Kalium-sparende Diuretika und ACE-Hemmer |
30.12.2009 10:20 Uhr |
Kalium-sparende Diuretika und ACE-Hemmer
von Andrea Gerdemann und Nina Griese
Eine der häufigsten Meldungen der Apothekensoftware über Interaktionen ist die Wechselwirkung zwischen Kalium sparenden Diuretika und ACE-Hemmern. Bei dieser Kombination besteht die Gefahr, dass sich im Blutserum zu viel Kalium anreichert. Typische Symptome einer Hyperkaliämie sind beispielsweise Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen.
Eine Hyperkaliämie liegt vor, wenn die Kaliumwerte über 5,0 mmol/l liegen. Werte über 6,5 mmol/l erfordern sofortiges Handeln, Werte über 8 mmol/l sind oft tödlich. Typische Symptome und Folgen überhöhter Kaliumkonzentrationen im Serum sind Muskelschwäche und Sensibilitätsstörungen der Nerven, sogenannte Parästhesien, Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen und Herzstillstand. Insbesondere zu Beginn kann die Hyperkaliämie allerdings häufig symptomlos oder -arm verlaufen. Erhöht eine Arzneimitteltherapie das Risiko einer Hyperkaliämie, muss die Kaliumkonzentrationen im Serum engmaschig kontrolliert werden. Kalium sparende Diuretika vermindern in den Nieren die Ausscheidung von Kalium, während sie die von Natrium und Chlorid erhöhen. Die Gruppe der Kalium sparenden Diuretika wird in zwei Untergruppen aufgeteilt: die Aldosteron-Antagonisten und die cyclischen Amidin-Derivate.
Diuretika bei Herzinsuffizienz
Spironolacton gehört zur Gruppe der Aldosteron-Antagonisten. Verordnet wird Spironolacton zum Beispiel zur Behandlung von Patienten mit Ödemen aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz. In den letzten Jahren sind die Verordnungszahlen von Spironolacton-Monopräparaten kontinuierlich gestiegen: 2008 wurden 87 Millionen definierte Tagesdosen (DDD) verschrieben. Das liegt vor allem daran, dass Spironolacton bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz zusätzlich zur Standardtherapie nachgewiesenermaßen die Lebenszeit verlängert.
Ein Nachteil der Behandlung mit Spironolacton ist die hohe Nebenwirkungsrate, vor allem der Elektrolythaushalt ist häufig gestört. Bei alleiniger Gabe von Spironolacton treten bei etwa 5 Prozent der Patienten Hyperkaliämien auf.
Triamteren und Amilorid gehören zu den Diuretika mit Cycloamid-Struktur. Beide Substanzen sind nur in Kombinationspräparaten (in der Regel kombiniert mit Hydrochlorothiazid) auf dem Markt. Auch bei Amilorid und Triamteren ist die Hyperkaliämie die relevanteste unerwünschte Wirkung.
ACE-Hemmer haben einen festen Platz in der Behandlung der Bluthochdruck- und Herzinsuffizienz-Patienten. Die aktuellen Leitlinien empfehlen ACE-Hemmer als Mittel der Wahl zur antihypertensiven Therapie insbesondere bei Risikopatienten mit Herzinsuffizienz, koronarer Herzkrankheit oder eingeschränkter Nierenfunktion. Die große therapeutische Bedeutung der ACE-Hemmer zeigt sich in der stetigen Zunahme ihrer Anwendung: 2008 wurden 4,7 Milliarden Tagesdosen verordnet.
ACE-Hemmer wirken auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, dessen Effekte auf die Blutdruckregulation sehr gut bekannt sind. Ihren Namen erhielten die Arzneisubstanzen wegen ihres Wirkmechanismus: Sie hemmen das Enzym Angiotensin Converting Enzyme. Infolge dieser Enzymblockade kann kein Angiotensin II mehr entstehen. Angiotensin II ist eine der stärksten Blutgefäß verengenden Substanzen. Als Folge der Arzneimittelgabe entspannen sich die feinen Blutgefäße, und der Blutdruck sinkt.
Addition der Effekte
ACE-Hemmer sind nebenwirkungsarm. Bei bis zu 10 bis 15 Prozent der behandelten Patienten tritt trockener Husten auf. Die Hyperkaliämie ist eine seltene Komplikation bei ACE-Hemmern und betrifft vor allem Risikopatienten. Ein Grund für das Auftreten von Hyperkaliämien unter der Therapie sind Interaktionen, beispielsweise mit Kalium sparenden Diuretika. Bei dieser Interaktion addieren sich die Effekte der zwei Arzneistoffgruppen, da beide den Kaliumspiegel erhöhen.
Weitere Risikofaktoren, die die Gefahr einer Hyperkaliämie noch zusätzlich erhöhen, sind:
Klinische Relevanz der Interaktion
Bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz ist die Kombination von ACE-Hemmern und niedrig dosiertem Spironolacton Teil der Standardtherapie. Auch bei Patienten mit einer fortdauernden Hypokaliämie sollten Aldosteron-Antagonisten oder ein anderes Kalium sparendes Diuretikum in Kombination mit einem ACE-Hemmer eingesetzt werden. Voraussetzung für die gemeinsame Gabe ist allerdings das engmaschige Monitoring. Bei allen anderen Indikationen sollte die Kombination möglichst gemieden werden, weil nach der aktuellen Studienlage das Risiko den Nutzen überwiegt.
Wie problematisch die Kombinationstherapie von ACE-Hemmern und Spironolacton sein kann, zeigen verschiedene Untersuchungen, unter anderem auch die RALES-Studie: Dabei traten Hyperkaliämien gehäuft auf, wenn Patienten mit einer Herzinsuffizienz ACE-Hemmer und Spironolacton kombiniert einnahmen. Nicht selten wird Spironolacton zu hoch dosiert oder werden Nierenfunktionsstörungen sowie Kontraindikationen bei der Dosierung nicht berücksichtigt.
Interventionsmöglichkeiten
Um eine Hyperkaliämie zu verhindern, sollte Spironolacton in der Kombination mit ACE-Hemmern möglichst niedrig dosiert werden. Insbesondere bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren sollte die Tagesdosis von 25 mg keinesfalls überschritten werden.
Bei Beginn einer Behandlung mit Kalium sparenden Diuretika und bestehender ACE-Hemmer-Therapie sind Kontrollen des Kalium- und Kreatininspiegels notwendig. Die Nationale Versorgungsleitlinie »Herzinsuffizienz« empfiehlt ein Monitoring des Kaliums im ersten Jahr der Therapie nach einer, vier, acht und zwölf Wochen, danach dreimonatlich. Für die Folgejahre ist eine halbjährliche Kontrolle vorgesehen. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion oder mit Diabetes müssen dagegen engmaschiger überwacht werden.
Liegen bei einem Patienten die Serumkonzentrationen von Kreatinin > 2,5 mg/dl oder von Kalium > 5 mmol, sollte der Arzt die Kombination aus ACE-Hemmer und Spironolacton nicht neu verordnen. Bei einer bestehenden Kombinationstherapie wird bei diesen Werten empfohlen, die Dosis von Spironolacton zu reduzieren.
Zu Beginn einer Kombinationstherapie sollte geprüft werden, dass der Patient keine weiteren, den Kaliumspiegel erhöhenden Arzneistoffe (wie NSAR inklusive Coxibe, Ciclosporin) einnimmt und dass diese Arzneistoffe, wenn möglich, abgesetzt werden. Bei zukünftigen Verordnungen neuer Arzneistoffe muss immer erst abgeklärt werden, ob diese das Risiko einer Hyperkaliämie erhöhen. In der Selbstmedikation sollten insbesondere Patienten mit Herzinsuffizienz keine NSAR einnehmen, wenn sie mit ACE-Hemmern und einem Kalium sparenden Diuretikum behandelt werden. Bei schwerer Herzinsuffizienz sollten NSAR grundsätzlich nicht angewendet werden, da unter NSAR-Therapie eine Flüssigkeitsretention und Ödeme auftreten können.
Ein sinnvoller Beratungshinweis für Patienten, die diese Kombination einnehmen, ist: Essen Sie wenig kaliumreiche Lebensmittel. Zum Beispiel enthalten Trockenobst, Nüsse, Kartoffelchips, Pommes Frites, Fenchel, Feldsalat, Pilze, Hülsenfrüchte, Tomatenmark und Ketch-up, Weizenkeime und -kleie relativ viel Kalium.
Fallbeispiel aus der Praxis
Die Stammkundin Frau Paul reicht in der Apotheke zwei Rezepte von ihrem Hausarzt ein, auf denen je 100 Tabletten von Spironolacton (50 mg), Ramipril (10 mg), Metoprololsuccinat (190 mg) und Torasemid (10 mg) verordnet sind. Laut Medikationshistorie nimmt die Patientin Ramipril, Metoprolol und Torasemid schon über einen längeren Zeitraum in gleicher Dosierung. Spironolacton ist in der Übersicht nicht erfasst. Auf Nachfrage erfährt die PTA, dass es sich um eine Erstverordnung aufgrund der Herzschwäche der Patientin handelt. Als die PTA sich erkundigt, in welcher Dosierung sie das neue Medikament einnehmen solle und wann ihr nächster Termin zur Kontrolle der Blutwerte sei, antwortet die Frau: »Ich soll eine halbe Tablette pro Tag einnehmen und habe in einer Woche einen Kontrolltermin.«
Aufgrund dieser Informationen entscheidet die PTA, dass keine Rücksprache mit dem Arzt notwendig ist, da der Termin zur Kaliumkontrolle dem empfohlenen Zeitpunkt entspricht. Allerdings schlägt die Software ein Rabattarzneimittel vor, dass im Gegensatz zum verordneten Präparat nicht teilbar ist.
Daher entschließt sich die PTA, wegen pharmazeutischer Bedenken das verordnete Medikament abzugeben. Sie bedruckt das Rezept mit dem Sonderkennzeichen »Nichtlieferbarkeit« und notiert kurz den Grund für die pharmazeutischen Bedenken auf dem Rezept so: »Patient muss Tablette teilen, Rabattarzneimittel nicht teilbar«. Zum Abschluss des Beratungsgesprächs gibt die PTA der Patientin noch eine Liste mit kaliumreichen Nahrungsmitteln mit und empfiehlt ihr, diese nur in Maßen zu essen.
E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
N.Griese(at)abda.aponet.de