Stärken und stützen |
15.06.2018 16:51 Uhr |
Von Caroline Wendt / Nach einem langen Arbeitstag die Beine hochlegen – das ist für Patienten, die unter einer chronischen Veneninsuffizienz leiden, eine Wohltat. Pflanzliche Arzneimittel und Kompressionsstrümpfe helfen, die Symptome von müden oder geschwollenen Beinen zu lindern.
Wenn die Pumpleistung der Venen in den Beinen nicht mehr einwandfrei funktioniert, kann das Blut in den Beinen versacken. Das verursacht Beschwerden: Die Beine fühlen sich schwer an, schmerzen und sind geschwollen. Auch Juckreiz und nächtliche Wadenkrämpfe gehören zum Beschwerdebild der chronischen Veneninsuffizienz (CVI). Langes Stehen oder Sitzen kann die Symptome verstärken. Vor allem wenn im Sommer die Temperatur steigt, nehmen die Beschwerden vieler Patienten zu. Sie suchen dann Rat in der Apotheke.
Starke Beine: Venen brauchen oft Unterstützung beim Blut-Transport.
Foto: iStock/Randy Plett
Orale Präparate mit standardisiertem Extrakt aus Rosskastaniensamen, standardisiertem roten Weinlaubextrakt und Oxerutin aus dem Japanischen Schnurbaum gehören zu den gut untersuchten Venentherapeutika. Laut einem Konsensuspapier zur symptomorientierten Therapie der chronischen Venenerkrankungen, veröffentlicht 2016 im Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, ist ihre Wirksamkeit mit guter Evidenz dokumentiert. Die Phytopharmaka reduzieren Ödeme, indem sie gefäßabdichtend und antientzündlich wirken. Roter Weinlaubextrakt und Oxerutin konnten in Studien zudem Schmerzen sowie Schwere- und Spannungsgefühle reduzieren.
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Bei der Beratung ist es wichtig, dass PTA und Apotheker die Kunden darauf hinweisen, dass die Wirkung der Phytopharmaka nicht sofort einsetzt, sondern einige Wochen auf sich warten lassen kann. Sollten die Patienten nach vier Wochen regelmäßiger Anwendung jedoch noch Probleme haben, ist ein Arztbesuch anzuraten.
Der wirksame Inhaltsstoff der Rosskastaniensamen ist Aescin (zum Beispiel in Venostasin® retard). Patienten mit CVI sollten täglich 100 mg Aescin (zum Beispiel morgens und abends je 50 mg) einnehmen. Die Retardform ist magenfreundlicher und sollte vor dem Essen mit ausreichend Flüssigkeit eingenommen werden. Kommt es dennoch zu Magenbeschwerden, so ist eine Einnahme, genau wie bei unretardierten Präparaten, zum Essen zu empfehlen.
Arzneimittel mit rotem Weinlaubextrakt (zum Beispiel Antistax® extra) müssen nur einmal täglich vor dem Frühstück eingenommen werden (ein bis zwei Tabletten mit je 360 mg Trockenextrakt aus roten Weinrebenblättern). Hier sind die Inhaltsstoffe des Gesamtextraktes, verschiedene Flavonoide, antiödematös wirksam.
Bei Oxerutin handelt es sich um ein halbsynthetisches Derivat des Rutins. Es wird aus dem Japanischen Schnurbaum gewonnen und ist zum Beispiel in Venoruton® intens enthalten. Die Einnahme-Empfehlung ist hier zweimal täglich eine Tablette (entspricht zweimal 500 mg pro Tag).
Ebenfalls aus dem Japanischen Schnurbaum wird das Rutinderivat Troxerutin (zum Beispiel in Veno® SL) gewonnen. Aufgrund einer unzureichenden Datenlage wird dieser Wirkstoff jedoch nicht in dem Konsensuspapier genannt. Auch Präparate mit Mäusedornwurzel-Extrakt (zum Beispiel in Cefadyn® oder Phlebodril®) finden lediglich als traditionelle Ödemprotektiva Anwendung.
Foto: Boehringer Ingelheim
Neben den oral einzunehmenden Phytopharmaka sind auch zahlreiche topische Anwendungen auf dem Markt. Egal ob Cremes, Salben oder Gele – auch für diese Präparate gibt es keine offizielle Empfehlung. Ihre Anwendung wird dennoch als angenehm empfunden, da das Eincremen einer kleinen Massage gleichkommt. Bei akuten Beschwerden wirken Gele zudem kühlend und gefäßzusammenziehend.
Heparin und hirudoidhaltige externe Zubereitungen sollen durch ihre blutverdünnenden, gerinnungshemmenden Eigenschaften den Abbau von Blutgerinnseln unterstützen. Sie sind jedoch lediglich bei oberflächlichen Venenentzündungen oder stumpfen Traumata wie Sportverletzungen zugelassen.
Strumpf macht Druck
Die Wirkung von Kompressionsstrümpfen ist bewiesen. Sie üben von außen einen konstanten Druck auf die Venen aus. Dadurch fließt das Blut besser zum Herzen zurück, Stauungen und der Austritt von Gefäßwasser werden vermindert. Beim Thema Kompressionsstrümpfe lässt jedoch die Adhärenz vieler Patienten zu wünschen übrig, gerade an warmen Sommertagen. Deshalb kommt der Auswahl des richtigen Materials und der richtigen Strumpflänge (Kniestrumpf, Schenkelstrumpf oder Strumpfhose) eine wichtige Bedeutung zu, um den Patienten das Tragen so angenehm wie möglich zu machen. Bei Kompressionsstrümpfen auf Rezept trifft der verordnende Arzt diese Auswahl, genauso wie bei der richtigen Kompressionsklasse. Je nach Indikation kann der Arzt zwischen leichten Kompressionsstrümpfen der Klasse I (18,0 bis 21,0 mmHg) bis hin zu extrakräftigen Strümpfen der Klasse IV (mindestens 49,0 mmHg) wählen.
Um die Compliance der Patienten zusätzlich zu fördern, können PTA und Apotheker Anziehhilfen (zum Beispiel Draco® Anziehhilfe für Kompressionsstrümpfe) empfehlen. Bei Schenkelstrümpfen kann ein spezieller Haftkleber (zum Beispiel Ofa fix® Hautkleber für medizinische Kompressionsstrümpfe oder Belsana® hafti Hautkleber/Haftkleber) das Rutschen der Strümpfe vermindern.
Leichte Kompressionsstrümpfe (bis maximal 21 mmHg) können PTA und Apotheker auch in der Selbstmedikation empfehlen (zum Beispiel Varilind® Travel oder Medi Travel®). Sie können zum Beispiel bei langen Reisen empfohlen werden oder Kunden, die beruflich viel stehen oder sitzen, Linderung im Alltag verschaffen.
Ein weiterer Tipp für Patienten mit Venenbeschwerden: Sport und Bewegung allgemein halten die Venen gesund, denn so wird die Wadenpumpe angekurbelt und der venöse Rückstrom zum Herz unterstützt. Besonders geeignet sind Radfahren, Schwimmen und Walken, ebenso spezielle Venengymnastik. Einschnürende, enge Kleidung sollte man besser meiden, ebenso Schuhe mit hohen Absätzen. Wer beruflich viel sitzt oder steht, sollte in den Pausen die Beine hochlegen, möglichst über Herzhöhe. Regelmäßige Wechselduschen und Kneipp-Güsse kühlen und stärken die Beine. Hitze durch Saunagänge, Solariumbesuche oder ausgedehnte Sonnenbäder sollten Patienten mit Venenbeschwerden besser meiden. /