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Wurminfektionen

Parasiten im Darm

20.06.2016  10:28 Uhr

Von Kornelija Franzen / Weltweit zählen Wurminfektionen zu den häufigsten parasitären Erkrankungen. In Europa und den USA sorgen hohe Hygienestandards und sauberes Trinkwasser dafür, dass nur ein geringes Infektionsrisiko besteht. In Deutschland tritt am häufigsten ein Befall mit Madenwürmern auf, seltener mit Band- oder Spulwürmern. Wurminfektionen können in der Regel mit einem Anthelminthikum erfolgreich behandelt werden.

Der Gedanke, im Körperinneren Würmer zu beherbergen, ist unangenehm und den meisten Patienten peinlich. Helminthen, wie die Eingeweidewürmer auch genannt werden, sind mehrzellige Lebewesen und gehören zu den Endoparasiten. Sie lassen sich in drei Klassen einteilen: Bandwürmer (Cestoden), Fadenwürmer (Nematoden) und Saugwürmer (Trematoden). Typischerweise gelangen die Wurmeier passiv über kontaminierte Lebensmittel oder verseuchtes Trinkwasser in den menschlichen Darm. Hier finden sie Schutz und reichlich Nahrung. Daneben ist auch eine aktive Infektion möglich. Die Larven des in tropischen Gewässern lebenden Pärchenegels (Saugwurm) durchbohren aktiv die mensch­liche Haut und »entern« so ihren Wirt.

Die Entwicklung vom Ei zum erwachsenen, geschlechtsreifen Wurm durchläuft ein bis mehrere Larven­stadien. In vielen Fällen beinhaltet der Lebenszy­klus einen Wirtswechsel, wobei Zwischenwirte die Larven­gene­ra­tionen und Endwirte die adulten Würmer beherbergen. Wird irrtümlich ein falscher Wirt (Fehlwirt) infiziert, endet der Entwicklungszyklus des Parasiten, ohne dass geschlechtsreife Würmer entstehen.

Juckreiz und Bauchkrämpfe

Die in unseren Breiten vorkommenden Helminthen sind im Allgemeinen harmlos. Erkannt wird ein Befall häufig erst, wenn Maden oder ausgeschiedene Bandwurmglieder im Stuhl zu sehen sind. Auch Symptome wie ein starker Juckreiz am After, massiver Gewichtsverlust, anhaltende Bauchschmerzen und -krämpfe sowie Durchfall können auf einen Befall mit parasitischen Eingeweidewürmern hinweisen.

Bekämpft werden Infektionen mit einem Wirkstoff aus der Gruppe der Antihelminthika, die in erster Linie Larven und adulte Stadien abtöten. Entweder unterbinden die eingesetzten Wirkstoffe den Aufbau der Mikro­tubuli, sodass Zellteilungsprozesse und der Nährstofftransport gehemmt werden, oder sie hemmen Enzyme des Kohlenhydratstoffwechsels des Wurms. Die dritte Möglichkeit: Sie blockieren seine neuromuskuläre Erregungsübertragung (siehe Tabelle).

Kleine Maden

Eltern kann der unverhoffte Anblick kleiner, weißer Madenwürmer (Enterobius vermicularis), die sich in der Windel oder auf dem Laken des Kinderbettes winden, einen ordentlichen Schreck einjagen. Die bis zu 10 mm großen Parasiten, die zur Klasse der Fadenwürmer gehören, sind aber ungefährlich. 

Sie kommen weltweit vor, fühlen sich jedoch in gemäßigten Klima­zonen am wohlsten. Madenwürmer infizieren ausschließlich Menschen, Haustiere dienen nicht als Wirt. Sowohl Larven als auch erwachsene Würmer leben im Dünndarm, andere Organe werden nicht besiedelt. Nach der Befruchtung wandern die Weibchen nachts zur Gesäßfalte und legen dort ihre Eier ab. Dieser Vorgang löst massiven Juckreiz aus, und der Wirt kratzt sich. Die klebrigen Wurmeier können sich dabei an die Finger und unter die Nägel heften und so durch Schmierinfektionen im gesamten Haushalt verteilt werden. Kinder, die ihre Hände in den Mund nehmen, laufen Gefahr, sich so erneut selbst anzustecken (Autoinfektion).

Eine Madenwurminfektion kann mit einem in der Tabelle gelisteten Wirkstoff behandelt werden. Häufig kommt der Wirkstoff Pyrantel (Helmex®) zum Einsatz. Er wird kaum resorbiert und ist daher überwiegend im Darm wirksam. Eine einmalige Gabe von 10 mg Pyrantel pro kg Körpergewicht reicht aus, um die Parasiten erfolgreich abzutöten. Als typische Nebenwirkungen können Erbrechen, Übelkeit und Durchfall auftreten. Bei Säuglingen unter sechs Monaten sowie in Schwangerschaft und Stillzeit ist der Wirkstoff kontraindiziert.

Wirkstoffe gegen Fadenwürmer

Wirkstoff Fertigarzneimittel Wirkprinzip (Abgabe-)Hinweise
Pyrvinium Molevac®, Pyrcon®(OTC) hemmt Enzyme des Kohlenhydrat-Stoffwechsel des Wurmes; nur gegen Madenwürmer (Unterfamilie der Fadenwürmer) Cyanfarbstoff färbt den Stuhl rot; nicht für Kinder unter 12 Monaten
Pyrantel Helmex® (Rx) neuromuskuläre Blockade; wirkt gegen Würmer und Larven nicht für Kinder unter 6 Monaten; kann die Blutspiegel von Theophyllin erhöhen; Dosierung nach Gewicht; Würmer werden gelähmt und lebend ausgeschieden; Einnahme zu oder nach einer Mahlzeit
Mebendazol Vermox®, Surfont® (Rx) verhindert die Bildung der Mikrotubuli; wirkt nur gegen adulte Würmer möglicherweise teratogen: auf Verhütung achten (auch Männer); kann den Blutzucker senken; nicht in der Stillzeit und nicht für Kinder unter zwei Jahren geeignet

Wichtig: Pyrantel tötet ausschließlich Wurmstadien mit Nervensystem, die Eier bleiben verschont. Folglich sollte die Behandlung nach zwei bis drei Wochen wiederholt werden. Um den Therapieerfolg zu sichern, sollten PTA und Apotheker darauf hinweisen, Bettlaken und Unterwäsche täglich zu wechseln und bei mindestens 60 °C zu waschen. Um Wurmeier nicht im Raum zu verteilen, sollte während der Therapie das Aufschütteln der Betten oder Ausklopfen getragener Kleidung unterlassen werden. Gründliches Händewaschen nach jedem Toilettengang und vor jeder Mahlzeit schützt vor Re- und Neuinfektion. Desinfektionsmittel sind in diesem Fall überflüssig, da sie den Eiern nichts anhaben können. Wichtiger ist es, Spielzeug, Türklinken, Böden und Flächen sauber abzuwischen sowie Teppiche und Polster gründlich abzusaugen. Ein guter Tipp ist, Fingernägel kurz zu schneiden und gegebenenfalls nachts Baumwollhandschuhe zu tragen.

Gefahr im Sandkasten

Die ebenfalls zu den Fadenwürmern zählenden Spulwürmer leben im Darm ihrer Wirte – ein Wirtswechsel findet nicht statt. Die Ansteckung erfolgt fäkal-oral über das Verschlucken vermehrungsfähiger Wurmeier. Die mit dem Stuhl ausgeschiedenen Eier sind allerdings nicht unmittelbar infektiös – sie müssen zunächst vier bis sechs Wochen außerhalb des Körpers ausreifen. Optimale Bedingungen bietet dazu feuchtes Erdreich.

Der Spulwurm Ascaris lumbricoides befällt ausschließlich den Menschen. Eine Infektion kann nur erfolgen, wenn Trinkwasser oder Nahrungsmittel durch kontaminierten menschlichen Kot verunreinigt sind – was hierzulande praktisch nicht mehr vorkommt. Wo heute aber noch mit menschlichen Fäkalien gedüngt wird oder die Trinkwasseraufbereitung mangelhaft ist, sind weite Teile der Bevölkerung mit Ascaris lumbricoides durchseucht.

In Deutschland sind es vor allem Spulwürmer von Haus- und Nutztieren, die den Menschen versehentlich infizieren und als Fehlwirt missbrauchen. Während ihrer Entwicklung durchbohren sie den menschlichen Darm und durchwandern bevorzugt Leber und Lunge, wobei sie beim Betroffenen allergische Reaktionen oder asthmaähn­liche Hustenanfälle auslösen können. Die Gefahr einer Infektion lauert in Sandkästen, die mit Katzen- oder Hundekot verunreinigt sind, und betrifft daher hauptsächlich Kinder. Vorsicht ist auch geboten bei der Reinigung des Katzenklos. Gartenerde und boden­nahes Obst und Gemüse können ebenfalls mit vermehrungsfähigen Spul­wurm­eiern kontaminiert sein.

Der beste Schutz vor Ansteckung besteht darin, Gemüse, Obst und Salate vor dem Verzehr gründlich abzuspülen sowie die Hände vor jeder Mahlzeit zu waschen. Fliegen können vermehrungsfähige Spulwurmeier von Kot auf Lebensmittel übertragen – Speisen sollten daher gerade in den Sommermonaten abgedeckt werden. Nicht zuletzt müssen Haustiere regelmäßig entwurmt werden.

Sehr selten, aber lebensbedrohlich sind Infektionen mit dem Hunde- oder Fuchsbandwurm – das Krankheitsbild wird Echinococcose genannt. Die Übertragung der Bandwurmeier auf den Fehlzwischenwirt Mensch erfolgt fäkal-oral. Ein erhöhtes Erkrankungsrisiko tragen dementsprechend Hundebesitzer sowie Landwirte und Forstarbeiter. Waldfrüchte und Pilze können mit dem Kot infizierter Füchse verunreinigt sein. Sie sollten niemals ungewaschen verzehrt werden.

Im Darm des Wirtsorganismus schlüpfen aus den befruchteten Eiern die als Finnen bezeichneten Larven. Sie verlassen den Darm und dringen invasiv in Organe wie Niere, Lunge oder Gehirn ein, wobei sie insbesondere die ­Leber stark schädigen. In den meisten Fällen wird die Parasitose erst nach Jahren diagnostiziert – dementsprechend groß sind die körperlichen Schäden. Unbehandelt sind Hunde- und vor allem Fuchsbandwurminfektionen tödlich.

Durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch können Finnen des Rinder- oder Schweinebandwurms den Menschen infizieren und sich in dessen Darm ansiedeln. Der Mensch ist dabei der natürliche Endwirt, während die entsprechenden Nutztiere als Zwischenwirte fungieren. Dank Fleischbeschau und hygienischer Nutztierhaltung sind Wurst- und Fleischwaren überwiegend unbedenklich. Braten, Kochen sowie Einfrieren bei mindestens –18 °C tötet Finnen zuverlässig ab. Kommt es dennoch zu einer Infektion, verläuft die Erkrankung (Tinneose) überwiegend asymptomatisch. Gelegentlich treten gastrointestinale Beschwerden, Müdigkeit oder Heißhungerattacken auf. Äußerst selten lösen einwandernde Bandwurmglieder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse oder des Blinddarms aus.

Behandelt werden Bandwurminfektionen zum Beispiel mit dem Arzneistoff Praziquantel (Biltricide®, Cesol®, Cysticide®, alle Rx), der zu einer Lähmung der Parasiten führt. Praziquantel wird nach oraler Einnahme gut resorbiert. Üblicherweise wird bei einem unkomplizierten Befall mit dem Schweine- oder Rinderbandwurm mit 10 mg Wirkstoff pro kg Körpergewicht therapiert, eine einmalige Einnahme reicht aus.

Neben Praziquantel wird häufig zusätzlich Mebendazol verordnet. Außerdem stehen die Wirkstoffe Albendazol (Eskazole®, Rx) und Niclosamid (Yomesan®, OTC) gegen Bandwürmer zur Verfügung. Die Behandlung einer Echinococcose kann sich über mehrere Jahre erstrecken. In vielen Fällen muss ein Leben lang therapiert werden. /

Die Legende des Äskulapstabs

Der Äskulapstab als medizinisch-pharmazeutisches Symbol könnte statt einer Schlange auch einen Wurm abbilden. So lautet zumindest eine Hypothese. Die Heimat des Medinawurms (Dranunculus medinensis) sind die Feuchtgebiete Afrikas und Asiens. Der Mensch (Endwirt) steckt sich an, indem er das mit infizierten Süßwasserkrebsen (Zwischenwirte) verunreinigte Wasser trinkt. Die erwachsenen Würmer leben in der menschlichen Haut. Eine alte, aber noch heute gebräuch­liche Methode der Entwurmung besteht darin, die Haut an der befallen Stelle aufzuschneiden und den Wurm Tag für Tag mithilfe zweier Holzstäbe aufzuwickeln – eine Handlung, die das Symbol abbilden könnte.