Wenn die Worte fehlen |
02.01.2008 15:47 Uhr |
Mechthild Herberhold, Altena
Wenn Menschen über den Tod eines nahen Verwandten oder Freundes weinen, fehlen vielen Mitmenschen die Worte. Wenn eine Kundin oder ein Kunde plötzlich in Tränen ausbricht, wissen auch viele PTA und Apotheker nicht, was sie sagen sollen. Am besten überlegt das Apothekenteam gemeinsam, wie sie in einer solchen Situation einfühlsam reagieren, wie viel Zeit sie dem Gespräch mit dem Trauernden einräumen wollen und wann sie dafür den Beratungsraum aufsuchen.
Sterben, Tod und Trauer gelten in unserer Gesellschaft als Privatangelegenheit. Meist sprechen schon Nachbarn die Trauernden nicht auf einen Todesfall an, von entfernteren Bekannten ganz zu schweigen. Und in der Öffentlichkeit kommt Trauer ausgesprochen selten vor. Die meisten Menschen haben deshalb kaum Erfahrung darin, mit Trauernden umzugehen und über den Tod zu reden.
Für PTA oder Apotheker ist ein weinender Kunde eine besondere Herausforderung, denn im Arbeitsalltag steht ihnen für Trauergespräche nicht viel Zeit zur Verfügung. Zwar ist Zeit ein wesentlicher Faktor, um den Trauernden nicht unter Druck zu setzen. Dennoch können PTA oder Apotheker durch eine angemessene Reaktion den Trauerprozess des Kunden unterstützen.
Hilfreiche Formulierungen
Trauerbegleitung ist ein kommunikatives Geschehen. Jeder sollte seinen eigenen Stil entwickeln, mit trauernden Kunden umzugehen. Aufgesagte, vorbereitete Formulierungen helfen wenig. Wenn sie aus dem Herzen kommt, kann auch eine Floskel genau richtig sein. Doch Vorsicht bei gedankenlosen Allgemeinplätzen. »Das wird schon wieder«, »Sie haben doch noch zwei Kinder« und ähnliche Aussagen trösten nicht, sie lassen den Trauernden allein oder verletzen ihn.
Bei anderen Formeln wie »Herzliches Beileid« kommt es sehr auf den Tonfall an. Oberflächlich dahingesagt, wirken sie gedankenlos und leer. Wer sie jedoch ernst meint, signalisiert auch mit einer solchen Formulierung durchaus Anteilnahme. Das bedeutet: Es kommt nicht auf geschliffene Formulierungen an, sondern vielmehr auf Einfühlungsvermögen und Ehrlichkeit. Wichtig ist, überhaupt den Mut zu haben, auf die Trauer zu reagieren.
Viele Trauernde haben ein starkes Bedürfnis zu erzählen. Durch entsprechende Fragen kann die PTA die trauernde Person ermutigen und ihr Interesse signalisieren. Zum einen können sich die Fragen auf Ereignisse beziehen: »Wann war das denn?«, »Wo ist Ihre Frau/Ihr Mann gestorben?« oder »Waren Sie dabei?« Zum anderen laden Fragen nach dem Befinden den Trauernden zum Erzählen ein: »Und wie geht es Ihnen jetzt?«
Eigene Betroffenheit mitteilen
Wenn PTA oder Apotheker von eigenen Erinnerungen an den Verstorbenen berichten, schafft das eine emotionale Verbindung zu dem Trauernden: »Ich weiß noch, damals, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe. Lachend kam er hier herein, um ein Rezept einzulösen ...«
Die eigene Betroffenheit mitzuteilen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern gehört durchaus zu einer professionellen Trauerbegleitung: »Meine Güte, ich weiß überhaupt nicht, was ich sagen soll.« »Ich kann es überhaupt nicht fassen.« Die PTA sollte eigene Erfahrungen jedoch nur »dosiert« erzählen und nicht mit dem Trauernden die Rollen tauschen. Damit der Trauernde im Mittelpunkt des Gesprächs bleibt, sollte sie sich nach Äußerungen über das eigene Befinden wieder auf ihn beziehen: »Das muss schwer für Sie sein.« Zwischendurch sollte sie immer wieder ansprechen, was sie verstanden hat: »Gerade jetzt vor Weihnachten ist es für Sie vermutlich besonders hart.« Wenn die Einschätzung zutrifft, fühlt sich der Trauernde verstanden. Und wenn sie nicht zutrifft, spürt er dennoch das Interesse, und beide bleiben im Gespräch.
Um Behauptungen zu vermeiden, die dem Trauernden nicht gerecht werden, ist es sinnvoll, die Aussage als Frage zu formulieren und am Schluss des Satzes die Stimme zu heben. Auch ein nachgestelltes »oder?« am Satzende lässt dem Trauernden mehr Raum für die Antwort.
Neben der Sprache ist die nonverbale Kommunikation zentraler Bestandteil im Gespräch mit Trauernden. Trauernde Menschen reagieren meist sehr sensibel auf Mimik, Gestik und das gesamte Verhalten. Ein Trauernder merkt, ob die PTA ihm ihre ganze Aufmerksamkeit widmet.
Volle Konzentration gefordert
Wichtig ist daher, nicht nebenbei an etwas Anderes zu denken, sondern sich dem Kunden mit dem ganzen Körper zuzuwenden, während des Zuhörens zu nicken und ihn anzulächeln. Wenn die PTA dem Kunden aufmerksam zuhört, wird er die meist knappe Zeit als länger empfinden.
Viele Kunden freuen sich in dieser Situation über ein Glas Wasser, insbesondere wenn sie aufgeregt sind oder weinen. Zum einen können sie sich daran festhalten, zum anderen auf das Getränk konzentrieren und ruhiger werden. Auch ein Papiertaschentuch ist hilfreich.
Trauer äußert sich auf vielfältige Weise. Wut, Hilflosigkeit oder Verzweiflung gehören genauso dazu wie Erleichterung oder Leere. So kann es vorkommen, dass Kunden im Verkaufsraum nicht nur weinen, sondern plötzlich laut werden. In einer solchen Situation unterstützt die PTA den Trauernden am meisten, wenn sie Tränen oder Wut akzeptiert. Am Besten führt sie das Gespräch abseits des Trubels in einem Beratungsraum weiter. Inwieweit der Trauernde das Gesprächsangebot annimmt, bestimmt er selbst. Die PTA sollte daher stets auch mit einer Ablehnung rechnen.
Arzneimittel nur kurzfristig
Viele Trauernde fragen nach einem Schlaf-, Schmerz-, Beruhigungs- oder Aufputschmittel. Hier muss die PTA mit Fachkenntnis und Fingerspitzengefühl beraten. Als Ersthilfe bei Schmerzen oder Schlafstörungen können Trauernde durchaus einmal ein Arzneimittel einnehmen. Gute Alternativen zu chemischen Sedativa sind hochdosierte Phytopharmaka. In manchen Situationen eignen sich auch Bäder und Tees. Doch Vorsicht: Medikamente können den Trauerprozess beeinträchtigen und sind langfristig keine Lösung.
Trauer gehört zum Leben. Sie ist eine wichtige Fähigkeit, um mit Verlusten umzugehen. Jeder Trauerprozess braucht seine (individuelle) Zeit und kann nicht abgekürzt werden. Unterdrückte, nicht gelebte Trauer kann zu Krankheiten führen. Es geht daher im Gespräch mit Trauernden nicht darum, die Trauer zu unterdrücken oder zu überwinden, sondern sie zu unterstützen. Trauernde brauchen sensible Menschen, die ihnen ihre Gefühle zugestehen und Raum für ihre Trauer lassen.
Wie Menschen trauern, ist stark durch die jeweilige Umgebung geprägt. In jeder Gesellschaft und zu jeder Zeit bilden sich eigene Rituale heraus. Auch manche Familien entwickeln eine bestimmte »Trauerkultur«. Wie jemand trauert, hängt zudem stark von der eigenen Persönlichkeit und von der Beziehung zu dem Verstorbenen ab. Schließlich beeinflussen häufig finanzielle Sorgen oder Zukunftsängste die Art der Trauer.
Bedingt durch die Verkaufssituation sind die Möglichkeiten von PTA und Apotheker im Apothekenalltag begrenzt. Ein Trauergespräch ist in der Apotheke nur möglich, wenn die Gesprächspartner nicht ständig unterbrochen werden. Sinnvollerweise kann das Apothekenteam gemeinsam besprechen, wie sie in einer solchen Situation vorgehen.
Adressen heraussuchen
PTA oder Apotheker geraten möglicherweise an einen Punkt, an dem ihre Möglichkeiten erschöpft sind. Dann können sie einem trauernden Kunden konkrete Hinweise geben, wo er weitere Unterstützung findet: bei pastoralen Mitarbeitern der jeweiligen Kirchengemeinde, bei der Telefonseelsorge, in psychologischen Beratungsstellen oder bei freien Trauerbegleitern. Eine aufmerksame Geste ist es, wenn die Apotheke kleine Karten mit den wichtigsten Adressen vorbereitet hat, die PTA oder Apotheker in einem solchen Fall dem Kunden mitgeben können.
PTA und Apotheker können Trauernde nur einen kleinen Schritt begleiten. Wenn sie sich auf den Trauernden einlassen, wird ihr Verhalten trotz der Kürze der Zeit zu einem wichtigen Erlebnis im Trauerprozess des Kunden.
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