Kontrolle ist besser |
30.07.2018 15:48 Uhr |
Von Edith Schettler / Die Volkskrankheit Hypertonie ist nur mit Hilfe einer Blutdruckmessung erkennbar, denn sie verursacht, zumindest zu Beginn, kaum körperliche Beschwerden. Auch für die Beurteilung des Verlaufes der Erkrankung und der Wirksamkeit der Therapie sind regelmäßige Messungen des Blutdrucks unumgänglich.
Das auskultatorische Verfahren bringt die genauesten Ergebnisse.
Foto: iStock/AndreyPopov
Der Druck des strömenden Blutes im Blutgefäßsystem, kurz Blutdruck genannt, entsteht durch die Pumparbeit des Herzens und der großen Arterien. In der Kontraktionsphase des Herzmuskels drückt die linke Herzkammer ein Schlagvolumen von 70 bis 100 ml Blut in die Aorta, wodurch der Druck in den Arterien messbar ansteigt. Das Maximum dieses Druckverlaufes wird als systolischer Blutdruck bezeichnet. Während der Erschlaffung des Herzmuskels übernehmen die großen Arterien, vor allem die Aorta, durch elastische Schwingungen und eine Windkesselfunktion den Weitertransport des Blutes in die peripheren Gefäße. Der von den Arterien weitergeleitete Druck ist geringer als derjenige, den der Herzmuskel aufbaut und wird diastolischer Blutdruck genannt. Die Differenz zwischen beiden Werten beträgt normalerweise 40 mmHg und wird als Blutdruckamplitude bezeichnet.
Rechtzeitig messen
Der Blutdruck ist neben der Kontraktionsleistung von Herz und Arterien abhängig vom Schlagvolumen und der Viskosität des Blutes. Den größten Einfluss auf die Höhe des Blutdrucks hat jedoch der Gefäßwiderstand, der sich indirekt proportional zur Elastizität der Gefäßwände verhält. Diese nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab, was mit den natürlichen Abbauprozessen und Veränderungen der Gewebe zusammenhängt.
Die Intima, die innerste Schicht der Gefäßwände, erleidet durch Alterungsprozesse, bei jüngeren Menschen auch durch einen ständig zu hohen Druck des Blutes auf die Gefäßwand, feinste Risse und Verletzungen. An diesen Stellen lagern sich Plaques aus Lipiden und Bindegewebszellen ab, die die Gefäße zwar abdichten, aber auch versteifen. Begleitet werden diese Umbauprozesse von chronischen Entzündungen. So entsteht im Laufe der Zeit eine Arteriosklerose, in deren Folge die Elastizität der Gefäße abnimmt und der Blutdruck steigt. Der hohe Druck wiederum löst weitere Verletzungen der Intima aus, deren Reparatur ihrerseits wieder Gefäßwiderstand und Blutdruck erhöht. Im Ergebnis verringert sich das Lumen der Arterien bis zu einer kompletten Stenose, die sich beispielsweise als Herzinfarkt, Schlaganfall oder Embolie äußert.
Immer mehr Kinder mit Hypertonie
Da dieser Prozess schleichend über Jahre verläuft, bemerken die Patienten die Veränderungen zunächst nicht. Jeder fünfte Hypertoniker in Deutschland weiß noch nichts von seiner Krankheit. Erst eine rechtzeitige Blutdruckmessung bringt Klarheit und kann eine lebensrettende Therapie einleiten. Das Angebot zur Blutdruckkontrolle in fast allen deutschen Apotheken ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zum flächendeckenden Screening der Hypertonie.
In Deutschland leidet mittlerweile jeder Dritte an erhöhtem Blutdruck, in der Altersgruppe zwischen 70 und 79 Jahren sogar drei von vier Personen. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass der Anteil an Hypertonikern unter Kindern in den letzten Jahren ständig gestiegen ist. Hauptursachen hierfür sind Übergewicht und Bewegungsmangel.
Um die Messergebnisse auszuwerten, sollten Patienten ihre Normwerte kennen. Die Deutsche Hochdruckliga e. V. (www.hochdruckliga.de) konkretisiert aufgrund neuester Erkenntnisse in Abständen die geltenden Normalwerte. Als normal gilt ein Blutdruck von weniger als 130/85 mmHg, ideal ist der Wert von 120/80 mmHg. Von Hypertonie spricht man bei Messwerten von 140/90 mmHg und darüber, wobei die Hochdruckliga zwischen leichter (140-159/90-99 mmHg), mittlerer (160-179/100-109 mmHg) und schwerer Hypertonie (180/110 mmHg und darüber) unterscheidet. Der ärztlichen Diagnose »Hypertonie« liegen mindestens drei Messungen an zwei verschiedenen Tagen zu Grunde.
Die Mehrzahl des medizinischen Fachpersonals nutzt zur Messung das so genannte auskultatorische (lateinisch »feststellen durch Abhören«) Verfahren. Diese auch als Korotkoff-Methode bekannte Messung liefert die genauesten Ergebnisse und findet auch bei Studien Verwendung. Bei der Messung wird mit einer aufblasbaren Druckmanschette zunächst die Oberarmarterie verschlossen. Nun verringert man langsam den Druck auf das Gefäß, wodurch die Durchblutung wieder einsetzt. Es strömt nur Blut durch die Arterie, wenn der Blutdruck höher ist als der Manschettendruck, anfangs also nur während der Systole, bei weiterer Reduktion des Druckes von außen schließlich auch während der Diastole, also ständig. Der Blutstrom bei einem Manschettendruck zwischen systolischem und diastolischem Wert verursacht rhythmische Klopfgeräusche, die durch das Öffnen und Schließen des Blutgefäßes entstehen. Diese Geräusche hört der Arzt mit einem Stethoskop. Das erste und das letzte Geräusch sind identisch mit dem systolischen und dem diastolischen Blutdruckwert.
Für den Laien ist diese Methode recht kompliziert, auch wenn bei modernen Geräten das Stethoskop bereits in die Manschette integriert ist (beispielsweise Boso BS 90).
Für die Anwendung zu Hause empfehlen sich die oszillometrischen Geräte, bei denen ein in der Manschette befindlicher Drucksensor die Pulswellen des Blutstromes misst. Ein Prozessor im Grundgerät errechnet aus der Druckkurve mit Hilfe eines Algorithmus den systolischen und den diastolischen Wert und ermittelt gleichzeitig die Pulsfrequenz. Die Geräte arbeiten vollautomatisch, ein Kompressor im Inneren des Grundgerätes erzeugt die Druckluft, um die Manschette aufzupumpen. Auch das Ablassen der Luft über ein Ventilsystem übernimmt das Gerät. Nach Beendigung der Messung ertönt bei manchen Geräten ein Signalton, auf dem Display erscheinen Blutdruck- und Pulswerte. Im Gerätespeicher können die Messwerte aufbewahrt werden, moderne Geräte übermitteln diese auch per Bluetooth an ein mobiles Endgerät (wie Braun iCheck® 7).
Handlich und praktisch auch für unterwegs: das Handgelenk-Messgerät.
Foto: Shutterstock/closeupimages
Nachteil des oszillometrischen Messverfahrens ist die geringere Genauigkeit. Da es sich um eine indirekte Messung handelt, das heißt, der Messwert durch eine Rechenoperation aus der Pulskurve ermittelt wird, lässt sich ein fester Fehlerwert nicht vermeiden. Im direkten Vergleich mit einem Korotkoff-Gerät sollte die Abweichung aber nicht mehr als 10 bis maximal 15 Prozent betragen. Da diese Abweichung bei jeder Messung auftritt, sind die Messwerte trotzdem reproduzierbar und untereinander vergleichbar. Beim Verkauf eines oszillometrischen Gerätes sollten PTA und Apotheker ihre Kunden auf diese Besonderheit hinweisen, um Unsicherheiten oder Enttäuschung vorzubeugen.
Oberarm oder Handgelenk
Oszillometrische Geräte gibt es in zwei Bauarten: als Tischgerät mit separater Oberarm-Manschette und als Handgelenkgerät mit integrierter Manschette. Viele Kunden in der Apotheke, die sich ein Blutdruckmessgerät kaufen wollen, äußern den Wunsch nach einem kompakten Gerät, das sie auch auf Reisen gut mitnehmen können. Diesen Wunsch kann ein Handgelenkgerät erfüllen, wenn einige Besonderheiten berücksichtigt werden.
Für Patienten mit einer fortgeschrittenen Arteriosklerose und/oder Diabetes mellitus liefern die auch als Blutdruckuhren bezeichneten Geräte nur unzuverlässige Messwerte. Der Geräteprozessor kann für verengte oder verhärtete Arterien keinen Algorithmus erkennen und berechnet fehlerhafte Werte. Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben und Diabetiker sollten PTA und Apotheker deshalb lieber zu einem Oberarmgerät raten. Dieses hat den Vorteil, dass die Armarterie (Arteria brachialis), die zur Messung benutzt wird, ein größeres Lumen hat als die Speichenarterie (Arteria radialis) am Handgelenk. Sie behält auch bei arteriosklerotischen Veränderungen länger ihre Elastizität als vergleichsweise dünnere Blutgefäße, damit fällt die Messung genauer aus.
Mittlerweile können spezielle Oberarmgeräte auch Arrhythmien erkennen.
Foto: Shutterstock/Bacho
Ein weiterer Punkt, der bei der Wahl des richtigen Gerätes Beachtung finden sollte, ist die Herzfunktion des Patienten. Manche oszillometrischen Geräte stoßen an ihre Grenzen, wenn der Patient an Herzrhythmusstörungen leidet. Mittlerweile gibt es jedoch Prozessoren, die diese Arrhythmien erkennen und automatisch eine Mehrfachmessung vornehmen, aus der sie dann den Mittelwert errechnen (zum Beispiel Boso® medicus vital). Andere Geräte kombinieren die oszillometrische mit der Korotkoff-Methode (wie Tensoval® duo control) und enthalten neben einem Drucksensor ein zuschaltbares Mikrofon in der Manschette. Messgeräte mit Arrhythmie-Erkennung sind meist Oberarm-Geräte.
Eltern als Spezialisten
Für Patienten mit sehr starken Armen empfehlen sich ebenfalls Oberarm-Geräte. Handgelenkgeräte können nur bei Personen mit einem Handgelenkumfang von unter 20 cm verwendet werden. Lässt sich die Manschette nicht vollständig verschließen, weil sie zu kurz ist, ist eine Messung nicht möglich. Bei zu schmaler Manschette schneidet diese ein und es resultiert ein zu hoher Messwert. Für Oberarm-Messgeräte bieten die Hersteller Manschetten in mehreren Längen von 16 bis 48 cm als austauschbares Zubehör an.
Obwohl Ärzte die häusliche Verlaufskontrolle für Kinder mit einer Hypertonie als sehr wichtig erachten, gibt es keine validierten oszillometrischen Geräte, die speziell für Kinder vorgesehen sind. Eine Messung am Oberschenkel liefert ebenso ungenaue Messergebnisse wie die Verwendung eines Handgelenkgerätes am Oberarm. Die Eltern müssen also lernen, ein Korotkoff-Gerät zu bedienen, für das es spezielle Kindermanschetten gibt (beispielsweise Boso® clinicus II mit Säuglingsmanschette unter 8 cm Umfang).
Vor der Messung sollte man fünf bis zehn Minuten zur Ruhe kommen.
Foto: Shutterstock/Nejron Photo
Neben der Wahl der richtigen Manschettengröße spielen noch weitere Faktoren für eine korrekte Messung eine Rolle. So sollte der Abstand zwischen der Manschette am Oberarm und der Ellenbeuge etwa 2,5 cm betragen. Die Manschette darf beim Anlegen keine Luft enthalten und muss am unbekleideten Arm ohne einzuschnüren fest anliegen. Vor allem bei Handgelenkgeräten muss sich die Manschette auf Herzhöhe befinden: Lässt der Patient den Arm herabhängen, fällt der Messwert zu hoch aus.
Bei einem Vergleich der Messergebnisse über einen bestimmten Zeitraum, muss die Messung immer zur gleichen Zeit erfolgen, zum Beispiel morgens vor dem Frühstück und abends vor dem Schlafengehen. Antihypertonika sollte der Patient erst nach der Messung einnehmen, ebenso sollte er zuvor keine koffeinhaltigen Getränke trinken und nicht rauchen. Starker Harndrang erhöht den Blutdruck, deshalb lohnt es in diesem Fall, vorab die Blase zu entleeren. Während der Messung sitzt der Patient entspannt mit nebeneinander aufgestellten Füßen. Nach körperlicher Anstrengung sollte er mindestens fünf bis zehn Minuten ruhen, bevor er die Messung startet. Während der Messung darf er sich nicht bewegen und nicht sprechen, denn jede Muskeltätigkeit erhöht den Blutdruck. Vor allem bei der Benutzung von Korotkoff-Geräten ist Ruhe wichtig, weil Umgebungsgeräusche das Messergebnis verfälschen.
Der Blutdruck ist am linken Arm, bedingt durch die Nähe zum Herzen, höher als am rechten Arm, in der Regel beträgt der Unterschied etwa 10 bis 20 mmHg. Um reproduzierbare Ergebnisse zu erreichen, sollte immer am gleichen Arm gemessen werden. Meist ist das der linke Arm, da auch die Ärzte diese Seite bevorzugen. /