Auf das Arzneimittel kommt es an |
14.07.2017 12:09 Uhr |
Von Maria Pues / Kann man dieses Arzneimittel durch die Sonde geben? Die Antwort auf diese Frage hängt nicht nur vom Arzneimittel und seiner Zubereitungsform ab, sondern von vielen weiteren Faktoren. Doch welche sind das, und wo findet man zuverlässige Informationen hierzu?
Wenn Patienten über eine Sonde ernährt werden, erhalten sie oft auch ihre Arzneimittel auf diesem Weg. Dann stellt sich häufig die Frage: Kann man ein bestimmtes Medikament über die Sonde verabreichen? Die Antwort hängt nicht nur vom Arzneimittel ab, sondern unter anderem auch von der Art der Sonde. Aber auch die korrekte Handhabung – von der Vorbereitung bis zur Verabreichung des Arzneimittels – entscheidet mit über den Therapieerfolg.
Foto: Fotolia/sudok1
So besteht bei unsachgemäßer Gabe unter anderem die Gefahr, dass die Sonde durch zu große Partikel verstopft. Wechselwirkungen zwischen Sondenkost und Arzneistoffen sind ebenso zu bedenken wie Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen. Zudem kann es aus verschiedenen Gründen zu Über- oder Unterdosierungen kommen. Auch Magen-Darm-Beschwerden wie Blähungen, Bauchkrämpfe oder Durchfälle können auftreten und die oft schwer kranken Menschen zusätzlich erheblich belasten. Denn eine Sondenernährung erfolgt häufig bei Patienten mit Schluckstörungen, etwa nach einem Schlaganfall, bei Patienten mit Tumoren oder mit einer Demenzerkrankung.
Die allererste Frage lautet nicht »Kann das Arzneimittel durch die Sonde?«, sondern »Muss dieses Arzneimittel überhaupt durch die Sonde?« Denn bei manchen Patienten ist der Schluckvorgang noch intakt, etwa bei Patienten mit einer Sonde, die durch die Bauchdecke in den Magen oder Dünndarm geführt wird. Oft können Arzneimittel dann auch peroral verabreicht werden. Möglicherweise gibt es auch Arzneiformen, mit denen sich eine Sondengabe umgehen lässt, zum Beispiel Suppositorien, transdermale therapeutische Systeme oder Sublingualtabletten. Manche Probleme bei der Sondengabe lassen sich auch umgehen, wenn es flüssige Varianten des Medikamentes gibt, zu denen man wechseln kann. Und nicht zuletzt muss eine Frage lauten: »Darf das überhaupt durch die Sonde?« Denn nicht alles, was hindurchgeht, darf auch auf diesem Weg verabreicht werden. Eine Hilfe zur Entscheidungsfindung zeigt der auf Seite 30.
Sonden-Sorten
Zum Hintergrund: Sonden werden entweder durch die Nase (transnasal) oder durch die Bauchdecke (perkutane, endoskopisch unterstützte Gastrostomie, PEG) in den Gastrointestinaltrakt geführt. Sie enden dann entweder im Magen (nasogastrale Sonde) oder im Dünndarm (nasoduodenale oder transpylorische Sonden beziehungsweise PEG mit transpylorischer intestinaler Sonde, Jet-PEG). Darüber hinaus gibt es die Feinnadelkatheterjenustomie (FKJ). Dabei handelt es sich um sehr dünne Sonden, die durch die Bauchdecke hindurch unter Umgehung des Magens direkt in tiefere Dünndarmabschnitte geführt werden.
Dicke und Öffnungen
Grundsätzlich gilt: Je länger und je englumiger eine Sonde ist, umso schwieriger ist die Gabe von Arzneimitteln. Doch nicht nur den Durchmesser der Sonde gilt es zu beachten, sondern auch den von Ansatzstücken und von Austrittsöffnungen, denn diese können enger sein als der Sondendurchmesser. Die Dicke einer Sonde wird über den Außendurchmesser in Charrière (1 CH = 0,33 mm) angegeben. Transnasale Sonden sind mit CH 12 bis 15 bei der Gabe von Arzneimitteln leichter zu handhaben als solche mit CH 8 bis 9, wie sie häufig bei Dünndarm-Sonden verwendet werden. Es gibt aber auch PEG-Sonden mit CH 20. Als Materialien kommen das etwas festere Polyurethan oder der weichere und dickwandigere Silikonkautschuk zum Einsatz. Ein kleines aber feines Detail: Bei gleicher CH-Zahl ist der Innendurchmesser von Silikon-Sonden aufgrund der stärkeren Wanddicke meist geringer als der von Polyurethan-Sonden.
Bei transnasalen Sonden sind die Austrittsöffnungen mit 1,5 bis 4 mm oft kleiner als bei PEG-Sonden. Diese sind seitlich angebracht, damit auch wenn die Sonde an der Magen- oder Darmwand eng anliegt, freie Öffnungen vorhanden sind, durch die die Sondenkost ausfließen kann. Zudem ist die Sondenspitze geschlossen, da für das Legen dieser Sonden ein Führungsdraht benötigt wird. Dadurch entsteht an der Spitze ein Totraum, in dem sich Partikel des Arzneimittels ansammeln können. PEG-Sonden besitzen mit rund 4 mm meist größere Austrittsöffnungen. Jet-PEG-Sonden, die durch eine PEG-Sonde in den Dünndarm geführt werden, sind mit CH 5 bis 9 sehr dünn und haben Austrittsöffnungen von höchstens 2 mm Durchmesser.
Endet eine Sonde im Dünndarm, muss auch die Osmolarität der verabreichten Zubereitung beachtet werden. Stark hyperosmolare Lösungen können zu Durchfällen führen. Auch ein hoher Sorbitgehalt sowie große Flüssigkeitsmengen werden meist nicht gut toleriert; eine Bolusgabe sollte daher 50 bis 60 ml nicht überschreiten.
Grundsätzlich gilt außerdem: Einnahmehinweise, die für die normale perorale Einnahme des Arzneimittels gelten, müssen auch bei der Gabe über eine Sonde beachtet werden. Muss das Arzneimittel beispielsweise nüchtern eingenommen werden, so gilt das auch bei Sondengabe. Einige Probleme lassen sich bereits durch Einhaltung bestimmter Vorschriften beachten. Doch häufig gibt es Detailfragen.
Nicht mischen
Einige Grundregeln sollten bei der Gabe von Arzneimitteln über eine Ernährungssonde beachtet werden. Arzneimittel müssen einzeln verabreicht werden. Sie dürfen niemals gemischt oder miteinander verrieben werden, da es hierbei zu physikalisch-chemischen Wechselwirkungen kommen kann, zum Beispiel zur Bildung von Partikeln oder Verklumpungen, die die Sonde verstopfen können. Auch mit einem möglicherweise deutlichen Wirkverlust muss gerechnet werden.
Algorithmus zur Sondengabe von Arzneimitteln
Quelle: R. Warlich, F. Dörje, M. Brüngel: Medikamentenapplikation bei Sondenernährung. Pfrimmer Nutricia, Erlangen 2003.
Arzneimittel dürfen nie der Sondennahrung untergemischt werden. Andernfalls können beispielsweise saure Arzneizubereitungen zu einem Ausflocken von Eiweißen führen, wodurch die Sonde verstopft werden kann. Auch andere Inhaltsstoffe der Nahrung (zum Beispiel Vitamine) oder der Arzneimittel können unter Zersetzung miteinander reagieren. Zudem kann sich die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen ändern.
Interaktionen beachten
Wechselwirkungen zwischen Nahrungs- und Arzneimitteln, die bereits ohne Sonde bekannt sind, treten auch bei Sondengabe auf und müssen beachtet werden. Auch durch die Sonde dürfen etwa Tetracycline nicht mit Milch gegeben werden. Schilddrüsenhormone müssen nüchtern eingenommen werden. Grundsätzlich gilt außerdem: Die Einnahme von Arzneimitteln während einer Mahlzeit kann den Wirkungseintritt verzögern. Je fetthaltiger die Nahrung, umso stärker ist üblicherweise der Effekt. Bei Patienten, die über eine Sonde ernährt werden, erfolgt der Wirkeintritt meist schneller als bei Patienten, die selbst essen können.
Vor und nach jeder Nahrungsgabe sowie vor und nach jeder Medikamentengabe sollte die Sonde gespült werden, außerdem bei jeder Unterbrechung der Nahrungszufuhr. Am besten verwendet man stilles Mineralwasser oder Leitungswasser guter Qualität. Obwohl häufig verwendet, kann Tee nicht empfohlen werden, denn er enthält je nach Sorte Gerbstoffe, ätherische Öle oder Fruchtsäuren. Das birgt die Gefahr einer bakteriellen Besiedelung. Auch gilt zu guter Letzt: Man muss bei der Arzneimittelgabe zügig arbeiten. Andernfalls können Luft und Licht Wirkstoffe verändern oder gar zersetzen.
Manche Arzneimittel dürfen grundsätzlich nicht oder nur unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen zerkleinert werden. Dazu gehören Zubereitungen mit magensaftresistenten Überzügen, da andernfalls der Wirkstoff unmittelbar mit dem Magensaft in Kontakt kommen kann. Dies kann zu Reizungen der Magenschleimhaut führen und/oder im Falle säureempfindlicher Wirkstoffe zu einer Zersetzung des Arzneistoffs und damit zu einem Wirkverlust. Wirkstoffe aus Arzneiformen, die – unzerstört – eine verzögerte Wirkstofffreigabe gewährleisten, würden hingegen zu schnell freigesetzt. Da sie zudem häufig höher dosiert sind als schnell freisetzende Arzneiformen, besteht neben der Möglichkeit für einen zu schnellen Wirkeintritt (und -abfall) die Gefahr einer Überdosierung.
Gefahrenpotenzial
Nur unter Sicherheitsvorkehrungen zerkleinert werden dürfen Arzneistoffe, die gefährliche Stäube bilden können. Zu diesen gehören Zytostatika, Immunsuppressiva, Hormone oder Virustatika, aber auch manche Antiepileptika oder Antibiotika. Sie enthalten Substanzen mit CMR-Potenzial (CMR: carcinogen = krebserregend, mutagen = erbgutschädigend und reproduktionstoxisch = fruchtschädigend). Handschuhe und ein geeigneter Mundschutz beim Zerkleinern sind daher Pflicht. Schwangere und Stillende dürfen mit diesen Substanzen grundsätzlich nicht arbeiten.
Nicht alles, was zerkleinert werden darf, muss auch in den Mörser. So zerfallen viele schnell freisetzende Tabletten oder Kapselinhalte unter Bildung einer feinverteilten Suspension in Wasser und können dann durch die Sonde verabreicht werden. Selbst manche Retardzubereitungen kann man in Wasser zerfallen lassen, wobei sich eine Suspension bildet. Zerfallen lassen kann man außerdem manche zusammengesetzten Arzneiformen, etwa Hartgelatinekapseln, die Mikropellets enthalten oder bestimmte Tabletten (MUPS = Multi Unit Pellet System); sie dürfen nicht gemörsert werden. Achtung: Partikelgröße und Sondenart beachten! Aber nicht alles, was eine Bruchkerbe hat, darf auch geteilt werden, denn es gibt auch sogenannte Schmuckkerben. Und nicht alles, was teilbar ist, darf auch pulverisiert werden. Hier müssen die Empfehlungen des Herstellers in der Packungsbeilage beachtet werden.
Leicht auflösen lassen sich Brausetabletten und -granulate, doch bilden sie dabei meist auch Kohlensäure. Diese sollte man vor der Gabe durch Rühren entweichen lassen, da es sonst zu Blähungen oder Völlegefühl beim Patienten kommen kann. Tropfen und Säfte sollte man insbesondere bei Dünndarmsonden vor der Gabe ausreichend verdünnen und nicht zu schnell applizieren, da es sonst zu Reizungen bis hin zu Durchfällen kommen kann. Flüssig, aber dennoch aufgrund ihrer Hilfsstoffe meist ungeeignet für eine Sondengabe, sind hingegen Injektionslösungen. Ebenfalls flüssig und ebenfalls ungeeignet ist meist der Inhalt von Weichgelatinekapseln. Wenn dieser mittels einer Spritze aus der Kapsel aufgezogen wird, erreicht man damit keine hohe Dosiergenauigkeit.
Über die Mundschleimhaut
Sorgfältig hinsehen muss man bei Sublingual- und Schmelztabletten, die sich beide gut für Patienten mit einer Ernährungssonde eignen – wenn sie richtig angewendet werden. So werden Wirkstoffe aus Sublingualtabletten tatsächlich über die Mundschleimhaut aufgenommen. Sie zu schlucken oder eine Sondengabe sind nicht erforderlich und meist nicht sinnvoll; die Gabe über eine Sonde kann sogar zu einem Wirkverlust führen, wenn Arzneistoffe über den Magen-Darm-Trakt nicht gut verfügbar sind, weil sie entweder nicht aufgenommen, zu schnell abgebaut oder gar zersetzt werden. Anders ist es bei Schmelztabletten. Sie zerfallen schnell im Mund, müssen aber mit dem Speichel oder einem Schluck Wasser in den Magen-Darm-Trakt gelangen, um wirken zu können. Schmelztabletten kann man daher für einen Sondenpatienten gut in Wasser auflösen und über die Sonde verabreichen.
Gut gemörsert
Tabletten und Dragees, die pulverisiert werden dürfen, gibt man am besten in einen glattflächigen, gut zu reinigenden Mörser, mit dem sich ein guter Zerkleinerungsgrad erreichen und aus dem sich das Pulver möglichst quantitativ überführen lässt. Der gute alte Mörser traditioneller Bauart ist dabei jedoch nicht das Modell erster Wahl. Hingegen lassen sich etwa Schraubmörser gut greifen und mit weniger großem Kraftaufwand bedienen. Die Tablette wird eingelegt und Ober- und -Unterteil einfach fest ineinander geschraubt. Für den professionellen Bedarf gibt es sogenannte Knuser, in denen die Tabletten mit einer Stempel-Zahnkrohne aus Edelstahl zermörsert werden; das Pulver gelangt danach direkt in einen Einwegbecher. /
Buchtipp
Constanze Schäfer, Veit Eck, Maria-Franziska Flock u. a. (Hrsg.): Sondenapplikation von Arzneimitteln. Aus der Reihe: Für die Kitteltasche: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2010.
Datenbank
Plus X, ein Modul der ABDA-Datenbank, das Angaben zu Teilbarkeit, besonderer Verabreichung und Sondengängigkeit von Arzneimitteln enthält.
Links
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