ägypter trugen Perücken als Sonnenschutz. Während der Feste erfreuten frische duftende Blüten die Gäste: Ketten aus Lotusblüten schmückten ihre Hälse, um die Weinbecher rankten sich Girlanden aus Safran, im ganzen Raum hingen duftende Blumengirlanden und sogar auf dem Boden lagen zahllose Blüten. In speziellen Schalen verbrannten Sklaven Weihrauch und Myrrhe. Alles vermischte sich zu einem betäubenden Duft – der ein Vermögen kostete. Hinzu kamen die einschmeichelnden Melodien der Musikanten, erlesene Speisen und Weine sowie die aufreizenden Tänze schöner Sklavinnen. Kein Wunder, dass viele Feste als Orgie endeten.
Der griechische Historiker Herodot (um 484 bis um 420 v. Chr.) berichtete über eine Besonderheit bei den Gastmählern der Ägypter: Auf dem Höhepunkt der Schwelgerei betrat ein Mann den Festsaal, der das naturgetreue, geschnitzte und bemalte hölzerne Abbild eines toten Körpers trug und den Gästen zurief: »Schaut dies an, trinkt und seid froh, denn so werdet ihr nach eurem Tod sein!« Vermutlich stachelte diese Mahnung die Gäste an, noch intensiver zu feiern.
Dass schon die schöne Kleopatra (69 bis 30 v. Chr.) die Wirkung wohlriechender Kosmetik bewusst einsetzte, ist bis heute bekannt. Schließlich hat die ägyptische Königin ein Werk über Schönheitspflege und Duftstoffe geschrieben. Vor der historischen Begegnung mit dem römischen Feldherrn Marc Antonius im Jahr 41 v. Chr. an den Ufern des Cydnus ließ die Königin die Segel ihres Schiffes in kostbare Parfüms tauchen. Und der Thron Kleopatras war von brennenden Weihrauchgefäßen umringt. Kein Wunder, dass Antonius ihren Reizen erlag.
Duftstoffe der Bibel
Wahrscheinlich lernten die Juden in der ägyptischen Gefangenschaft die hoch entwickelte Kosmetik der Ägypter kennen und schätzen. Als Moses um das Jahr 1240 v. Chr. die Juden aus Ägypten herausführte, erhielt er von Jahwe, dem Gott Israels, die Weisung: »Du sollst auch einen Räucheraltar machen, zu räuchern, von Akazienholz…und Aaron soll darauf räuchern gutes Räucherwerk alle Morgen.« Als Räucherwaren, die verbrannt werden sollten, nannte Jahwe: Balsam, Stakte, Galbanum und Weihrauch. Balsam ist ein Gummiharz des duftenden Strauches Amarys, der an den südlichen Berghängen des heiligen Landes wächst, Stakte ein Produkt aus Myrrhe und Galbanum ist das Gummiharz bestimmter Ferula-Arten. Als weitere Duftdrogen liebte das jüdische Volk Safran, Aloe, Zimt, Granatäpfel, Storax, Benzoeharz, Mastix, Kalmus und Myrte. Storax, Benzoeharz und Mastix sind wohlriechende pflanzliche Harze.
Das Hohelied der Bibel, dass in Gedichtform die Liebe zwischen Mann und Frau schildert und König Salomo zugeschrieben wird, zählt die damals benutzten Duftstoffe auf: Ihr Körper duftet »wie ein Lustgarten von Granatäpfeln, Hennadolden, Nardenblüten, Krokus, Gewürzrohr und Zimt, alle Weihrauchbäume, Myrrhe, Aloe und allerbester Balsam.« Und weiter spricht Salomo zur Geliebten: »Der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze.«
Die List der Judith
Wie erfolgreich jüdische Frauen mit duftenden Salben und Ölen ihre erotische Ausstrahlung erhöhten, dokumentiert ein Bericht aus der Bibel: Als das assyrische Heer unter dem Oberbefehlshaber Holofernes die jüdische Stadt Betulia belagerte, fasste die schöne Witwe Judith einen Entschluss: »Dort legte sie das Bußgewand ab, das sie trug, zog ihre Witwenkleider aus, wusch ihren Körper mit Wasser und salbte sich mit einer wohlriechenden Salbe. Hierauf ordnete sie ihre Haare, setzte ein Diadem auf und zog Festkleider an…und machte sich schön, um die Blicke aller Männer, die sie sahen, auf sich zu ziehen.« Dann verließ sie die belagerte Stadt und ging in das Heerlager der Assyrer. Hier waren alle Männer – auch Holofernes – von ihrer Schönheit fasziniert. So lud Holofernes Judith zu einem Festmahl ein. Am Ende das Abends, als sich nur noch der betrunkene Holofernes und Judith im Festzelt befanden, schlug Judith dem Befehlshaber mit einem Schwert den Kopf ab, versteckte ihn in einem Sack und kehrte in ihre Stadt zurück. Am nächsten Morgen hängten die Belagerten den Kopf des Holofernes an der Stadtmauer von Betulia auf. Als die Assyrer dies sahen, erfasste sie das Grauen und sie flohen.
Im Buch Ester steht geschrieben, wie aufwändig die Jüdin Ester und andere Frauen auf die Nacht mit dem Perserkönig Artaxerxes vorbereitet wurden: »Zuvor waren sie, wie es für die Frauen Vorschrift war, zwölf Monate lang gepflegt worden; denn so lange dauerte ihre Schönheitspflege: sechs Monate Myrrhenöl, sechs Monate Balsam und andere Schönheitsmittel der Frauen. Dann gingen die Mädchen (für eine Nacht) zum König…« Doch Ester »..gewann seine Gunst und Zuneigung mehr als alle Mädchen« und Artaxerxes machte sie zur Königin.
Duft-Rausch im alten Rom
Von den Griechen übernahmen die Römer – wie vieles andere auch – die Vorliebe für Wohlgerüche. Dabei verwendeten die reichen Römer mit Beginn der Kaiserzeit (ab 30 v. Chr.) maßlos teure Duftsalben und -öle. Kein Römer konnte sich die Liebe ohne Wohlgerüche vorstellen und es gehörte zum täglichen Leben, angenehm und intensiv zu riechen. Daher verbrauchten die römischen Frauen und die zahlreichen Freudenmädchen Unmengen an Ölen, Salben, Essenzen, Pomaden, Pudern und Pasten. Die Frauen, die die duftenden Kosmetika herstellten, konnten sich vor Aufträgen nicht retten. Zusätzlich zu den bereits genannten Duft-Drogen übernahmen die Römer von den Griechen die duftenden Pflanzen Veilchen, Lilien, Rosmarin, Salbei, Anis und vor allem die bis heute ungeschlagene Königin der Düfte, die Rose.
»Ein Parfüm ist der Atem des Himmels!«
Victor Hugo (1802 bis 1885)
Die Römer bereicherten diese Duft-Palette noch mit Quitte, Narzisse, Jasmin, Iris und Kassia, ein zimtartig riechendes Öl aus China. Der römische Autor Plinius (23 bis 79 n. Chr.) beschrieb allein 85 verschiedene Pflanzenarten, die damals zur Parfümherstellung verwendet wurden. So salbten die Römer ihre Körper mit kostbaren Duftölen, badeten in Bassins gefüllt mit Rosen- und Wermutwein, parfümierten ihre Gewänder, verbrannten Tag und Nacht Räucherkerzen, würzten außerdem ihre Speisen und Getränke mit Duftstoffen und überschütteten ihre Lagerstätten mit Rosen- und Lilienblüten.
Verschwender und Mörder
Besonders Kaiser Nero (37 bis 68 n. Chr.) war für den maßlosen Gebrauch von Duftstoffen bei seinen Gastmählern und Auftritten bekannt. Als Auftakt zu seinen Festen ließ Nero seine Gäste von Kopf bis Fuß mit wohlriechenden Salben einreiben. In die Wände seines goldenen Palastes hatte der Kaiser silberne Rohre einbauen lassen, aus denen eine Flut wohlriechender Essenzen seine Gäste überschüttete. In ihren Villen parfümierten die Römer Einrichtungsgegenstände, Fußböden, Wände, ja sogar die Haustiere. Auf den Hausaltären räucherten sie ständig Weihrauch und Myrrhe und verbrannten teure ätherische Öle in goldenen Lampen.
Bei der Beerdigung seiner Ehefrau Poppaea ließ Nero die Menge einer Jahresernte arabischen Weihrauchs verbrennen, um sich mit ihrer Seele zu versöhnen. Denn in einem Wutanfall hatte der cholerisch veranlagte Kaiser der hochschwangeren Poppaea so heftig in den Leib getreten, dass sie starb. /
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