PTA-Forum online
Osteoporose

Statt Hormonen Raloxifen

30.12.2009  10:20 Uhr

Osteoporose

Statt Hormonen Raloxifen

von Anna Laven und Birgit Carl

Seit den Erkenntnissen aus der Women Health Initiative Study schätzen Experten das Risiko der Hormonersatztherapie zur Behandlung der Osteoporose höher ein als ihren Nutzen. Damit gewann ein Vertreter der selektiven Estrogen-Rezeptor-Modulatoren an Bedeutung. Das Raloxifen wird bei Frauen nach der Menopause zur Therapie und Prophylaxe der Osteoporose eingesetzt.

Nach der letzten Regelblutung sinken Estrogen- und Gestagenspiegel der Frauen langsam ab, weil die Eierstöcke nach und nach keine Hormone mehr bilden. Aufgrund der sinkenden Estrogenspiegel werden mehr Interleukin 1, Interleukin 6 und TNF gebildet, was den Knorpelabbau und die Knochendegeneration fördert. Wahrscheinlich wird auch die Freisetzung von Calcitonin aus der Schilddrüse gehemmt. Durch die verstärkte Knochenresorption steigt der Calciumspiegel im Blut, und damit wird auch weniger Parat-hormon gebildet. Dies hat zur Folge, dass die Nieren weniger Vitamin D3 produzieren und mehr Calcium ausscheiden. Das Ergebnis sämtlicher Veränderungen: In den ersten drei bis sechs Jahren nach der letzten Regelblutung ist der Verlust an Knochenmasse am höchsten. 

Früher empfahlen Gynäkologen fast allen Frauen Estrogene und Gestagene zur Therapie und Prophylaxe der Osteoporose. Manche Ärzte verordneten ihren Patientinnen zehn Jahre lang Hormonpräparate. Der theoretische Hintergrund für diese Therapie ist einleuchtend: Estrogene hemmen die Osteoklastenaktivität und stimulieren die Kollagensynthese der Osteoblasten. So ließ sich mit der Hormonersatztherapie die Frakturrate der Patientinnen signifikant senken. Dies belegte erstmals die WHI-Studie (Women Health Initiative Study) bei Patientinnen: Sämtliche Frakturen gingen durch eine Estrogen-Gestagen-Kombination um 24 Prozent zurück, die Hüftgelenks- und Wirbelfrakturen sogar um 34 Prozent.

Doch zeigte die WHI-Studie auch, dass die Hormongaben sich auf das Herzkreislaufsystem und das Brustgewebe auswirkten. Das Risiko der Patientinnen unter Estrogen-Gestagen-Kombination stieg für Thrombosen, Schlaganfälle und Brustkrebs signifikant an. Als Folge dieser Ergebnisse schätzen Experten das Risiko der Estrogen-Gestagen-Kombitherapie höher ein als den Nutzen. Daher verordnen sie heute Patientinnen mit Osteoporose diese Kombination nur noch in Ausnahmefällen, beispielsweise Frauen, die andere Therapeutika nicht vertragen oder nicht einnehmen dürfen.

Unter der Monotherapie mit Estrogen war zwar auch das Risiko für Thrombosen und Schlaganfälle signifikant erhöht, das Brustkrebsrisiko hingegen nicht. Damit ist bei der Estrogenmonotherapie das Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgeglichen. Die reine Estrogentherapie kommt jedoch nur für Frauen in Frage, denen die Gebärmutter entfernt wurde. Bei allen anderen ist die Kombination mit Gestagen unbedingt erforderlich.

Neuerdings Rezeptor-Modulatoren 

Die als selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) eingesetzten Substanzen haben unterschiedliche Affinitäten zu den zwei Estrogen-Rezeptorsubtypen alpha und beta. Daher wirken sie nur zum Teil ähnlich wie Estrogene. Raloxifen (Evista®, Optruma®) aus der Substanzklasse der SERM hemmt relativ selektiv den Knochenabbau und ist sowohl für die Therapie als auch zur Prophylaxe der Osteoporose zugelassen. Der Arzneistoff wirkt vor allem in den Knochen estrogenähnlich, in anderen Geweben wie der Gebärmutterschleimhaut oder der Brustdrüse hemmt Raloxifen die typischen Estrogenwirkungen. Daher schützt er die Patientinnen nicht nur vor der zerstörerischen Wirkung der Osteoklasten, sondern auch vor Brustkrebs. 

Wegen seiner positiven Wirkung auf Wirbelkörperfrakturen bei Frauen nach der Menopause erhielt Raloxifen in den Leitlinien des Dachverband Osteologie e.V. (DVO) den Empfehlungsgrad A. Eine Studie ergab, dass mit Raloxifen Wirbelkörperfrakturen, die von selbst und ohne Krafteinwirkung eintreten, bei Frauen mit und ohne vorausgegangene Fraktur um 34 Prozent zurückgingen. Die Fraktur senkende Wirkung lässt sich nach einem Jahr nachweisen und hält bei Fortführung der Therapie weitere vier Jahre an.

Geeigneter Einnahmezeitpunkt

Die Patientinnen müssen einmal täglich eine Tablette mit 60 mg Raloxifen einnehmen, unabhängig von der Tageszeit und den Mahlzeiten. Hier können PTA oder Apotheker mit der Frau gemeinsam überlegen, welcher Zeitpunkt sich für die Einnahme am besten eignet. Wie bei anderen Therapien gegen Osteoporose müssen die Frauen auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D3 und Calcium achten.

In den Studien nahmen unter Raloxifen tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien deutlich zu. So dürfen Patientinnen mit venösen Thromoembolien kein Raloxifen verordnet bekommen. Um das Risiko einer Embolie oder Thrombose zu verringern, sollte die Patientin Raloxifen sofort absetzen, wenn sie sich aufgrund einer Erkrankung oder durch andere Umstände längere Zeit nicht bewegen kann oder darf. So muss sie zum Beispiel bei einer bevorstehenden Operation Raloxifen drei Tage zuvor absetzen. Erst wenn sie wieder voll mobil ist, darf sie die Therapie fortführen. Auf diesen Zusammenhang können PTA oder Apotheker die Patientin hinweisen. Den Besuch beim Gynäkologen müssen sie empfehlen, wenn die Frau über Uterusblutungen berichtet. Der Facharzt muss deren Ursache unbedingt abklären, da Raloxifen normalerweise das Endometrium nicht beeinflusst.

Richtig beraten bei SERM

Wechseljahrsymptome wie Hitzewallungen, die durch Estrogenmangel hervorgerufen werden, beeinflusst Raloxifen nicht. Dennoch verstärken sich unter der Therapie mit Raloxifen bei etwa einem Viertel der Frauen die klimakterischen Beschwerden, vor allem bei Frauen in den ersten Jahren nach der Menopause. Als unerwünschte Wirkungen traten außerdem häufiger Wadenkrämpfe auf.

Richtig beraten heißt, Patienten alle wichtigen Informationen mit auf den Weg zu geben, die sie für die korrekte Anwendung des Arzneimittels brauchen. Mit wenigen Sätzen erhält der Patient alle wichtigen Hinweise (siehe Kasten). Anhand dieses Schemas können PTA oder Apotheker sicher sein, dass sie nichts Wichtiges vergessen.

Empfehlungen für Patientinnen, die Raloxifen einnehmen

1. Dosierung »Nehmen Sie bitte einmal täglich eine Tablette mit einem Glas Wasser ein. Zu welcher Tageszeit fällt es Ihnen am leichtesten, an die Tablette zu denken?«
2. Dauer der Anwendung »Damit Raloxifen seine Wirkung auf die Knochen gut entfalten kann, muss es meist mehrere Jahre eingenommen werden.«
3. Arzneimittelspezifische Information »In wenigen Fällen müssen Sie die Therapie unterbrechen. So sollten Sie Ihren Arzt informieren, wenn eine Operation bevorsteht oder Sie längere Zeit das Bett hüten müssen.«

E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
info(at)lavenseminare.de