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Selbstmedikation

Gut beraten bei Rückenschmerzen

01.09.2014  14:44 Uhr

Von Eva-Maria Hierl / Akute Rückenschmerzen wollen Betroffene möglichst schnell und anhaltend lindern. Welches Analgetikum geeignet ist und welche Zusatztipps den Patienten helfen können, muss die PTA dabei immer individuell entscheiden.

Akute Rückenschmerzen kann der Patient etwa drei bis vier Tage selbst behandeln. Halten die Beschwerden länger an, muss die PTA einen Arztbesuch empfehlen. In der Selbstbehandlung kommen grundsätzlich die Analgetika Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen in Frage. Die Arzneistoffe gehören zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (Non Steroidal Anti Inflammatory Drugs, NSAID), die schmerzstillend und insbesondere in höheren Dosen auch entzündungshemmend wirken. NSAID hemmen das Enzym Cyclooxygenase und damit die Synthese von Prosta­glandinen – Hormonen, die an der Entstehung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen beteiligt sind.

Welcher Wirkstoff passt?

Neben der Wirkdauer, dem Wirkeintritt und der Stärke muss die PTA bei der Auswahl eines geeigneten Schmerzmittels auch berücksichtigen, welche Nebenwirkungen, Gegenanzeigen oder Wechselwirkungen auftreten können. 

Besonderes Augenmerk sollte sie dabei auf mögliche gastrointestinale Nebenwirkungen legen, die zwar je nach Wirkstoff unterschiedlich stark auftreten können, jedoch häufig schon bei kurzfristiger Anwendung. Patienten mit Allergien in der Vorgeschichte (Heuschnupfen, allergisches Asthma bronchiale), schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen und Patienten, die zeitgleich mit Blutgerinnungsmitteln, beispielsweise Phenprocoumon oder Heparin, behandelt werden, können NSAID nur eingeschränkt anwenden. Rückenschmerzen in der Schwangerschaft sollten werdende Mütter nie in Eigenregie behandeln, sondern immer ärztlich abklären lassen.

ASS ist das älteste der genannten Analgetika und wirkt in höherer Dosierung auch entzündungshemmend. Die Einmaldosis beträgt 500 bis 1000 mg ASS, die Tageshöchstdosis 3000 mg. Ein Vorteil ist, dass die Wirkung recht schnell eintritt. Jedoch muss ASS aufgrund der relativ kurzen Wirkdauer von etwa vier bis sechs Stunden mehrmals täglich eingenommen werden. Ibuprofen hat ein mit ASS vergleichbares Wirkspektrum, wirkt jedoch deutlich stärker entzündungshemmend. Auch hält die Wirkung mit sechs bis acht Stunden etwas länger an als die von ASS. Eine Einzeldosis von 400 mg Ibuprofen kann bis zu dreimal täglich eingenommen werden. Das Dosisintervall sollte dabei sechs Stunden nicht unterschreiten. Eine gute Alternative ist das Salz Ibuprofen-Lysinat: Es flutet schneller im Körper an und lindert die Schmerzen rascher.

 

Achtung Wechselwirkung

Viele Patienten nehmen täglich niedrig dosiertes ASS (100 mg) zur Blutverdünnung ein. Benötigen sie zusätzlich Ibuprofen zur Schmerztherapie, sollten PTA und Apotheker sie über eine Wechselwirkung aufklären: Ibuprofen kann die Wirkung von ASS aufheben und dadurch – vor allem in der Langzeittherapie – das Risiko kardialer Nebenwirkungen erhöhen. ASS sollte immer zuerst eingenommen werden, und erst nach frühes­tens 30, besser 60 Minuten Ibuprofen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Diclofenac und ASS ist diese Interaktion bisher nicht bekannt.

Diclofenac ist ebenfalls ein Schmerzmittel mit ausgeprägter antienzündlicher Wirkung, das sich in entzündetem Gewebe gut anreichern kann. In der Selbstmedikation kann es in Einzeldosen von 12,5 bis 25 mg bis zu einer maximalen Tagesdosis von 75 mg eingenommen werden. Die Wirkdauer liegt wie bei ASS zwischen vier und sechs Stunden. Bei kurzzeitiger Anwendung zeigt niedrig dosiertes Diclofenac ein vergleichsweise geringes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen. Der Wirkstoff Naproxen zeichnet sich vor allem durch seine lange Halbwertszeit und damit lange Wirkdauer von 10 bis 18 Stunden aus. Nehmen die Patienten das Schmerzmittel alle 10 bis 12 Stunden ein, reicht das meist aus, um schmerzfrei zu bleiben. Naproxen wird in der Selbstmedikation in Einzeldosen von 250 mg eingenommen, gegebenenfalls kann der Patient eine Startdosis von 500 mg benötigen. Die Tageshöchstdosis beträgt 750 mg. Wie bei allen NSAID können gastrointestinale Beschwerden als Nebenwirkung auftreten.

Paracetamol nicht besser als Placebo

Paracetamol wird bei akuten Rückenschmerzen zwar häufig eingesetzt, ist in diesem Fall aber vermutlich wirkungslos. Denn laut den Ergebnissen einer aktuellen Studie im Fachjournal Lancet wirkt das Analgetikum in dieser Indikation nicht besser als Placebo. Die Einnahme verbesserte weder Schmerzen und Beweglichkeit, noch hatte sie einen positiven Einfluss auf die Schlaf- und Lebensqualität der Patienten. Zwar empfehlen einige Leitlinien die Gabe von Paracetamol, die neuen Ergebnisse stellen den generellen Einsatz bei Rückenschmerzen jedoch in Frage.

Auch Cremen hilft

Zahlreiche Schmerzsalben, -gele und -sprays mit den Wirkstoffen Ibuprofen, Diclofenac, Piroxicam und Indometacin versprechen ebenfalls eine schnelle Schmerzlinderung. Aber gelangt überhaupt genügend Wirkstoff über die Haut in den Körper? Diese Frage wird in Fachkreisen schon seit Längerem diskutiert. Laut der Gesellschaft für Dermopharmazie lässt sich durch Auftragen einer ausreichend großen Menge durchaus eine Wirkung erzielen: »Um die gewünschte analgetische und funktionsverbessernde Wirkung erzielen zu können, muss der jeweilige Wirkstoff in ausreichend hoher Konzentration in die zu behandelnden Gewebeschichten eindringen und möglichst lange dort verweilen. In Einklang mit der in klinischen Studien festgestellten therapeutischen Wirksamkeit wurden für Ibuprofen (….) und verschiedene Salze von Diclofenac nach topischer Applikation pharmakologisch relevante Wirkstoffkonzentrationen in Subkutis, Sehne, Muskulatur, Gelenkkapsel und Synovia gefunden«, heißt es in einer Stellungnahme der Gesellschaft.

Tipps bei der Abgabe von Schmerzmitteln

  • Betroffene sollten akute Rückenschmerzen nur kurzfristig in Eigenregie behandeln. Bleiben die Beschwerden bestehen oder treten sie nach Absetzen der Behandlung schnell wieder auf, sollte ein Arzt die Schmerzen abklären.
  • Schmerzmittel wirken schneller, wenn sie vor dem Essen eingenommen werden. Bei empfindlichem Magen sollte die PTA aber die Einnahme während oder nach der Mahlzeit empfehlen.
  • Weit verbreitet, aber falsch ist die Ansicht, dass ein Schluck Wasser zum Schlucken der Tablette ausreicht. Zur Einnahme gehört immer ein großes Glas Wasser, so löst sich die Tablette im Magen schneller auf und wirkt früher.
  • Da NSAID blutverdünnend wirken, sollte der Arzt spätestens sieben Tage vor operativen Eingriffen (auch beim Zahnarztbesuch) über die Einnahme informiert werden.
  • Schmerzsalben nur auf intakte Haut auftragen und anschließend die Hände waschen, um eine unbeabsichtigte »Weitergabe« zu verhindern.

Auch ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2010 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Danach ist die Wirksamkeit von topisch appliziertem Diclofenac, Ibuprofen und Piroxicam bei akuten muskuloskelettalen Schmerzen gesichert. Indometacin-Externa sind dagegen scheinbar nicht wirksamer als Placebo. Ein wesentlicher Vorteil der topischen Anwendung von NSAID ist auf jeden Fall die bessere Verträglichkeit: Durch die deutlich geringere Wirkstoffkonzentration im Plasma wird die Sicherheit für Patienten mit Magen-Darm- oder Herz-Kreislauf­Erkrankungen erhöht.

Kunden mit einer Vorliebe für natürliche Heilmethoden kann die PTA auch Externa mit Pflanzenextrakten empfehlen. Sie enthalten unter anderem Auszüge aus Arnika oder Beinwellwurzel und wirken entzündungshemmend, schmerzstillend und abschwellend. Homöopathische Zubereitungen sind beim akuten Rückenschmerz nicht erste Wahl, sie wirken meist zeitversetzt und lindern den Schmerz nicht sofort.

Wärme oder Kälte?

Ein sinnvolle Zusatzempfehlung bei Rückenschmerzen kann auch eine Wärme- oder Kälteanwendung sein. Während akute (Sport-)Verletzungen eher auf eine Kältebehandlung mit Eisspray oder Kältepack ansprechen, wirkt Wärme durchblutungsfördernd und muskelentspannend bei subakuten oder chronischen Schmerzen, etwa bei Verspannungen. Je nach Vorliebe können Wärmepflaster oder -auflagen, Wärmesalben, Kirschkern- oder Traubenkernkissen und – last but not least–die gute alte Wärmflasche empfohlen werden. /

Interview mit Dr. Daniel Niehues-Paas, Facharzt für Orthopädie

PTA-Forum: Bei welchen Symptomen sollten Patienten mit Rückenschmerzen unbedingt zum Arzt?

Niehues-Paas: Starke oder auch andauernde Rückenschmerzen müssen generell genau untersucht und abgeklärt werden. Ferner sollte ein Arzt aufgesucht werden, wenn die Schmerzen in Ober- oder Unterschenkel ausstrahlen, sowie bei Kraftminderung oder Taubheitsempfinden im Bein. Diese Symptome könnten auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen.

PTA-Forum: Welche Sportarten eignen sich besonders, um Rückenproblemen vorzubeugen?

Niehues-Paas: Generell ist es für die Wirbelsäule besser, aktiv zu sein, als gar keinen Sport zu treiben und nur im Bürostuhl oder zuhause auf der Couch zu sitzen. Zur Prävention von Rückenschmerzen besonders zu empfehlen ist ein stabilisierendes Training der Rumpfmuskulatur, das Rücken und Bauch gleichermaßen anspricht. Dieses lässt sich sehr effektiv im Rahmen eines gezielten Krafttrainings im Fitnessstudio erreichen. Aber auch Rückenkurse oder Pilates sind dazu geeignet.

PTA-Forum: Welcher Sport eignet sich eher nicht?

Niehues-Paas: Jogging, Walking und Radfahren sind ein gutes Herz-Kreislauf-Training, zur Prävention von Rückenschmerzen aber weniger geeignet, da die Rumpfmuskulatur zu wenig beansprucht wird.

PTA-Forum: Welche Tipps haben Sie für den Alltag, um Rückenschmerzen vorzubeugen?

Niehues-Paas: Die meisten Menschen sitzen zu viel und bewegen sich zu wenig. Wird viel Zeit vor dem Computer verbracht, sind bei zu schwach ausgeprägter Rumpfmuskulatur Verspannungen im Schulter-Nackenbereich vorprogrammiert. Ferner werden durch langes Sitzen die Bandscheiben im Lendenwirbelsäulenbereich recht stark beansprucht. Übergewicht tut das übrige. Für den Alltag heißt das: Runter vom Gewicht, für eine optimale Sitzposition am Arbeitsplatz sorgen und häufiger mal die Turnschuhe anziehen. Das erspart so manchen Arztbesuch.