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Tierklinik

Fachtierärzte für Vierbeiner

19.06.2017  14:36 Uhr

Von Isabel Weinert / Tierklinik – bei diesem Wort erscheinen vor meinem inneren Auge bellende, aufgeregte Hunde, jammernde Katzen, Unruhe und besorgt dreinblickende Herrchen und Frauchen. Doch als ich die Tierklinik in Hofheim am Taunus be­trete, ist alles ganz anders.

Die Atmosphäre ruhig und entspannt, das Ambiente eher Hotel als Klinik, von Unruhe keine Spur: Das Krankenhaus für Tiere bietet Mensch und Tier zum Empfang einen Rahmen, der die Nerven beruhigt. Vier Tageslicht­durchströmte Warteräume gibt es, da­runter einen speziell für Katzen. Extra schallgedämpft dringt kaum ein Laut hier hinein, und die Tür bleibt geschlossen, damit die empfindsamen Tiere die Hunde nebenan nicht wittern. Das würde sie zusätzlich aufregen. Seit Anfang dieses Jahres darf die Klinik ob ihrer­ Katzenfreundlichkeit das international anerkannte Zertifikat »Cat friendly clinic Gold Standard« führen. Das liegt auch daran, dass Katzen schon direkt bei Ankunft eine mit ihren Hormondüften besprühte Decke bekommen. Sogar einen Behandlungsraum mit Katzen-Pheromonen gibt es, eine Art Chill-Area. »Damit entspannen sich die Katzen sofort«, berichtet Tierärztin Dr. Katharina Kessler.

Vor 20 Jahren gegründet, ist die Tierklinik Hofheim heute die größte Kleintierklinik in Deutschland und steht auch in Europa mit an der Spitze der tiermedizinischen Einrichtungen. Im vergangenen Jahr ist die Klinik von ehemals 1400 auf 3800 Quadratmeter umgezogen. Kessler erinnert sich: »In der Enge der alten Klinik ging es schon hektischer zu als in dem neuen Gebäude.«

Täglich werden hier durchschnittlich 150 tierische Patienten untersucht und behandelt, modernste Geräte haben Platz gefunden: ein CT, ein MRT und ein Linearbeschleuniger für die Tumorbestrahlung. Die Expertise spricht sich ­he­rum, weshalb der Zulauf Hessens Grenzen und gar die Deutschlands schon lange überschritten hat.

Das Besondere: »Wir haben Tiermediziner, die sich nach dem Studium noch einmal auf jeweils eine bestimmte Fachrichtung spezialisiert haben«, erklärt Kessler. Eine lange Ausbildung, an deren Ende Fachtierärzte stehen, wie es sie auch für Menschen gibt: Radio­logen, Onkologen, Chirurgen, Dermatologen, Intensivmediziner, Kardiologen, Orthopäden und Neurologen – um nur einige zu nennen. Die meisten Tierhalter kommen über ihren Haustierarzt.

Herrchen oder Frauchen schildern das Problem bei der Terminvergabe für das Tier, sodass es direkt zum richtigen Fachtierarzt kommt. Braucht dieser den Rat eines Kollegen, sind die Wege kurz. Um Kapazitäten für ihre Leistungen zu haben, verzichtet das Team der Tierklinik Hofheim darauf, Tiere zu impfen, zu kastrieren, ihnen die Krallen zu schneiden oder Krankheiten zu behandeln, die auch der niedergelassene Tierarzt gut heilen kann.

Alles unter einem Dach

Die Tiere, die hierher kommen, haben­ komplizierte Erkrankungen, brauchen spezielle Untersuchungen und Operationen. Letzteres ist an acht OP-Tischen, verteilt auf fünf OP-Säle möglich. Die meisten Tierhalter zahlen die Behandlung für ihre Vierbeiner privat. Doch immer mehr setzt sich auch hierzulande durch, das eigene Tier zu versichern. In diesen Fällen übernimmt der Kostenträger die Leistungen der Tierärzte.

Unser Weg durch die Klinik führt uns über die Dermatologie, die Kardiologie und die Orthopädie schließlich zu den Tieren, die einige Zeit in der Klinik bleiben müssen, um wieder genesen zu können. Die kranken Katzen sind auch hier von den Hunden getrennt.

Es ist ruhig, Hunde, die viel bellen, haben einen Bereich, ein wenig ab von den anderen, um sie nicht zu stören. Ein Auslauf, der sich direkt an die Stationen anschließt, ermöglicht den Tieren Bewegung auf ihrem Weg zurück zur Gesundheit. Und weil Liebe bekanntlich auch durch den Magen geht, bereitet das Pflegeteam den stationären Patien­ten aus einem guten Dutzend Futtersorten in allen Geschmacksrichtungen das jeweilige Lieblingsessen zu. Die meisten Tiere fressen auf diese Weise. Doch unter den Patienten plagt einige auch schweres Heimweh: »In diesen seltenen Fällen müssen Herrchen oder Frauchen dann kommen, um das Tier zu füttern«, erklärt Kessler. Unter den Tierhaltern gibt es auch solche, die am liebsten bei ihrem Vierbeiner in der Klinik­ übernachten würden. Doch das geht leider nicht. Dafür gibt es die Pflegerinnen und Pfleger, von denen sich alle schon mindestens einmal in eines der Tiere »verliebt« haben und es dann am liebsten mit nachhause nehmen würden.

Ein großer schwarzer Hund liegt schwer krank, mit Infusionen und Windel in seinem Käfig. Wie, frage ich Kessler, finden die Tierärzte immer wieder den richtigen Weg zwischen Leben erhalten und Leiden verlängern? Genau das tagtäglich auszuloten, liegt den Medizinern sehr am Herzen: »Wir verlängern Leben nur dann, wenn auch die Lebensqualität des Tieres stimmt«, sagt Kessler. Jedoch erlebt sie immer wieder, dass das Team der Tier­klinik Tiere retten und ihnen noch ein langes Leben bescheren kann, die ein niedergelassener Tierarzt schon auf­gegeben hatte. »Wir haben hier einfach ganz andere Möglichkeiten, die Tiere zu behandeln.«

So auch in der Onkologie, der Station, die Kesslers Mann und Mitbe­gründer der Tierklinik, Dr. Martin Kessler, leitet. Seine Erfahrungen in diesem Bereich hat er in einem Fachbuch festgehalten, dem einzigen in deutscher Sprache, das es auf diesem Gebiet in der Tiermedizin gibt.

Die Therapie der an Krebs erkrankten Patienten ähnelt derjenigen in der Humanmedizin: Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Der große Unterschied liegt in der Dosierung und damit auch Verträglichkeit der Behandlung: »Wir können zum Beispiel Chemotherapeutika in geringeren Dosierungen einsetzen, sodass die Tiere sie wirklich gut vertragen«, so Kessler. Auch, wenn das den Tumor nicht in jedem Fall ausmerzt, verlängert es doch oft ein lebens­wertes ­Leben der Tiere. »Das ist für viele Tierhalter wichtig. Wenn ein Hund zum Beispiel seit mehr als zehn Jahren in einer Familie lebt, dann zählt er meist als Familienmitglied. Können wir sein Leben bei einer Krebserkrankung auf gute Weise um ein Jahr verlängern, ist das für die Besitzer eine schöne Nachricht, denn sie können sich ganz anders auf den Tod des Tieres vorbereiten«, erklärt Kessler.

Auch im Notfall immer da

Neben den geplanten Terminen für Vierbeiner retten die Tierärzte auch in Notfällen Leben: An 365 Tagen im Jahr hat die Tierklinik rund um die Uhr geöffnet. Der Notdienst ist stark frequentiert, denn andere Kliniken in der Region haben den Notfallbetrieb wegen Personalmangels eingestellt. Letzteres auch ein Thema für das Team in Hofheim: »Mitarbeiter für die Wochenenddienste zu finden, wird zunehmend schwierig.«

Auch im Notfall kommt den Tieren der hohe Standard der Klinik zu Gute, etwa durch das eigene Labor, das schnelle Ergebnisse von Blutanalysen ermöglicht, und die Klinik-Apotheke, die sogar einen Kommissionierautomaten nutzt. Das Dispensierrecht der Tierärzte hält Kessler für sinnvoll: »In der Arzneimitteltherapie von Tieren kann man ihnen erheblich schaden, wenn man sich nicht gut auskennt«, weiß sie. Die Indikationen von Humanarzneimitteln lassen sich nämlich nicht auf Tiere übertragen. Manche Medikamente, die den Menschen nutzen, wirken bei ihnen gar tödlich.

Für den Notfall hält die Klinik auch Blutkonserven vor, denn einige Halter bringen ihre Tiere regelmäßig zur Blutspende. Hiervon profitieren auch die Spendertiere, denn sie werden kostenfrei untersucht und bekommen einen großen Sack gesunden Futters. /