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Hautmikrobiom

Der Mikroben-Zoo auf unserer Haut

24.07.2015  11:18 Uhr

Von Manuela Kupfer / Die Haut beherbergt eine Vielzahl speziell angepasster Mikroorganismen: Bakterien, Pilze, Viren, Archaeen und Protozoen. Die Zusammensetzung dieser Hautmikrobiota unterscheidet sich teilweise stark von Mensch zu Mensch – abhängig von der Hautregion, dem Alter, dem Geschlecht, der Herkunft, der genetischen Ausstattung sowie dem Lebensstil.

Die Haut ist mit 1,5 bis 2 Quadratmetern Fläche eines unserer größten Organe. Als Barriere gegenüber der Umwelt bietet sie Schutz vor Verletzungen und Krankheitserregern. Gleichzeitig dient sie Milliarden von Mikroorganismen als Lebensraum. Das feine Zusammenspiel von Hautzellen, Immunzellen und den Hautmikrobiota sorgt dafür, dass die Homöostase erhalten bleibt. Um mehr über den Einfluss dieser Organismen auf den gesunden, aber auch den kranken Menschen zu erfahren, ini­tiierte die amerikanische Gesundheitsbehörde National Institutes of Health (NIH) 2007 das Human Microbiome Project (HMP). Nach fünf Jahren Arbeit lautet ein erstes Zwischenergebnis der Wissenschaftler aus mehr als 80 Forschungseinrichtungen, dass die Mikrobiota einen wichtigen Beitrag zu unserer Gesundheit liefern.

Unzählige Mikroben bevölkern die Haut gesunder Menschen auf unterschiedlichsten Regionen. Die Zusammensetzung der Bakterienstämme ist bei jedem Menschen anders. Insgesamt wurden mehr als 200 Bakterien-Gattungen gefunden: Die größte Vielfalt mit durchschnittlich 44 Arten zeigte sich auf dem Unterarm, hinter dem Ohr leben die wenigsten, im Schnitt 14 Arten. Trockene Hautpartien wie die Unterarme bieten den Einzellern dabei bessere Bedingungen als feuchte Haut wie Achselhöhlen und Kniekehlen. Ölige Stellen, zum Beispiel die Haut neben der Nase und zwischen den Augen, scheinen eher unwirtlich zu sein. Es gab keine Bakterienart, die bei allen Testpersonen und an allen Körperstellen gefunden wurde. Zu den 36 Arten zählten am häufigsten Actinobacteria, Firmicutes, Proteobacteria, Cyanobacteria und Bacteroidetes.

Die verschiedenen Körperstellen beherbergen jeweils typische Mikrobenmischungen, also Bakterienstämme, die dort bei nahezu allen Menschen vorkommen (siehe auch Tabelle). Ergänzt werden sie durch weitere Stämme, deren Zahl und Identität sich individuell stark unterscheiden können. Am Beispiel der Handflächen zeigte sich, dass Individuen typischerweise kaum ein Siebtel ihrer Bakterienarten gemeinsam haben. Auch scheinen Frauen eine größere Artenvielfalt zu beherbergen als Männer. Ferner unterscheiden sich die Mikrofloren auf rechter und linker Hand deutlich. Bei durchschnittlich 158 Arten pro Hand konnten insgesamt mehr als 4700 Arten charakterisiert werden. Zwar kamen Vertreter einiger weniger Bakteriengattungen auf praktisch allen Händen vor. In der Besiedlung durch seltene Arten zeigten sich jedoch erhebliche Unterschiede.

Mikrobieller Fingerabdruck

Nicht nur einzelne Menschen, sondern auch Familien besitzen einen charakteristischen mikrobiellen Fingerabdruck, den sie untereinander sowie mit ihrem häuslichen Umfeld austauschen. Je näher sich Menschen stehen, desto ähn­licher ist auch die Mikrobengemeinschaft der Haut, besonders auf den Händen. Hund und Katze erhöhten noch das Vorkommen von Bakterien, die normalerweise auf Pflanzen und im Boden siedeln. Die charakteristischen Mikrobengesellschaften von Familien und ihren Wohnräumen sind nicht etwa an den jeweiligen Ort gebunden, sondern an die Personen: Nach einem Umzug zeigte das neue Umfeld binnen weniger Tage das typische Mikrobenmuster der alten Wohnung.

Der Vergleich von Hautabstrichen des Unterarms zwischen US-Amerikanern und Ureinwohnern aus Venezuela ergab deutliche Unterschiede in der bakteriellen Zusammensetzung. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Hautmikrobiota eng mit der Ethnie, dem Lebensstil und/oder der geographischen Herkunft zusammenhängen.

Der Mensch erwirbt seine Mikrobiota nach und nach. Bei der Geburt nimmt ein Kind zum Beispiel Laktobazillen und Prevotelle aus dem Geburtskanal der Mutter auf. Der Kontakt mit anderen Menschen, Haustieren und Gegenständen sorgt dafür, dass sich das eigene Mikrobiom rasch entwickelt. Im Laufe der Kindheit nimmt die bakterielle Diversität zu und die interindividuelle Variabilität ab. Der Großteil der aufgenommenen Mikroorganismen aus der Umwelt wird nicht Teil des Mikrobioms, da diese mit den bereits etablierten Mikroben um das Habitat konkurrieren müssen. Während der Pubertät verändert sich die bakterielle Zusammensetzung der Haut noch einmal stark, indem fettliebende Arten deutlich zunehmen. Dies ist vermutlich auf den veränderten Hormonspiegel zurückzuführen. Bei Erwachsenen gibt es nur noch geringe zeitliche Schwankungen.

Bakterien machen den Hauptteil der Hautmikrobiota aus, unsere Haut ist allerdings auch von anderen Mikroben besiedelt, vor allem Pilzen, Viren, Archaeen und Protozoen. Auch hier zeigt sich eine räumliche Variabilität. Vertreter aus der Gruppe der Pilze befinden sich hauptsächlich im Bereich der Füße. An der Ferse sind 80 unterschiedliche Gattungen lokalisiert, am Zehennagel sind es 60 unterschied­liche und zwischen den Zehen immerhin noch 40 Gattungen. Auf Hautabstrichen wurden bei allen Versuchspersonen Archaeen entdeckt, bei einigen Probanden machte diese Gruppe sogar 10 Prozent sämtlicher Mikroorganismen auf der Haut aus. Die Population der Viren verändert sich dynamisch. Dazu gehören auch Bacteriophagen, die spezifisch Bakterien befallen und diese so in Schach halten können.

Stabiles Schutzschild

Mikroben sind beides: Partner und Gegenspieler des Abwehrsystems. Einerseits wirkt eine stabile Körperflora als Schutzschild. Der ständige Verdrängungswettbewerb verhindert, dass krankmachende Keime im Organismus Fuß fassen. Manche Bakterien bilden Abwehrstoffe gegen mikrobielle Mitbewerber, zum Beispiel produziert Staphylococcus epidermidis Substanzen, die den pathogenen Staphylococcus aureus im Wachstum hemmen. Manche Mikroben bauen Hauttalg zu Fettsäuren ab und bilden dadurch einen schützenden Säuremantel, der die Vermehrung vieler Erreger verhindert. Zudem stimulieren einige Mikroben ganz gezielt die Immunantwort des Körpers.

Besiedelung der verschiedenen Körperregionen

Hautstelle Besiedler Eigenschaften
Talgdrüsen der behaarten Kopfhaut Hefepilz Malassezia Kann eine sogenannte Kleie­flechte auslösen, eine harmlose, nicht ansteckende Haut­pilzerkrankung
Stirn Corynebakterien Lieben talgreiche Orte, spalten Hauttalg zu Fett­säuren und tragen so zum Säureschutzmantel des Körpers bei
Fettreiche Regionen des Gesichts (Nasenflügel) Propionibacterium acnes Spielt bei der Pickelbildung eine maßgebliche Rolle
Achselhöhlen Brevibacterium Verursachen durch Zersetzung bestimmter Substanzen im Schweiß den typischen Körpergeruch
Feuchte Hautfalten (Leiste, Po) Hefepilz Candida Kann bei geschwächter Abwehrlage eine Infektion mit rötlichen Eiterbläschen hervorrufen
Feuchte Hautregionen (Fußsohle) Staphylococcus epidermidis Wirkt ­regulierend bei Entzündungen der Haut; gelangt es jedoch ins Blut, kann es zu schweren Infektionen führen
Zehenzwischenraum und Fußsohlen Fußpilz-Erreger Trichophyton ­Infektion wird durch pilz­haltige Hautschuppen übertragen, beispielsweise beim Barfußgehen in Schwimm­bädern

Andererseits nutzen aber auch Mikroben auf der Haut des Menschen Schwächen des Immunsystems konsequent aus. So kann der Hefepilz Can­dida, der oft als unbemerkter Gast auf Haut oder Schleimhäuten siedelt, dann zu Infektionen in Mund oder Scheide führen. Auch das Herpes-Virus gehört zu den lauernden Begleitern des Menschen. Die meisten sind mit ihm infiziert. Lebenslang überdauert das Virusgenom im Zellkern bestimmter Nervenzellen. Wird der Erreger reaktiviert, beispielsweise durch Hormonschwankungen oder Stress, blüht die Infektion neu auf.

Alle Studien zeigten, dass die Haut ein unglaublich dynamisches und komplexes Ökosystem ist und jeder Mensch nicht nur ein persönliches Genom, sondern auch ein individuelles Mikrobiom besitzt, das die menschliche Gesundheit wesentlich beeinflusst. /