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Raucherentwöhnung

Endlich geschafft

30.12.2009  10:20 Uhr

Raucherentwöhnung

Endlich geschafft

von Andrea Hämmerlein

Viele Raucher nehmen sich zum neuen Jahr fest vor, endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Doch oft lösen sich diese guten Absichten schon bald im blauen Dunst auf. PTA und Apotheker können Raucher auf ihrem Weg in die Nicotinfreiheit unterstützen.

In der Europäischen Union gehört Deutschland zu den Ländern mit dem höchsten Tabakkonsum. Rund 27 Prozent der über 15-Jährigen rauchen. Der Anteil der Männer liegt mit rund 32 Prozent deutlich höher als der der Frauen mit rund 22 Prozent. In der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen rauchen sogar etwa 40 Prozent der Männer und circa 30 Prozent der Frauen.

Die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens sind hinlänglich bekannt. Nichtraucher und Raucher wissen, dass die toxischen Inhaltsstoffe des Tabakrauchs den Körper schädigen. Der Tabakrauch enthält mehr als 4000, zum Teil krebserregende Substanzen. Dazu zählen unter anderem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Benzole, Phenole, Formaldehyd, Nitrosamine und Schwermetalle wie Cadmium, Blei und Nickel.

Außerdem begünstigt das Tabakrauchen eine Vielzahl von Erkrankungen, vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit den Folgen Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Erkrankungen der Atemwege und der Lunge. Am häufigsten erkranken Raucher an chronischer Bronchitis, einem chronischen Husten mit Auswurf über mindestens drei Monate in den letzten
zwei Jahren. Oft tun sie ihren ständigen Husten lapidar als »Raucherhusten« ab.

Aus einer chronischen Bronchitis kann die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) entstehen. Bis zu 50 Prozent der älteren Raucher entwickeln eine COPD, und 80 bis 90 Prozent der COPD-Erkrankungen werden durch das Tabakrauchen verursacht. Des Weiteren begünstigt ein hoher Tabakkonsum Tumore, vor allem Lungen-, Kehlkopf- und Luftröhrenkrebs. In Deutschland fordert das Rauchen pro Jahr mindestens 110.000 Todesopfer. Experten des Deutschen Krebsforschungszentrums führen rund 3300 weitere Todesopfer pro Jahr auf das Passivrauchen zurück. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Rauchen das Leben durchschnittlich um zehn Jahre verkürzt. Wem es mit 60 Jahren gelingt, seiner Sucht zu entsagen, der gewinnt drei der zehn Jahre zurück. Wer bereits mit 50 aufhört, kann das Risiko, früher zu sterben, halbieren. Wer schon mit 30 Jahren zum Nichtraucher wird, hat kein erhöhtes Sterberisiko mehr.

Psychisch und physisch abhängig Beim Rauchen wird das in der Zigarette enthaltene Nicotin freigesetzt. Davon werden bis zu 95 Prozent vom Körper resorbiert. Ein Teil des aufgenommenen Nicotins erreicht das Gehirn innerhalb von 7 bis 8 Sekunden. Dort wirkt es auf die nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren und löst eine Reihe physiologischer Reaktionen aus. Im weiteren Verlauf kommt es zur Freisetzung verschiedener Botenstoffe, die eine Reihe physiologischer Reaktionen auslösen. Das hohe Suchtpotenzial führen Experten darauf zurück, dass primär der Botenstoff Dopamin das »Belohnungssystem « im Gehirn beeinflusst. Dieses ist an der Entstehung von positiven Emotionen wie Freude und Glück maßgeblich beteiligt. Als positiv empfinden Raucher außerdem, dass die Zigarette beruhigt, Ängste löst, das Hungergefühl dämpft sowie Aufmerksamkeit und Konzentration steigert. Bei regelmäßiger Nicotinaufnahme vermehren sich die zentralen nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren.

Bleibt die Nicotinzufuhr aus, erlebt der Raucher Entzugssymptome, zunächst nur unbewusst. Doch je nach Grad der Abhängigkeit werden die Symptome mit der Zeit immer stärker: Sie äußern sich unter anderem in Schwindel, Schlafstörungen, Depressionen, Reizbarkeit, Aggressionen, Unruhe, vermehrtem Appetit und Konzentrationsstörungen. Schließlich führen die Entzugserscheinungen zum erneuten Konsum von Tabakerzeugnissen. Um die Nicotinabhängigkeit eines Patienten besser beurteilen zu können, verwenden Ärzte den Fagerström-Test. Interessierte finden den Test zum Beispiel unter www.rauchfrei-info.de/index.php?id=6.

Die Gesamtpunktzahl des Tests liefert eine zuverlässige Einschätzung der Nicotinabhängigkeit: 0 bis 2 Punkte gelten als sehr geringe, 3 bis 4 Punkte als geringe und 5 bis 10 Punkten als mittlere bis hohe Abhängigkeit.

Aller Anfang ist schwer

Rund 80 bis 90 Prozent der Raucher möchten prinzipiell das Rauchen beenden. Doch aufgrund des hohen Suchtpotentials sind sie dazu oft nicht in der Lage. Etwa 30 Prozent der Raucher unternehmen innerhalb eines Jahres mindestens einen ernsthaften Versuch, das Rauchen einzustellen. Ohne Unterstützung halten sie ihren Vorsatz allerdings in weniger als 5 Prozent der Fälle ein Jahr lang erfolgreich durch. PTA und Apotheker sind in vielen Fällen die ersten Ansprechpartner und können die Raucher bei ihrem Vorhaben aktiv unterstützen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kombination aus Verhaltenstherapie und Arzneimitteln gegen die rezeptorgebundene Nicotinsucht am erfolgreichsten hilft. Wenn PTA oder Apotheker optimal beraten wollen, müssen sie beide Aspekte ansprechen.

Wer mit dem Rauchen aufhören will, durchläuft einen dynamischen Prozess mit verschiedenen Stadien, dazu zählen

  • das Stadium der Sorglosigkeit (es besteht noch keine Absicht, den Konsum zu verändern),
  • des Bewusstwerdens (es besteht die Absicht, den Konsum zu verändern),
  • der Handlung (der Rauchende hat gehandelt und ist seit kurzer Zeit abstinent) und
  • der Aufrechterhaltung (Aufrechterhaltung der Abstinenz).

Bei der Beratung müssen PTA oder Apotheker den Ratsuchenden in dem Stadium abholen, in dem er sich gerade befindet. Als Beratungsleitfaden hat sich die in den USA entwickelte 5A-Leitlinie bewährt. 5A steht für Ask, Advice, Assess, Assist und Arrange follow-up.

Zu Beginn der Beratung müssen PTA oder Apotheker die persönlichen Rauchgewohnheiten erfragen (= ask), zum Beispiel die Zahl der Zigaretten pro Tag, in welchen Situationen geraucht wird und ob der Raucher schon einmal versucht hat aufzuhören. Dann folgt die klare Empfehlung, das Rauchen aufzugeben (= advice). Als Argumente können PTA oder Apotheker die Vorteile des Nichtrauchens herausstellen (siehe Kasten).

Das Verhalten ändern

Schließlich muss der Raucher motiviert werden, das Vorhaben auch umzusetzen (= assess). Gemeinsam kann ein geeignetes Datum für den ersten rauchfreien Tag festgelegt und eine persönliche Motivationsliste erstellt werden (= assist). Ferner sollten PTA oder Apotheker ihm Tipps zur Rückfallprophylaxe nennen, beispielsweise sich abzulenken, sei es mit einem Buch, Obst, Kaugummikauen, einem kurzen Spaziergang, Radfahren oder durch das Gespräch mit einem Ex-Raucher.

Zehn Gründe für einen Rauchstopp

Wer aufhört zu rauchen, senkt sein Risiko für

1. Krebserkrankungen,
2. Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
3. Atemwegserkrankungen,
4. Unfruchtbarkeit,
5. Impotenz,
6. Infektionen der Atemwege.

Außerdem verbessert der Ex-Raucher

7. seine körperliche Fitness,
8. sein persönliches Erscheinungsbild: die Haut glättet sich, gelbe Fingernägel entfärben sich.
9. Er gewinnt Zeit und mehr Kontrolle über sein Leben und
10. spart viel Geld.

nach www.rauchfrei2008.de

Auch alternative Belohnungsmöglichkeiten eignen sich als Motivationshilfen, beispielsweise ein Kinobesuch statt Zigarette (= arrange follow-up). Bei drohenden »Ausrutschern« helfen die Experten am Rauchertelefon des Deutschen Krebsforschungszentrums unter der Telefonnummer 0180 5 313131 sowie am Beratungstelefon der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter 06221 424200 weiter.

Abschließend sollten PTA oder Apotheker dem noch »frischen« Ex-Raucher während der Zeit der Raucherentwöhnung aktiv Unterstützung anbieten (= arrange follow-up). In Frage kommen regelmäßige Beratungstermine in der Apotheke oder auch das Angebot, ihn bei Problemen telefonisch zu beraten.

Nicotinersatzpräparate helfen, die Entzugssymptome zu mildern. Diese können schon 20 bis 30 Minuten nach ihrem Auftreten den Rauchermental so stark beeinträchtigen, dass er seinen guten Vorsatz aufgibt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Nicotinersatztherapie den Erfolg der Raucherentwöhnung signifikant verbessert. Für die Selbstmedikation stehen Nicotinkaugummis, -pflaster, -lutsch- und -sublingualtabletten sowie als neue Darreichungsform ein Nicotininhalator zur Verfügung.

Verschiedene Nicotinersatzpräparate Nicotinkaugummis (wie Nicorette®, Nicotinell ®, jeweils 2 und 4 mg) eignen sich für gering bis mittelstark abhängige Raucher, die maximal 15 Zigaretten täglich rauchen. Beim Kauen baut sich innerhalb von 15 bis 30 Minuten ein wirksamer Nicotinspiegel auf. Nicotinkaugummis sollen die Patienten im Backenzahnbereich langsam ein- bis zweimal kauen, nach je 30 Sekunden die Seite wechseln und ebenfalls ein bis zweimal kauen. Zu schnelles Kauen kann Mund oder Hals zu stark reizen oder Übelkeit und Sodbrennen verursachen. Die Patienten dürfen etwa ein Kaugummi pro Stunde kauen. Mäßige Raucher dürfen täglich maximal 25 Kaugummis mit 2 mg, starke Raucher 16 Kaugummis mit 4 mg Nicotin anwenden. Nach sechs bis acht Wochen sollten sie die Dosis reduzieren und bis zur 12.Woche ganz ausschleichen.

Nicotinpflaster (wie Nicorette® TX, Nicotinell®, nikofrenon®, NiQuitin®) stehen in mehreren Wirkstärken und für eine unterschiedliche Anwendungsdauer zur Verfügung. Sie sind gedacht für mittelstark bis stark abhängige Raucher, die über den Tag verteilt zwischen 10 und 40 Zigaretten konsumieren. Pflaster bauen stabile Nicotinplasmaspiegel auf, weshalb manche Patienten sie wegen des fehlenden Kicks oft als wenig wirksam empfinden. Andererseits werden Nicotinwirkung und bisheriges Suchtverhalten dadurch entkoppelt. Der Patient muss jeden Morgen ein Pflaster auf eine jeweils neue unbehaarte Hautstelle, auf Oberarm, Rumpf oder Hüfte kleben. Etwa 30 bis 60 Minuten nach dem Aufbringen ist der Nicotinspiegel ausreichend hoch.

Hilfen für starke Raucher

Nicotinlutsch- und -sublingualtabletten eignen sich für mittelstarke bis starke Raucher mit einem relativ hohen, eher ungleichmäßigen Tabakkonsum. Aus den Lutschtabletten (wie Nicotinell® 1 mg, Ni-Quitin® 2 und 4 mg) wird das Nicotin über einen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten freigesetzt und über die Mundschleimhaut aufgenommen. Die Anwender sollen die Tabletten, ähnlich den Kaugummis, abwechselnd zwischen beiden Backen lutschen. Sie dürfen sie weder zerkauen noch schlucken. Die Anflutungsgeschwindigkeit ist mit den Kaugummis vergleichbar, allerdings werden höhere Blutspiegel erreicht. Die 2-mg-Tabletten sind für Raucher bestimmt, die später als 30 Minuten nach dem Aufstehen rauchen, die 4-mg-Tabletten für Raucher, die morgens schon innerhalb von 30 Minuten die erste Zigarette anzünden. In den ersten sechs Wochen darf der Patient alle ein bis zwei Stunden eine Tablette lutschen, danach soll er die Anzahl der Tabletten reduzieren. Sublingualtabletten (wie Nicorette® Microtab 2 mg) wurden speziell für Zahnprothesenträger entwickelt sowie für diejenigen, die eine Abneigung gegen Kaugummis haben. Die Tabletten lösen sich unter der Zunge innerhalb von 30 Minuten auf. Den meisten Rauchern reichen täglich acht bis zwölf Tabletten, stark Abhängige können auch zwei Tabletten gleichzeitig anwenden. Von maximal 30 Tabletten täglich sollen sie die Anzahl langsam reduzieren.

Der Nicotininhalator (Nicorette® Inhaler) ahmt das Hand-zu-Mund-Ritual des Zigarettenrauchens nach. Er ist aus Kunststoff, sieht einer Zigarettenspitze ähnlich und wird mit Patronen bestückt. Diese Patronen enthalten einen porösen Stopfen aus Polyethylen mit 10 mg Nicotin und Menthol. Wie beim Rauchen wird das Nicotin durch Ansaugen der Luft freigesetzt, eingeatmet und über die Mundrachenschleimhaut aufgenommen. Die Nicotinwirkung tritt nach etwa 30 Minuten ein. Welchen Anklang diese neuartige Darreichungsform bei zukünftigen Ex-Rauchern findet, wird sich zeigen. Der Inhaler ebenso die Kaugummis eignen sich auch für Raucher, die zunächst schrittweise ihren Zigarettenkonsum reduzieren wollen.

Als verschreibungspflichtige Präparate zur Unterstützung der Tabakentwöhnung sind Arzneimittel mit Bupropion (Zyban®) und Vareniclin (Champix®) im Handel. Ferner gibt es auch noch ein verschreibungspflichtiges Nicotinnasenspray (Nicorette®).

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
A.Haemmerlein(at)abda.aponet.de