So gelingt die Abwehr |
30.06.2017 09:49 Uhr |
Von Ulrike Viegener / Die Vielzahl an Insektenschutzmitteln erschwert Laien, sich für das richtige Präparat zu entscheiden. Orientierung bieten zum Beispiel die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin.
Mücken lieben süßes Blut. Diese These hält sich hartnäckig, aber sie ist ein Mythos. Nicht der Zuckergehalt des Blutes macht manche Menschen für Stechinsekten so attraktiv, sondern ihr Körpergeruch. Und der scheint genetisch begründet zu sein, wie Studien an Zwillingen zeigen: Unter kontrollierten Bedingungen suchten Ägyptische Tigermücken (Aedes aegypti) – die Überträger des Gelbfiebers – eineiige Zwillinge annähernd gleich häufig heim.
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Bei zweieiigen Zwillingen hingegen, die sich in ihrem Erbgut unterscheiden, bevorzugten die Mücken jeweils nur einen Zwilling. Aus diesen Erkenntnissen hoffen Forscher möglicherweise den Schlüssel zu neuen Abwehrstrategien entwickeln zu können. Dazu müsste es gelingen, die Gene zu identifizieren, die einen Menschen zum Leckerbissen machen. Im Moment ist das noch Zukunftsmusik.
Das aktuelle Angebot an Repellentien ist groß. Der Begriff leitet sich vom lateinischen Wort repellere = zurückstoßen/abweisen ab. Er bezeichnet Substanzen, die für Stechmücken und Blutsauger unangenehm riechen oder deren Geruchssinn beeinträchtigen. Die Insekten suchen also das Weite – so lautet zumindest die Theorie.
In Untersuchungen der Stiftung Warentest leisten dies beileibe nicht alle getesteten Präparate. Beim Test von 21 Mückenmitteln im Jahr 2014 bescheinigte das Magazin nur vier Repellentien eine gute Schutzwirkung, einige Mittel stufte das Magazin sogar als völlig wirkungslos ein. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2017 hat die Stiftung Warentest freiverkäufliche Sprays unter die Lupe genommen, die nur gegen Zecken oder gleichzeitig gegen Stechinsekten und Zecken wirksam sein sollen. Auch bei dieser Testreihe wurden wieder zwei Blindgänger identifiziert, unterm Strich lag die Qualität der Insektenschutzmittel aber diesmal deutlich über den Ergebnissen früherer Tests: Die meisten der 2017 getesteten Produkte hielten, was sie versprachen. Sie wehrten Zecken über bis zu sechs Stunden und Mücken über bis zu acht Stunden erfolgreich ab.
Für Erwachsene gilt: Auch die Menge an Repellent macht’s. Viel Wirkstoff sorgt für guten Schutz.
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Als Versuchstiere kamen sowohl die tagaktive Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) als auch die dämmerungs- und nachtaktive südliche Hausmücke (Culex quinquefasciatus) zum Einsatz. Die meisten Sprays vertrieben erfolgreich die in Europa weit verbreitete lästige Hausmücke, nur die Hälfte der Produkte schaffte dies jedoch auch bei der gefährlichen Gelbfiebermücke, die Dengue- und Zikafieber überträgt und inzwischen auch in europäische Regionen vorgedrungen ist.
Verträglichkeit befriedigend
Testsieger bei den Kombinationsprodukten waren Icaridin-haltige Präparate, hier Autan® Protection Plus, dicht gefolgt von einem Drogerieprodukt. Beide Produkte schützten im Test zuverlässig sowohl gegen Zecken als auch gegen Mücken.
Die Verträglichkeit war im Test in keinem Fall besser als »befriedigend«. Die schwachen Noten der Stiftung Warentest erhielten die Produkte vor allem wegen der Augenreizungen und allergischen Reaktionen. Diethyltoluamid (DEET) schneidet in punkto Verträglichkeit etwas schlechter ab als Icaridin. Noch ausgeprägter scheint das allergene Potenzial von Para-Menthan-3,8-diol (PMD) zu sein, das zudem kürzer als Icaridin und DEET wirkt. Trotzdem erteilte die Stiftung Warentest dem PMD-haltigen Soventol® Protect Intensivschutzspray die Gesamtnote »gut«. Ein anderes PMD-haltiges Spray dagegen erhielt wegen seiner unzuverlässigen Wirkung die Note »mangelhaft«. Dieses Ergebnis zeigt, dass auch bei Repellentien nicht allein der Wirkstoff über die Qualität eines Produkts entscheidet.
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Und zwei weitere Testaspekte dürften für das Beratungsgespräch in der Apotheke von Interesse sein: die Textilverträglichkeit und der Geruch der Repellentien. Die Textilverträglichkeit wurde bei allen getesteten Sprays als gut beurteilt. Also sind bleibende Flecken beziehungsweise Verfärbungen nicht zu befürchten. Im Unterschied zu DEET greift Icaridin auch keine Kunststoffe an, zum Beispiel von Sonnenbrillen. Und der Geruch? Auch bei diesem Punkt waren die Tester sehr zufrieden, wobei sich über diesen Bewertungspunkt trefflich streiten lässt. Letztlich gibt das individuelle Geruchsempfinden des Anwenders den Ausschlag für den Kauf.
DEET ist tropenbewährt
Entscheidend für die Kaufentscheidung ist aber in erster Linie die Wirksamkeit eines Repellent, und zwar vor allem dann, wenn die gefürchteten Insekten gefährliche Krankheitserreger übertragen. Für Reisen in risikoreiche Gebiete der Tropen und Subtropen gilt ein Produkt mit 20-prozentigem DEET als Mittel der Wahl. Der Wirkstoff ist schon viele Jahrzehnte im Einsatz und hat sich als tropentauglich erwiesen. Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin empfiehlt aber auch Icaridin-haltige Mittel zur Expositionsprophylaxe. Gemeinsam mit anderen Maßnahmen wie Moskitonetzen und hautbedeckender, imprägnierter Kleidung seien Repellentien dazu geeignet, das Risiko einer Übertragung von Malaria, Denguefieber und anderen Infektionskrankheiten effektiv zu reduzieren, so die Experten. Angesichts zunehmender Resistenzen der Malariaerreger gegen die etablierten Arzneimittel komme bei Reisen in Endemiegebiete dem konsequenten Schutz gegen Stiche der Anophelesmücke eine besondere Bedeutung zu, so heißt es weiter. Ein relevantes Restrisiko bleibt aber trotz adäquater Prophylaxe bestehen, auch das sollten Anwender von Repellentien wissen.
Zecken auf dem Vormarsch
In vielen Gegenden Deutschlands sind Zecken zu einer ernsten Gesundheitsgefahr geworden. Die Risikogebiete des Gemeinen Holzbocks (Ixodes ricinus), der die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) überträgt, haben sich in den letzten Jahren rasant ausgeweitet. Galten vor nicht allzu langer Zeit nur einige Regionen in Süddeutschland als Risikogebiete, so gilt dies heute für große Teile Deutschlands, und auch in anderen Ländern Europas sind mit FSME- und Borreliose-Erregern infizierte Zecken auf dem Vormarsch. Das Robert Koch-Institut empfiehlt Repellentien zur Expositionsprophylaxe, ruft aber gleichzeitig dazu auf, bei Aufenthalten im Freien schützende Kleidung zu tragen und anschließend den Körper sorgfältig zu untersuchen.
Entzündet sich ein Stich, sollte der Betroffene einen Arzt aufsuchen.
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Sowohl gegen Zecken als auch gegen Mücken als Überträger gefährlicher Infektionskrankheiten sollte jeder auf Nummer Sicher gehen und synthetische Repellentien mit erwiesener Wirkung anwenden. Sogenannte natürliche Insektenschutzmittel eignen sich dazu nicht und sind auch gegenüber den lediglich lästigen Stechmücken deutscher Breiten sehr eingeschränkt wirksam. Im Jahr 2014 vergab die Stiftung Warentest unter anderem Anti-Mücken-Mitteln auf der Basis ätherischer Öle wie Geraniol in punkto Wirksamkeit die Note »mangelhaft«. Zudem sei das allergene Potenzial der als natürlich vermarkteten Mittel durchaus relevant. Auch Mückenarmbänder fielen bei den Testern durch: Sie wirken nicht und riechen dabei zum Teil noch unangenehm, so das vernichtende Urteil.
Überall auftragen
Also geht am lästigen Eincremen oder Sprayen kein Weg vorbei: Damit Repellentien wirklich nützen, müssen sie konsequent auf alle unbedeckten Körperpartien aufgetragen werden. Einmal am Tag reicht nicht aus. In der Regel muss die lästige Prozedur in mehrstündigen Abständen wiederholt werden, bei starkem Schwitzen oder nach dem Baden sogar noch häufiger. Die Repellentien bilden einen Geruchsmantel auf der Haut, der sich an der Luft nur langsam verflüchtigt, aber bei Kontakt mit Wasser und Schweiß nicht beständig ist. Repellentien in Sprayform können eventuell – nicht jedoch bei Kindern – zusätzlich auf die Kleidung gesprüht werden.
Bei Kindern gelten folgende Empfehlungen: Bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs sind Repellentien tabu. Icaridin ist für Kleinkinder ab dem zweiten Lebensjahr geeignet, wobei die Eltern das Mittel sparsam dosieren sollten. Augen, Mund und Nasenöffnung müssen immer ausgespart werden, und soweit dies überhaupt möglich ist, sollen Erwachsene darauf achten, dass die Kinder die Wirkstoffe nicht mit den Händen in Mund oder Augen verschmieren. DEET ist für Säuglinge und Kleinkinder ungeeignet. Zur Altersbegrenzung finden sich unterschiedliche Angaben: Kritische Stimmen legen diese auf das achte Lebensjahr fest, weniger kritische halten eine sparsame Anwendung von Mitteln, die DEET in einer Konzentration von 10 Prozent enthalten, ab dem dritten Lebensjahr für vertretbar. Schwangere und Stillende sollten ebenfalls auf DEET-haltige Insektenschutzmittel verzichten. /