Höhere Präzision bei Operationen |
30.05.2018 11:36 Uhr |
Von Carina Steyer / Die Medizin wird technischer, und auch vor der Chirurgie macht der Fortschritt nicht halt. Operationsroboter unterstützen Chirurgen, übernehmen Aufgaben und präzisieren das handwerkliche Geschick des Menschen. Die roboterunterstützte Operation ist auf dem Vormarsch. Von einem Routineverfahren kann derzeit aber noch nicht gesprochen werden.
Der erste Operationsroboter wurde in den 1980er-Jahren von Medizintechnikern des US-amerikanischen Militärs entwickelt. Ziel war es, aus sicherer räumlicher Entfernung in Krisengebieten operieren zu können. Durchgesetzt hat sich das System im militärischen Bereich nicht, dafür aber im zivilen. In den 90er Jahren hat die Firma Intuitive Surgical Inc.® das erste sogenannte DaVinci-Operationssystem auf den Markt gebracht. Bis heute gilt das Unternehmen damit als Marktführer, was nicht zuletzt an fehlenden Konkurrenzunternehmen liegt.
Mit dem DaVinci-System lassen sich minimalinvasive Eingriffe in der Urologie und der Gynäkologie durchführen.
Foto: iStock/3alexd
Das DaVinci-Operationssystem besteht aus einer Operationskonsole mit 3D-Monitor und Steuerungsmöglichkeit der Instrumente, einer zentralen Recheneinheit und dem mehrarmigen Operationsturm, an dem die Instrumente befestigt sind. Der Chirurg arbeitet nicht am Patienten, sondern führt die Operation von der Konsole aus durch. Mit kleinen Joysticks steuert er drei bis vier Roboterarme, die am Patienten angedockt sind und über kleine Hautschnitte in das Operationsfeld eingeführt werden. Die Joysticks haben bis zu sechs Bewegungsfreiheitsgrade und werden wie die Instrumente bei einer offenen Operation geführt. Die Umsetzung der Bewegung auf die Instrumente erfolgt rechnergestützt, kann skaliert werden und erlaubt dem Operateur, größere Bewegungen zu machen als der Roboter im Patienten durchführt.
Minimal-invasive Eingriffe
Der Fokus von Operationsrobotern liegt im Bereich der minimal-invasiven Eingriffe. Dabei handelt es sich um eine Operationsform, bei der über kleinste Schnitte im Körper des Patienten operiert wird und der Chirurg keine freie Sicht auf das Operationsfeld hat. Er orientiert sich an einem zweidimensionalen Videobild eines Endoskops, welches von einem zweiten Arzt gehalten und den Instrumenten-Spitzen des operierenden Chirurgen nachgeführt werden muss. Dabei kommt es nicht selten vor, dass die Kameraeinstellung vom kameraführenden Assistenten und Operateur unterschiedlich bewertet wird. Wiederholte Korrekturen des Sichtfeldes und Sichtwinkels sind notwendig, stören aber den Operationsablauf. Bei mehrstündigen Eingriffen wird die Kameraführung zudem zunehmend unkoordinierter und die natürliche Zitterbewegung der Hand nimmt zu. Operationsroboter übernehmen das Halten von Endoskop und Instrumenten, erzeugen ein dreidimensionales Bild und führen einzelne Operationsschritte auf Befehl des Chirurgen durch.
Operationssysteme kombinieren die Vorteile der minimal-invasiven Chirurgie mit 3D-Visualisierungstechniken und präzisen Bedienmöglichkeiten der Operationsinstrumente. Die dreidimensionale Sicht und die bis zu 10-fache Vergrößerung verbessern Tiefenwahrnehmung, Koordinationsmöglichkeit und Präzision. Durch sogenannte Tremorfilter werden die natürlichen Zitterbewegungen der menschlichen Hand erkannt und herausgefiltert, bevor sie an den Roboter-arm weitergegeben werden. Die Roboterinstrumente haben sieben Bewegungsgrade und erlauben damit mehr Präparationsmöglichkeiten und präziseres Arbeiten als konventionelle laparoskopische Instrumente. Schwierige Präparationstechniken wie der Erhalt von Nervenfasern oder das Anbringen feinster Nähte und Knoten gelingen mit Hilfe des Roboters wesentlich einfacher.
Viele Vorteile
Für den Chirurgen ist die Arbeitsbelastung beim roboterunterstützten Operieren geringer. Langes Stehen ohne Pausen, anstrengende Körperhaltung durch das Halten und Agieren mit den Instrumenten sowie die enge räumliche Nähe zwischen Operateur und Assistent fallen weg. An der Konsole arbeitet der Arzt im Sitzen, Kopf und Hände können abgestützt werden, und die starke Vergrößerung des Operationsfeldes vereinfacht das Operieren. Zusätzlich liegt der Bereich an der Konsole im unsterilen Bereich des Operationssaales. Der Chirurg ist damit in seinem Handeln wesentlich freier. Auch für die Ausbildung bieten Operationsroboter Vorteile. Das Operationssystem kann mit zwei Konsolen im Parallelbetrieb ausgestattet werden. Der Ausbilder behält die volle Kontrolle über die Ausbildungskonsole, kann zu jedem Zeitpunkt in das Operationsgeschehen eingreifen und im Ernstfall die Handlung sofort stoppen. Als nachteilig beschreiben Chirurgen das fehlende haptische Feedback. Gerade junge Chirurgen mit wenig Erfahrung fühlen sich dadurch oft verunsichert. Experten sehen die Ausbildung am Operationsroboter derzeit als sinnvolle Ergänzung neben dem Erlernen des laparoskopischen Vorgehens.
Die Handarbeit von Chirurgen lässt sich durch Roboter nur teilweise ersetzen.
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Wie es für militärische Zwecke ursprünglich entwickelt wurde, ermöglichen Operationssysteme ein räumlich getrenntes Operieren. In der Praxis genutzt wird diese Möglichkeit derzeit kaum. Experten sehen für die Zukunft aber durchaus die Option, dass komplizierte Eingriffe, für die nur wenige Experten zur Verfügung stehen, unabhängig vom Standort des Patienten durchgeführt werden könnten. Auch nicht transportfähige Patienten erhielten so die Chance auf eine optimale Behandlung. Zurzeit werden die Vorteile für die Patienten vor allem im Bereich der Wundheilung und Mobilisation gesehen. So soll das Risiko für Wundheilungsstörungen geringer sein, und die Narben fallen kleiner aus. Die Patienten sollen weniger Schmerzen haben, schneller wieder mobil werden und kürzere stationäre Aufenthalte benötigen. Unter Patienten und roboterassistiert arbeitenden Chirurgen ist die Begeisterung für Operationsroboter meist groß. Sie gelten durchaus als Qualitätsmerkmal und Entscheidungskriterium bei der Auswahl eines geeigneten Krankenhauses.
Hohe Kosten
Ein wesentlicher Nachteil der roboterassistierten Operationen sind allerdings ihre Kosten. Laut Intuitive Surgical Inc.® liegen die Anschaffungskosten für ein DaVinci-Operationssystem derzeit zwischen 0,6 und 2,5 Millionen US-Dollar. Dazu kommen die relativ hohen Verbrauchskosten für Wartung und Instrumente, die in kurzen Abständen ersetzt werden müssen. Insgesamt belaufen sich die Mehrkosten pro Eingriff im Vergleich zur konventionell laparoskopischen Operation auf etwa 2000 Euro. Für viele Kliniken rechnet sich der Einsatz bisher nicht. Kritiker bezeichnen die roboterassistierte Chirurgie sogar als Pseudoinnovation, die die Kosten erhöht, aber das Ergebnis für den Patienten nicht verbessert. Tatsächlich steht in vielen chirurgischen Fachgebieten der Nachweis noch aus, dass die roboterassistierte Operation gegenüber den laparoskopisch durchgeführten so stark überlegen ist, dass sie den höheren Kostenaufwand rechtfertigt. Die wissenschaftliche Datenlage ist aufgrund fehlender randomisierter Studien mit ausreichenden Fallzahlen für ein endgültiges Resümee zu gering. Experten sehen jedoch insbesondere für komplexe Operationen und radikale Eingriffe, bei denen es gleichzeitig um Nervenschonung geht, durchaus Potential für einen berechtigten Roboter-Einsatz.
Auf dem Vormarsch
Trotz der kontroversen Diskussionen ist die roboterassistierte Chirurgie weltweit auf dem Vormarsch. Nach Angaben von Intuitive Surgical Inc.® sind aktuell weltweit 4528 DaVinci-Systeme im Einsatz, 774 davon in Europa. In Deutschland werden Operationsroboter am häufigsten in der Urologie und Gynäkologie verwendet. Ein Großteil der Prostata- und Gebärmutterentfernungen wird inzwischen mit dem DaVinci-System durchgeführt. Auch die Entfernung von Nieren oder eine Nierenbeckenplastik ist bereits roboterunterstützt möglich. In vielen anderen chirurgischen Disziplinen operieren Ärzte jedoch nach wie vor lieber laparoskopisch. /