Training für die Atemwege |
18.07.2016 11:24 Uhr |
Von Elke Wolf, Gießen / Keine Frage: Sportliche Asthmatiker haben weniger Anfälle, seltener Atemwegsinfekte und kommen mit weniger Medikamenten aus. Doch diese positiven Effekte scheinen sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben, wie auf dem Patientenforum Lunge deutlich wurde.
Auf den ersten Blick scheint körperliche Belastung für Asthmatiker kontraproduktiv zu sein. Denn bei sportlicher Aktivität verengen sich wie bei einem Krampf die Bronchien, und der Strömungswiderstand für die Luft erhöht sich. Als Folge der bronchialen Obstruktion, wie Fachleute die Verengung der Atemwege nennen, droht eine Asthmaattacke. Die Patienten neigen deshalb dazu, körperliche Anstrengung zu meiden.
Sport verbessert Lungenfunktion und Belastungsfähigkeit. Dadurch erhöht sich die Reizschwelle für Asthmaanfälle.
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Tritt die bronchiale Obstruktion nur bei körperlicher Anstrengung auf, spricht man von einem reinen Anstrengungsasthma. Es ist eine besonders tückische Variante des Asthma bronchiale, denn es kann als reines Belastungs- oder Begleitphänomen aller Asthmaformen auftreten. Fatal: Das Anstrengungsasthma wird meist relativ spät erkannt, da die Anfälle häufig mit Konditionsschwäche oder Infekten verwechselt werden. Die Symptome treten meist erst nach Ende der eigentlichen körperlichen Belastung auf, denn während des Sporttreibens wird vermehrt Adrenalin ausgeschüttet, welches die Bronchien erweitert. Ist die Sportstunde beendet, sinkt der Adrenalinspiegel, und die Bronchien werden enger.
Dennoch lohnt es sich, regelmäßig die Sportschuhe zu schnüren, da dadurch »die Lungenfunktion verbessert, die Belastungsfähigkeit gestärkt und die Reizschwelle für die Auslösung eines Asthmaanfalls angehoben wird«, verdeutlichte Pneumologe Dr. Stefan Kuhnert von der Universität Gießen und Marburg auf dem 15. Patientenforum Lunge, ausgerichtet vom Deutschen Zentrum Lungenforschung, dem Lungeninformationsdienst und dem Helmholtz-Zentrum München. Das Training ökonomisiere die Herz-Kreislauf-Funktion und die Bewegungsabläufe, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität verbesserten sich, so Kuhnert.
Das gelte nicht nur für Asthmatiker, sondern auch für Patienten mit anderen chronischen Atemwegserkrankungen wie COPD mit und ohne Lungenemphysem, cystischer Fibrose, Lungenfibrose oder Bronchiektasen. Auch sie neigten dazu, körperliche Anstrengung zu meiden, um die Atemnot zu umgehen. »Doch das ist völlig kontraproduktiv. Körperliche Inaktivität führt zu einer Dekonditionierung des Herz-Kreislauf-Systems und der Muskulatur, begünstigt Osteoporose, und koordinative Fähigkeiten lassen nach. Das wiederum begünstigt den Bewegungsmangel und schwächt die Gesamtkonstitution.«
Sport als Therapie
Deshalb sind sich Lungenärzte einig: Sport ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie, wenn die Patienten optimal medikamentös versorgt sind. Bewegung hilft, somatische und psychische Folgen der jeweiligen Erkrankung zu überwinden. Doch obwohl der positive Effekt des körperlichen Trainings gut dokumentiert ist, ist die Zahl aktiver Sportgruppen für Atemwegs-Patienten in Deutschland bisher überschaubar; rund 800 ärztlich betreute Lungensportgruppen seien aktiv, hieß es in Gießen. Von einer flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung könne nicht die Rede sein. Die AG Lungensport führt unter www.lungensport.org ein Register der Lungensportgruppen in Deutschland. Kuhnert riet den Lungenpatienten, als Alternative eine Herzsportgruppe aufzusuchen. Diese seien deutschlandweit dreimal so häufig vertreten und die vermittelten Atemtechniken und Bewegungsabläufe seien denen in Lungensportgruppen sehr ähnlich.
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Auch scheint die Trainingstherapie im ambulanten Bereich nicht ohne Hindernisse abzulaufen. So wird etwa derzeit nur der in Gruppen angeleitete Lungensport über längere Zeiträume (50 Einheiten in 18 Monaten oder 120 Einheiten in 36 Monaten) von den Kostenträgern finanziert, das gerätegestützte Training bleibt ausgeschlossen. Anwesende Patienten berichteten überdies von Schwierigkeiten, den Lungensport überhaupt verordnet zu bekommen. Dabei muss der verantwortliche Mediziner lediglich das sogenannte Formular 56 »Antrag auf Kostenübernahme für Rehabilitationssport« ausfüllen. Eine Lungensporteinheit bei speziell ausgebildeten Übungsleitern dauert in der Regel zwischen 60 und 90 Minuten.
Schritt für Schritt
»Mit einer Einheit Lungensport in der Woche sollte das Thema Bewegung für den Rest der Woche allerdings nicht erledigt sein«, erinnerte Kuhnert. Betroffene sollten jede Möglichkeit im Alltag nutzen, um zu trainieren. Dabei gelte es, »klein anzufangen«. Ein Schrittzähler sei in jedem Fall hilfreich. So werden für COPD-Patienten etwa 4500 Schritte am Tag empfohlen. »Auch wenn es sich nach Peanuts anhört und sie bei nur 500 Schritten täglich starten: Selbst eine Steigerung von täglich zwanzig Schritten mehr dient der Gesundheit«, verdeutlichte der Experte. /