Aufklären in der Apotheke |
08.10.2014 11:06 Uhr |
Von Verena Arzbach / Vorbeugen statt behandeln: In Bayern setzen sich die Apotheken im Rahmen der Kampagne »Diabetes bewegt uns« seit einiger Zeit intensiv für die Prävention von Typ-2-Diabetes ein. Apothekerin Karin Schmiedel vom WIPIG – Wissenschaftliches Institut für Prävention im Gesundheitswesen erklärt im Gespräch mit PTA-Forum, wie Apothekenteams sich in der Prävention engagieren können.
»Apothekenteams können eine Änderung des Lebensstils optimalbegleiten.«Karin Schmiedel
PTA-Forum: Welche Rolle spielen die Apotheken bei der Prävention von Diabetes-Erkrankungen?
Schmiedel: Die Apothekenteams klären auf, wie Diabetes entsteht und bestimmen beispielsweise mit dem Risiko-Fragebogen Findrisk, ob jemand gefährdet ist. Sie beraten Kunden in der Apotheke, wie diese mit der richtigen Ernährung, regelmäßiger Bewegung und Nichtrauchen vorbeugen können. Auch Blutzuckermessungen werden in vielen Apotheken angeboten – dadurch können Risikopersonen frühzeitig für einen Arztbesuch sensibilisiert werden.
PTA-Forum: Warum ist es so wichtig, dass sich gerade Apotheken bei der Prävention von Krankheiten wie Diabetes engagieren?
Schmiedel: Apotheken haben einfach den Vorteil, vor Ort zu sein. Außerdem kann sie jeder ohne Termin aufsuchen. Beides führt dazu, dass Apothekenteams eine Lebensstiländerung, wie sie bei der Prävention von Diabetes erforderlich ist, optimal begleiten können. Die Patienten finden bei Fragen jederzeit einen kompetenten Ansprechpartner vor. Das sind Vorteile, die beispielsweise Präventionskurse von Krankenkassen nicht leisten können.
PTA-Forum: Welche Aktionen kann die Apotheke organisieren? Welche besonderen Aktionen gab es bislang in Bayern im Rahmen von »Diabetes bewegt uns«?
Schmiedel: Viele Apotheken bieten Aktionen mit Blutzuckermessungen oder dem Findrisk-Risikocheck an. Einige organisieren auch Vorträge – hierfür hat das WIPIG den Vortrag »Das bisschen Zucker macht doch nichts?« zur Verfügung gestellt. Viele Menschen wissen gar nicht, dass es verschiedene Formen von Diabetes gibt und man der häufigsten Form – dem Typ-2-Diabetes – vorbeugen kann. Genau darüber klärt der Vortrag auf.
Es gab in Bayern bereits viele tolle Aktionen und einige finden jetzt immer noch statt. Etwas Besonderes waren die vielen Kooperationen: Gemeinsam mit Hausärzten, Diabetologen, Landratsämtern, Selbsthilfegruppen und vielen mehr haben die Apotheken Aktionen durchgeführt und die Bevölkerung aufgeklärt. So entstand das Gefühl, alle ziehen an einem Strang und setzen sich für die Diabetes-Prävention ein.
PTA-Forum: Wie war die Resonanz der Kunden bislang? Nehmen diese die Angebote wahr?
Schmiedel: Die Resonanz war und ist noch sehr positiv. Viele sind daran interessiert, ihr Diabetes-Risiko zu erfahren und lassen ihren Blutzucker messen. Auch Diabetiker sind von der Aufklärung der Apotheken begeistert: Viele verstehen endlich, was bei Diabetes im Körper passiert und wie die hohen Blutzuckerwerte zu Stande kommen.
Der Fragebogen Findrisk errechnet anhand von acht Fragen, wie hoch das Risiko eines Patienten ist, in den kommenden zehn Jahren an Diabetes Typ 2 zu erkranken. In die Bewertung fließen das Alter, genetische Vorbelastung, Gewicht, Bluthochdruck und Bewegungs- und Essverhalten mit ein. Für jede Antwort gibt es Punkte, je höher die Gesamtpunktzahl, desto höher ist das individuelle Risiko.
Den Risikocheck gibt es unter anderem hier: www.diabetesstiftung.de
PTA-Forum: Haben Sie einen Tipp, wie Apothekenmitarbeiter zum Beispiel übergewichtige Kunden auf das Thema Diabetes-Prävention ansprechen können und zur Lebensstiländerung motivieren können?
Schmiedel: Gerade übergewichtige Kunden haben oft schon Erkrankungen wie Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels oder leiden unter Knieproblemen. Wenn also ein Patient in der Apotheke ein Rezept für ein Antihypertonikum einreicht, können die Apothekenmitarbeiter ihn gezielt ansprechen. Sie sollten ihm erklären, dass Bluthochdruck das Risiko für Erkrankungen wie Diabetes erhöht und ihn fragen, ob er zum Beispiel Interesse hat, einen Gesundheits-Check machen zu lassen. Der Findrisk-Fragebogen heißt auch »GesundheitsCheck Diabetes«, er umfasst nur acht Fragen und wird von der Deutschen Diabetes-Stiftung herausgegeben. Anhand der Gesamtpunktzahl sagt der Test das Diabetes-Risiko für die kommenden zehn Jahre vorher. Und in Abhängigkeit davon können Apotheker oder PTA Kunden auch gleich zur Lebensstiländerung beraten. Das WIPIG hat außerdem einen Präventionsratgeber Diabetes herausgegeben, der die Beratung abrunden kann. In diesem können die Patienten zahlreiche Tipps zur richtigen Ernährung und zu mehr Bewegung nachlesen.
PTA-Forum: Mit Glicemia hat das WIPIG gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ein Konzept zur Diabetes-Prävention in öffentlichen Apotheken entwickelt. Von 2012 bis Anfang 2014 wurde das Programm im Rahmen einer Studie in bayerischen Apotheken getestet. Gibt es schon erste Ergebnisse, wie sich das Projekt in der Praxis bewährt hat?
Schmiedel: Wir können mit Stolz sagen, dass die Studie in den beteiligten Apotheken erfolgreich abgeschlossen wurde. Die Apotheken haben mit sehr viel Herzblut an der Studie mitgewirkt und die Probanden ein Jahr lang bei der Diabetes-Prävention unterstützt. Konkret hieß dies in der Interventionsgruppe, dass drei persönliche Beratungsgespräche geführt wurden und fünf Gruppenschulungen angeboten wurden. Die Ergebnisse motivieren uns, nun in den Rollout zu starten. Hierzu finden derzeit erste Fortbildungen statt. Seit Oktober stehen außerdem die Materialien zum Download auf der WIPIG-Homepage Apothekern des WIPIG-Netzwerks zur Verfügung. Mehr können wir an dieser Stelle noch nicht verraten – denn die Studie wird zunächst in einem internationalen Journal veröffentlicht. /
Die Veranstaltungen einzelner bayerischer Landkreise gibt es auf www.diabetes-bewegt-uns.de. Interessierte finden eine Liste von Apotheken, die ihren Schwerpunkt auf die Diabetiker-Beratung legen, auch im »Netzwerk Diabetesprävention« auf der WIPIG-Website unter www.wipig.de